Guy Lachappelle, Präsident von Raiffeisen, sagt am FuW-Forum, warum es zum Kulturwandel bei Raiffeisen gehört, dass er nicht sein Büro bezogen hat.
Die Reputation einer Bank ist in fünf Minuten zerstört, sie wiederherzustellen braucht sehr viel mehr Zeit. «Bei der Basler Kantonalbank hat es fünf Jahre gedauert», sagt Guy Lachappelle, Präsident von Raiffeisen Schweiz und früherer CEO der Basler KB (BSKP 77.4 0.52%) an der FuW-Konferenz «Vision Bank – Vision Finanzplatz» am Dienstag in Zürich.
Als der Basler Beizersohn Lachappelle 2012 das dortige Staatsinstitut übernahm, musste er den Skandal um die Investmentgesellschaft ASE (ASE 652.71 0.85%) bewältigen. Diese betrog ihre Kunden um Millionen Franken, die BKB war Depotbank und reagierte laut Lachappelle sofort, als ihr die Machenschaften von ASE bewusst wurden.
Aufräumen in St. Gallen
Seit seiner Wahl im November 2018 sind Lachappelles Fähigkeiten als Krisenmanager nun bei Raiffeisen Schweiz gefordert. Gegen den ehemaligen Chef der St. Galler Genossenschaftszentrale, Pierin Vincenz, wird dem Vernehmen nach die Staatsanwaltschaft Zürich Mitte des Jahres Anklage wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung erheben. Er soll bei Zukäufen während seiner Zeit als Chef bei Raiffeisen und Präsident bei Aduno an beiden Seiten des Tisches gesessen und persönlich abkassiert haben.
Lachappelles erste Amtshandlung bei Raiffeisen war die Berufung eines neuen CEO, Heinz Huber – wie Lachappelle ein früherer Kantonalbankenchef und zwar vom Staatsinstitut aus dem Thurgau. Auf Hubers Antrag gingen Ende Januar die restlichen Geschäftsleitungsmitglieder aus der Ära Vincenz.
Zeitgleich veröffentlichte Raiffeisen den sogenannten Gehrig-Bericht, dem eine interne Untersuchung über die Ära von Ex-Chef Pierin Vincenz vorausging. Dass Vincenz unkontrolliert, zu überhöhten Preisen und ohne Prüfung Gesellschaften zusammenkaufte, war bekannt. Der Gehrig-Bericht nannte neue, haarsträubende Details. Raiffeisen rechnet für 2018 mit einem Bewertungsverlust von bis zu 300 Mio. Fr.
Büro nicht bezogen
Nun krempeln Lachappelle und Huber zusammen mit den 246 Raiffeisenbanken im Land die Zentrale um. Mitte Januar traf sich zum ersten Mal die Arbeitsgruppe Reform 21, die die Genossenschaftszentrale in St. Gallen neu organisieren wird. Es geht um neue Entscheidungsstrukturen, die Dienstleistungspalette und Finanzierung der Zentrale sowie eine Zukunftsstrategie.
Technisches in der Governance zu verändern sei einfach, so Lachappelle. «Eine Kultur zu verändern, braucht dagegen viel Zeit und harte Arbeit.» Um hierbei ein sichtbares Signal zu setzen, kippte Lachappelle bei Raiffeisen alte «Insignien der Macht». Sein Büro in St. Gallen bezog er erst gar nicht, heute arbeiten dort sechs Personen. Wenn Lachappelle in St. Gallen ist, arbeitet er im Grossraumbüro. «Das habe ich schon als CEO so gemacht.»
Portfolio bereinigt
Bei Raiffeisen werde die Reputation schneller wiederhergestellt sein als bei der BKB, prognostiziert Lachappelle. Denn die Turbulenzen der Vergangenheit betreffen allein die St. Galler Zentrale, nicht die 246 eigenständigen Banken im Land. «Die Gruppe hat bis heute keine Kunden verloren, das operative Geschäft läuft hervorragend», sagt Lachappelle.
Die Zukäufe zwischen 2012 bis 2015 unter Vinencz für rund 1 Mrd. Fr. haben hingegen das Geschäft der Gruppe nicht diversifiziert. Viele Beteiligungen wurden inzwischen wieder abgestossen, «das Portfolio ist weitgehend bereinigt», sagt Lachappelle. Nun will er zusammen mit den Banken ein System entwickeln, das Raiffeisen als Ganzes unabhängiger vom reinen Zinsertrag machen soll.
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