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20:21 Uhr - 20.05.2018

Die Blockchain kommt im Mainstream an

Die innovative Technologie breitet sich rasant aus, auch in der Schweiz. Bis zur Umsetzungsreife braucht es aber Testläufe und politische Weichenstellungen.

Die Blockchain ist überall. Fast täglich werden neue Projekte angekündigt. Jüngst hat IT-Riese Oracle (ORCL 46.635 -1.22%) eine Blockchain-Plattform lanciert, und die Autobauer BMW (BMW 90.63 2.33%), Ford (F 11.4 1.79%), GM und Renault (RNO 0 0%) haben sich zu einer Blockchain-Initiative zusammengetan (Mobi). Die Schweiz, selbst ernannte «Krypto-Nation» (Bundesrat Schneider-Ammann) und Heimat des Crypto Valley, befeuert den Boom.

Die Blockchain stösst dabei ins Herz der Schweizer Wirtschaft vor. Dafür steht die Eröffnung des Trustsquare Ende April, einem Hub für Blockchain-Start-ups an bester Adresse in der Zürcher Bahnhofstrasse. Trustsquare vereint Blockchain-Start-ups aus den Bereichen Fintech, Versicherung und ICO-Beratung.

Schon an der Bahnhofstrasse

Das Geschäft brummt: «Unsere Räume sind ausgebucht, wir führen eine lange Warteliste», sagt Daniel Gasteiger, Gründer des Hubs. Die Ursprungsidee ist, Start-ups mit Universitäten zusammenzubringen. «Geld verdienen spielt keine Rolle», sagt er. Die Möglichkeiten der Technologie sollen im Vordergrund stehen.

Bahnt sich eine neue Technologie ihren Weg, ist Swisscom (SCMN 454.3 0.51%) nicht weit. Im Herbst 2017 hat die Ex-Monopolistin dafür ein Team von Ernst & Young (EY) abgeworben und eine eigene Tochterfirma gegründet. Sie wird vom Ex-EY-Partner Daniel Haudenschmid geleitet: «Swisscom hat ein Interesse, nicht selbst disruptiert zu werden», sagt er. Grosse Telecom-Unternehmen seien selten in der Lage, mit hohem Entwicklungstempo mitzuhalten, eine eigene Einheit sei deshalb sinnvoll. Swisscom könne dank dem Schweizer Standort das Hosting der Blockchain sicher gestalten, sagt Haudenschild.

Hosting ist deshalb interessant, weil an jeder Transaktion, die über die Blockchain abgewickelt wird, mitverdient wird. Derzeit sind vier grosse Projekte in Umsetzung: zur Preissetzung von Medikamenten, zur transnationalen Zahlungsabwicklung und in der Logistik. «Zurzeit sind wir dabei, den Hafenbetrieb des Staats Oman auf die Maersk-IBM-Blockchain zu übertragen», sagt der Swisscom-Mann. Das Geschäft läuft rund: 2019 wird eine Verdopplung des Volumens erwartet. In der Schweiz will Swisscom zudem gemeinsam mit der Zuger Kanzlei MME eine Blockchain-Aktie für KMU entwickeln.

Erfolgreiche Testläufe

Beim Thema vorne dabei sind auch die Grossbanken. Mehrere Projekte, an denen UBS (UBSG 16.325 2.06%) und Credit Suisse (CSGN 16.94 1.74%) beteiligt sind, absolvierten kürzlich Erstversuche. So das Vorhaben Batavia von UBS, Bank of Montreal, CaixaBank, Commerzbank (CBK 10.344 2.15%), Erste Group und IBM (IBM 145.5078 0.01%). Gemeinsam wollen sie die Handelsfinanzierung automatisieren. Im grenzüberschreitenden Handel wird der Blockchain das grösste Potenzial zugesprochen: Viele Teilnehmer müssen sich abstimmen, verschiedene Systeme miteinander kommunizieren. Die Prozesse sind langwierig und kostspielig, mit viel Papier und Handarbeit verbunden.

Hingegen ist die Blockchain als digitales Register für alle Transaktionsteilnehmer einsehbar. Waren können von Auslieferung bis Ankunft verfolgt, Zahlungen automatisch nach vordefinierten Ereignissen freigegeben werden. Beim ersten Testlauf von Batavia wurden im April eine Transaktion mit Audi-Autos von Deutschland nach Spanien sowie Textilmaterial von Österreich nach Spanien abgewickelt.

Ein weiteres Grossbankenprojekt ist R3, an dem vierzig Institute (u. a. UBS und CS) beteiligt sind. CS und ING (0RIC 0 0%) wickelten Anfang März das erste Wertpapierleihgeschäft über die R3-Blockchain ab. Niederländische und deutsche Staatsanleihen im Wert von 25 Mio. € wechselten die Hand. Später testete ING mit der HSBC (HSBA 749.5 1.17%) die Plattform erneut. Sie finanzierten Mitte Mai eine Handelstransaktion des Lebensmittelkonzerns Cargill, der Sojabohnen (Sojabohnen 974.757 0.08%) von Argentinien nach Malaysia transportierte. 24 Stunden dauerte der Prozess, normalerweise benötigt er Tage.

Bis Batavia und R3 in Betrieb gehen, braucht es laut den Banken aber noch eine Weile – ebenso wie bei dem Gemeinschaftswerk von UBS, Credit Suisse, Deutsche Bank (DBK 11.006 1.81%), Santander und BNY Mellon, das die Abwicklung von Wertpapierkäufen auf die Blockchain bringen will. Die Banken nutzen dabei eine eigene Kryptowährung, den Utility Settlement Coin. Anfang 2019 soll die Lösung starten.

Derweil haben Politik, Behörden und Regulatoren weltweit Arbeitsgruppen eingerichtet, um Gesetzesänderungen für die Blockchain zu beraten. Auch der Bundesrat hat eine eigene Taskforce, die bis Ende Jahr Empfehlungen abgeben will.

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