Angesichts stärkerer inflationärer Tendenzen fragen sich viele Investoren, wie man sich gut gegen die Teuerung absichert.
In allen Medien wird derzeit das Thema Inflation eingehend diskutiert. Vergleiche mit dem Ölpreisschock der Siebzigerjahre werden herangezogen und alle möglichen negativen Konsequenzen analysiert. Neben den ökonomischen Folgen für die entwickelten Volkswirtschaften stellt sich auch die Frage, wie sich Investoren und Unternehmungen absichern können. Kryptowährungen und insbesondere Bitcoin bieten sich da als mögliche Lösungen an. Aber der Preis von Bitcoin hat sich seit dem Beginn der Ukrainekrise und der damit verbundenen höheren Inflationserwartung nicht substanziell erhöht.
Das Narrativ, welches Bitcoin als Wertaufbewahrungsmittel preist, ist zwar allgegenwärtig, aber der Markt scheint nicht wirklich überzeugt zu sein. Befürworter verweisen auf den Vergleich mit Gold. Bitcoin werden ähnliche Eigenschaften zugeschrieben. Die Preisentwicklung von Bitcoin und Gold ist seit dem Ausbruch der Krise in etwa gleich verlaufen, beide sind bis Anfang April gestiegen.
Doch in den vergangenen Tagen konnte Bitcoin nicht mehr mithalten. Der Preis ist von 45’000 auf unter 40’000 $ gesunken. Der Goldpreis hingegen steigt weiter an. Zumindest kurzfristig sind der Zusammenhang und damit der angedachte Inflationsschutz nicht mehr intakt.
Kann Bitcoin als Portfolioabsicherung dienen?
In Zeiten grosser Unsicherheit suchen Investoren Anlagen mit möglichst geringem Risiko. Eine Verschiebung in sogenannte Qualitätsanlagen findet statt. Gold ist sicherlich eine der meist erwähnten Anlagen in diesem Kontext. Aber warum nicht Bitcoin? Bitcoin bietet doch genügend Argumente einer stabilen Anlage, welche den inflationären Tendenzen entgegentreten könnte.
Der am häufigsten genannte Grund ist sicherlich die transparente Geldpolitik mit einer unverrückbaren Obergrenze und einem klar definierten Ablaufplan, wie neue Bitcoin emittiert werden. Die Kreierung neuer Coins ist genau geregelt und unveränderbar. Diese Informationen und Regeln sind für alle Markteilnehmer einsehbar. Die oben erwähnen Argumente machen Bitcoin zu einer Anlage, welche zumindest in der Theorie mit geringen Risiken behaftet ist und insbesondere auch einen guten Schutz gegen die Inflation bietet.
Doch die Preisentwicklung seit Anfang April scheint diese These nicht zu betätigen. Risikobehaftete Anlageklassen werden derzeit gemieden und verkauft. Der Markt hat Bitcoin aktuell ebenfalls dieser Gruppe zugeordnet. Der Hauptgrund, weshalb Bitcoin nicht als Inflationsschutz gesehen wird, ist die hohe Volatilität, welche für viele Investoren nicht hinnehmbar ist und somit die fundamentalen Argumente in den Schatten stellt.
Obwohl die Akzeptanz der Kryptowährungen in den vergangenen Jahren gestiegen ist und immer mehr Investoren mit dem Thema vertraut sind, ist der Markt für Kryptowährungen noch zu klein, um allgemein als risikolose Anlage akzeptiert zu werden. Die fundamentalen Gründe, welche insbesondere Bitcoin auszeichnen, reichen derzeit noch nicht, um Kryptowährungen als etablierte Anlageklasse für Risk-off-Phasen an den Finanzmärkten zu etablieren.
Die Argumentation der Kryptowährungen als Inflationsschutz greift nur im Falle von Bitcoin. Alle anderen Kryptowährungen sind sicherlich weniger geeignet, in diesem Zusammenhang eine signifikante Rolle zu spielen. Zumal die meisten Coins mit konkreten Anwendungen verbunden sind und weniger dem Zweck einer Wertaufbewahrung dienen.
Brechen Ethereum und Bitcoin den Trend?
Die beiden populärsten Kryptowährungen haben in den vergangenen Wochen an Boden verloren. Bitcoin handelt derzeit unter 40’000 $ und Ethereum unter 3’000 $. Aus charttechnischer Sicht sind somit beide an der unteren Unterstützungsgrenze. Verschiedene Marktkommentatoren schreiben dies technischen Faktoren zu. Es gibt Anzeichen, dass es für Bitcoin-Miner schwieriger geworden ist, ihre Aufgabe zu erfüllen.
Dies hatte schon in der Vergangenheit zu Preisrückgängen geführt. Im Juli 2021, als China die Kryptoindustrie verbannte, konnte ein ähnlicher Preisrückgang beobachtet werden. Dieser technische Faktor ist aber nicht der wesentlichste Grund für den Preisrückgang. Seit einiger Zeit ist der gesamte Kryptomarkt in einem Seitwärtstrend. Der Kryptomarkt wird aktuell mit anderen riskanten Anlagen wie etwa Technologieaktien gleichgesetzt. Die Korrelation mit traditionell riskanten Anlageklassen ist gestiegen. Ein Phänomen, das bereits beim Ausbruch der Coronapandemie festgestellt werden konnte. Markteilnehmer bewerten Kryptowährungen und die damit verbundenen Projekte ähnlich wie Technologieaktien.
Ein Lichtblick könnte das gestiegene Interesse der Regierung unter US-Präsident Joe Biden an digitalen Assets sein. Allerdings hat die Ankündigung des von Biden unterzeichneten Executive Order, mit welchem der Auftrag erteilt wurde, verschiedene Aspekte des Krypowährungsmarktes zu untersuchen, keinen Aufwärtstrend ausgelöst.
In erster Linie muss die Korrelation mit den Aktienmärkten gebrochen werden, damit der Kryptomarkt nach oben ausbrechen kann. Eine Möglichkeit, dies herbeizuführen, könnte eine verstärkte Nachfrage institutioneller Investoren sein.
Institutionelle Investoren sind gefragt
Gemäss einer Umfrage von Fidelity im vergangenen Jahr haben 70% der befragten Finanzdienstleister angegeben, dass sie in den nächsten zwölf Monaten eine Investition in Kryptos planen. Der institutionelle Markt scheint bereit zu sein. Allerdings wurden auch Vorbehalte bezüglich der institutionellen Standards geltend gemacht. Für viele potenzielle Investoren ist die bestehende Infrastruktur noch zu unsicher, vor allem im Bereich KYC (Know Your Customer) und im Bereich AML (Anti Money Laundering).
Als positives Argument wird die gute Performance der vergangenen Jahre ins Feld geführt. Investoren suchen nach Anlagemöglichkeiten. Die Preiskorrektur macht es sicherlich für einige Investoren attraktiver, sich in diesem Markt zu engagieren, zumal die Preise im vergangenen Jahr doch um einiges höher notiert hatten.
Die Anlageklasse der Kryptowährung wird sich etablieren. Investoren müssen bei der Investitionsentscheidung das Potenzial der Anwendungen, welche den Coins zugeordnet sind, bewerten und die damit verbundenen Risiken abschätzen.
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