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15:19 Uhr - 27.06.2017

«In der Schweiz finden wir nichts»

Die Manager des Quantex Global Value Fund, Livio Arpagaus und Peter Frech, sagen, warum sie den hiesigen Aktienmarkt scheuen und wo sie attraktive Werte geortet haben.

Herr Arpagaus, Herr Frech, Aktienanleger werden zunehmend optimistisch – bereitet Ihnen das Sorge?
Arpagaus: Schon ein wenig. Wir bewegen uns deshalb langsam in Richtung Bunker.
Frech: Ja, aber mit Betonung auf langsam, wir machen ja kein Markttiming. Noch vor einem Jahr, inmitten der Ängste um die Brexit-Abstimmung, fanden wir in zyklischen Segmenten und bei Finanztiteln reichlich attraktiv bewertete Unternehmen. Mittlerweile haben viele dieser konjunktursensitiven Titel unser Kursziel erreicht, weshalb wir sie verkauft haben. Zudem sind die Bewertungsunterschiede zwischen den Firmen geschrumpft, was ein typisches Boomzeichen ist.

Was bedeutet das?
Frech: Das heisst, Anleger werden nicht mehr angemessen für das Eingehen von Risiken entschädigt. Noch vor einem Jahr war das anders. Bei diesen geringen Bewertungsunterschieden setzen Investoren besser auf Qualität, sprich auf Gesellschaften mit überzeugendem Geschäftsmodell und solider Bilanz.
Arpagaus: Heute müssen Anleger gar einen Zuschlag für besonders konjunktursensitive Aktien bezahlen. Wirklich günstige Gelegenheiten ergeben sich nur noch in problembehafteten Segmenten.

Sie finden also nirgends mehr attraktive Unternehmen?
Frech: Wir werden noch in zwei Branchen fündig: im US-Detailhandel sowie im Gesundheitssektor, der unter regulatorischer Unsicherheit leidet. Die Risiken sind hoch, aber die Bewertung – etwa gemessen am freien Cashflow relativ zum Unternehmenswert – günstig genug, um eine Sicherheitsmarge zu bieten.

Ist die Gefahr für den Detailhandel, die von Amazon (AMZN 993.98 -0.97%) ausgeht, also übertrieben?
Arpagaus: Der strukturelle Abwärtstrend dürfte anhalten, und der Online-Handel wird weiter Marktanteile gewinnen.

Und trotzdem setzen Sie aggressiv auf diese Branche.
Arpagaus: Das ist richtig. Vergleicht man den Umsatzrückgang der Detailhändler mit Ladenlokalen mit dem Zuwachs bei den Online-Händlern, zeigt sich eine Lücke. Die Verluste werden durch die Gewinne der Online-Retailer nicht kompensiert. Die Frage ist nun: Wohin fliesst das eingesparte Geld?

Und wohin fliesst es?
Arpagaus: Viele Analysten argumentieren, die Leute werden statt Kleider vermehrt Autos kaufen und in Restaurants essen. Unsere Meinung ist jedoch, dass die Konsumenten irgendwann wieder Kleider kaufen müssen, wobei nicht der gesamte Umsatz von den Online-Retailern abgeschöpft wird. Und wir glauben, dass wir diejenigen Unternehmen ausgewählt haben, die die aktuelle Durststrecke auch tatsächlich überleben werden.

Dazu zählt etwa der Jeansladen The Buckle. Was spricht für das Unternehmen?
Arpagaus: Unsere Auswahlkriterien waren, dass entweder eine Gründerfamilie hinter dem Unternehmen steht oder der CEO einen grossen Anteil besitzt. Ebenfalls wichtig ist, dass die Minderheitsaktionäre in der Vergangenheit mit Dividenden belohnt wurden und die Gesellschaft in der Boomphase bis 2014 keine Übernahmen durchgeführt hat.
Frech: Die Kapitaldisziplin ist ein wichtiges Kriterium.
Arpagaus: Zudem kamen nur schuldenfreie Unternehmen in Frage, damit die wohl weiter fallenden Gewinne nicht plötzlich Schuldenklauseln auslösen, die zu Problemen führen könnten. Schliesslich kaufen wir Firmen, die ihre Ladenflächen mieten und nicht selbst besitzen.

Weshalb?
Arpagaus: Wir rechnen damit, dass sich der Markt für Verkaufsflächen wegen der vielen Konkurse zu einem Mietermarkt entwickeln wird.
Frech: Aktuell werden mehr Läden geschlossen als während der Finanzkrise 2008/2009. Es ist also tatsächlich ein heftiger Einbruch zu beobachten, weshalb viele Einkaufszentren unter Druck sind.

Somit dürften Mieter in den Genuss niedrigerer Mieten kommen?
Arpagaus: Genau. Zudem wird ein Detailhändler einen schlecht laufenden Laden eher schliessen, wenn er mietet, als wenn er die Immobilie besitzt. Damit sinkt das Risiko, dass unprofitable Läden weiterbetrieben werden. Deshalb könnte bei den von uns selektierten Detailhändlern – The Buckle, Foot Locker, American Eagle Outfitters und Cato – der freie Cashflow weniger fallen, als der Markt erwartet.

Was ist am Gesundheitssektor attraktiv?
Frech: Die Anleger sind zu skeptisch. Das sah man bereits bei der Einführung von Obamacare 2009/2010, und das scheint auch jetzt wieder der Fall zu sein. Die aktuelle politische Unsicherheit führt zu einem Bewertungsabschlag. De facto aber werden die Produkte rege nachgefragt. Das Wachstum der Branche hat sich zwar verlangsamt, ist aber immer noch solide. Die Unternehmen erwirtschaften ansprechende Free-Cashflow-Renditen, was sie für uns interessant macht.

Welche Titel überzeugen besonders?
Arpagaus: Sicher die beiden Pharmalogistiker AmerisourceBergen und McKesson (MCK 167.61 0.39%), die mit Cardinal Health (CAH 79.47 -0.26%) ein Oligopol bilden. Zusammen liefern die drei 90% aller Medikamente in den USA von den Herstellern zu den Apotheken.

Was, wenn Amazon das Oligopol stört?
Arpagaus: Diese Überlegung haben wir ebenfalls gemacht. Aber auch Amazon müsste kräftig investieren, um in diesen Markt einzutreten, denn Medikamente muss man kühl und sicher lagern, was viel anspruchsvoller ist als das Aufbewahren von Büchern.
Frech: Zudem sind die Margen extrem niedrig. McKesson setzt rund 200 Mrd. $ um, bei einer Reingewinnmarge von knapp über 1%. Auch Amazon mit ihren tiefen Taschen müsste einige Milliarden in die Hand nehmen, um entsprechende Skaleneffekte zu erzielen.

Anders als gewisse Value-Anleger setzen Sie auch auf den Finanzsektor.
Frech: Wir halten vor allem Finanzdienstleister wie attraktiv bewertete Asset-Manager, deren Ertrag stabil ist. Sie stehen zwar vor grossen Herausforderungen, ihre Kurse haben aber nach unten überschossen. Auch Börsenbetreiber wie die Bolsas y Mercados Españoles oder die Warschauer Börse mögen wir. Neu haben wir den Indexanbieter MSCI im Portfolio, der vom Trend zum passiven Anlegen profitiert. Unsere Bankpositionen jedoch haben wir stark reduziert. So haben wir zum Jahresanfang alle US-Bankaktien verkauft, da sie in der Trump-Euphorie den von uns geschätzten fairen Wert erreicht haben. In Europa halten wir noch drei Bankwerte.

Halten Sie auch Schweizer Valoren?
Frech: Wir machen unsere Bottom-up-Selektion weltweit und ohne Vorurteile. Die besten vierzig Titel schaffen es schliesslich in unseren Fonds und haben alle das gleiche Gewicht. Und in der Schweiz finden wir einfach nichts.
Arpagaus: Kürzlich haben wir uns zwar Roche (ROG 251.9 0.08%) angeschaut.

Aber verworfen?
Frech: Roche ist teurer als vergleichbare Pharmatitel in den USA oder Japan. Seit der Eurokrise, als eine Fluchtbewegung in die Schweiz eingesetzt hat, haben wir keine hiesigen Titel mehr gekauft. Denn dadurch sind Schweizer Aktien teurer geworden als ähnliche ausländische Werte und für uns damit nicht mehr interessant.

Sie sind auch in Apple (AAPL 145.82 -0.31%) investiert. Sind die Titel nach der Rally immer noch günstig?
Frech: Bislang ist das Unternehmen ziemlich diszipliniert mit seinen Mitteln umgegangen. In den vergangenen zwei, drei Jahren hat es die Ausschüttungen stark erhöht. Im Unterschied zu vielen anderen Technologieaktien ist die Bewertung auch nach den Kursavancen immer noch attraktiv. So wirft Apple eine Free-Cashflow-Rendite von knapp 10% ab. Deshalb behalten wir die Aktie weiterhin. Auch wenn man annimmt, das Unternehmen wachse nicht mehr weiter, stimmt die Bewertung.

Rohstoffsektoren meiden Sie immer noch?
Frech: Rohstoff- und Energiekonzerne erwirtschaften immer noch keinen freien Cashflow. Dadurch sind sie permanent auf den Kapitalmarkt angewiesen. Das ist im Moment bei den niedrigen Junk-Bond-Renditen kein Problem, kann aber relativ schnell zu einem werden. Wenn ein Sektor unsere Kriterien in Bezug auf Bilanzqualität und Cashflow-Rendite nicht erfüllt, haben wir eine Allokation von 0% – ungeachtet des Gewichts im Vergleichsindex.

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