Argentiniens erfolgreiche Rückkehr an den Frankenmarkt hat einen schalen Beigeschmack. Schweizer und deutsche Privatanleger gucken bei der Bedienung alter Schulden in die Röhre.
Arthur Müller ist von Argentiniens neuer Regierung enttäuscht. Der 64-jährige Automatikmonteur kümmert sich um die Finanzanlagen seiner betagten Mutter. Sie hat Ende der Neunzigerjahre wie 50’000 andere Schweizer vermeintlich sichere argentinische Staatsanleihen gekauft. Nach dem Zahlungsausfall 2001 diente sie bei der Umschuldung einen Teil der seit 2003 fälligen Anleihen an. Den anderen Teil behielt sie in der Hoffnung, etwas weniger zu verlieren. Doch jetzt droht sich das Geld ganz in Luft aufzulösen – obwohl die neue Regierung vor einem Jahr die Rückzahlung aller Schulden versprochen hat.
Anfang 2005 unterbreitete Argentinien den ausländischen Gläubigern ein erstes Angebot, die nicht mehr bedienten alten Anleihen in neue mit längerer Laufzeit und niedrigeren Coupons umzutauschen. Der Kapitalschnitt betrug dabei je nach Berechnung zwischen 60 und 70%. Die neuen Anleihen gab es in Dollar, Euro und Yen, nicht aber in Franken. «Attraktiv war das Angebot nicht, deshalb riet ich meiner Mutter, einen Teil zu behalten und auf bessere Zeiten zu hoffen», sagt Müller.
Eine lange Geschichte von Krisen und Hoffnung
Neue Hoffnung unter Macri
Als dann Ende 2015 Mauricio Macri die Präsidentschaftswahlen gewann und das Ende des Schuldenstreits versprach, schien sich das Ausharren gelohnt zu haben. Im Februar vor einem Jahr einigte Argentinien sich mit den von der Vorgängerregierung als «Geier» bezeichneten US-Hedge-Funds auf eine Zahlung von 4,64 Mrd. $.
Auch eine Gruppe italienischer Hold-outs wurde bedient. Die Regierung wolle alle Gläubiger gleich behandeln und die Anleihen zu 150% zurückzahlen. Die Argentinienanleihe 97/03 von Familie Müller war ebenfalls im Rückzahlungsangebot enthalten. An der Börse SIX, wo die Anleihe immer noch im dekotierten Bereich gehandelt wird, war sie auf einmal wieder gefragt. Der Kurs erholte sich auf 120%. Die Anleger konnten sich auf der Website des Finanzministeriums für das Rückkaufprogramm einschreiben.
Doch schon bald folgte der nächste Dämpfer: «Die Ansprüche seien verjährt, war die Antwort», berichtet ein anderer Anleger, der nicht namentlich genannt werden will. Nur wer vor der Verjährung ein Gerichtsverfahren dagegen eingeleitet habe, könne die Anleihen anrechnen lassen, heisst es in einem Schreiben. Auch in Deutschland sind zahlreiche Gläubiger vom negativen Entscheid betroffen.
Seit das mit der Verjährung bekannt ist, ist der Kurs der Frankenanleihen auf 11% eingebrochen. Ganz gestorben ist die Hoffnung auf einen späteren Deal also nicht. Im Umlauf sind noch Anleihen mit einem Nominalwert von 15 Mio. Fr.
Abschreiben und vergessen
Müller aber glaubt nicht an ein Wunder, zu oft wurde er von Argentinien enttäuscht. Er selbst besitzt noch Anleihen der Provinz Buenos Aires, die umgeschuldet wurden. Die neue Obligation läuft nächste Woche aus. Doch nach den Erfahrungen seiner Mutter wird er erst aufatmen können, wenn das Geld auf dem Konto liegt. Wenn er sieht, wie sich Anleger um die neue Anleihe mit knapp 3% Rendite reissen, schüttelt er nur den Kopf. Wie kann es sein, dass die einen Gläubiger sitzen gelassen werden, während dasselbe Land über dieselben Banken neue Bonds platzieren kann?
Nach Ostern trifft sich Bundespräsidentin Doris Leuthard in Argentinien mit Präsident Macri und mehreren Ministern. Ziel des Besuchs ist es, den «traditionsreichen und dynamischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Argentinien neue Impulse zu geben». Frustrierte Anleger wie Arthur Müller werden kein Thema sein. «Allfällige Verjährungsfristen von nicht bedienten Privatgläubigern sind nicht traktandiert», teilt die verantwortliche Medienstelle mit.
Kaum Alternativen zu ArgentinienMit einer Rendite von 2,7% ist die neue Argentinienanleihe die Ausnahme am Frankenmarkt. Kredit- und Zinsänderungsrisiken werden kaum mehr entschädigt. Lesen Sie hier mehr.
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