Der Absturz des malaysischen Flugzeugs ist nur ein weiterer Negativfaktor für die russischen Finanzmärkte. Die Sanktionen könnten einen langfristigen Effekt haben.
Die Finanzmärkte reagierten negativ auf den durch US-Geheimdienstkreise bestätigten Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs MH17 in der Ost-Ukraine (lesen Sie hier mehr). Die ukrainische Regierung und die prorussischen Separatisten geben sich weiterhin gegenseitig die Schuld an dem Abschuss. Die Ukraine hat eine Tonbandaufnahme veröffentlicht, in der angeblich Rebellen bestätigen, ein Flugzeug abgeschossen zu haben.
Das geopolitische Risiko einer Eskalation des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland drückte sich gestern in einem Anstieg des Goldpreises um 1,4% aus. Am Freitagmorgen notierte Gold jedoch wieder 0,4% schwächer.Sanktionen belasten
Der S&P 500 fiel gestern um 1,2%, der Dax notierte 1,1% tiefer. Auch die asiatischen Börsen reagierten mit Abgaben. Der Nikkei in Tokio fiel um über 1%. Der Aktienkurs von Malaysia Airline System in Kuala Lumpur büsste rund 11% ein.
Staatsnahe Unternehmen sanktioniert
Die russischen staatsnahen Unternehmen Gazprombank, Rosneft, Novatek und die Vnesheconombank (VEB) können sich nicht mehr langfristig an den US-Kapitalmärkten finanzieren. Timothy Ash, Head Emerging Markets Research der Standard Chartered Bank, schrieb in einer Analyse, dass aus den Sanktionen ein sehr starkes Signal an US- und an westliche Investoren ausgehe, ihr Exposure gegenüber Russland genau und lang zu überdenken.
Die Liquiditätssituation der nun sanktionierten russischen Unternehmen ist gut. Doch laut Analysten der russischen Bank Uralsib müssen die Unternehmen bis 2015 über 30 Mrd. $ refinanzieren. Uralsib geht davon aus, dass in Dollar denominierte Anleihen und Kredite in rubelbasierte Kreditinstrumente ausgetauscht werden können.
Gereizte Reaktion
Russlands Regierung reagierte gestern daher gereizt auf die Sanktionen – zuvor wurden Sanktionen wie Reiseverbote meist mit einem Schulterzucken ignoriert. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew drohte gar eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben an.
Für Deutschland ist Russland der zweitgrösste Handelspartner in Osteuropa – anders als für die Schweiz, wo die direkten Handelsbeziehungen im Warenverkehr nicht so eng sind. Die deutschen Exporte waren in den ersten vier Monaten bereits um 14% zurückgefallen und liegen weiter auf Talfahrt. Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft sprach jüngst von wachsenden Unsicherheiten unter den 6200 deutschen Firmen, die in Russland tätig sind. Immer mehr Projekte und Investitionen würden gestoppt oder ganz abgeblasen.
Appetit auf Russland verflüchtigt sich
«Der Appetit auf russische Risikoanlagen wird extrem begrenzt sein», bewerten Barclays-Analysten die Situation nach Verhängung der Sanktionen. Die Erholung der letzten Wochen habe gezeigt, dass die Anleger sich nicht besonders defensiv positioniert hätten. Die russischen Aktienmärkte würden «kaum einen Bewertungspuffer» für Anleger bieten.
Keine Gefahr einer Schwellenländerkrise
Eine Schwellenländerkrise sieht Barclays durch die Sorgen um Russland nicht ausgelöst. Im Gegenteil: «Geld, das nun Russland verlässt, könnte seinen Weg in andere Schwellenländer finden», schreiben die Analysten.
Solange kein Ausverkauf der russischen Aktienmärkte stattfindet, scheinen die Titel also nicht günstig genug zu sein, um das Extremrisiko einer Eskalation des Konflikts einzugehen. Der Tiefflug der Kurse ist wohl keine reine Schockreaktion, die sich bald legen wird.
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