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02:12 Uhr - 30.04.2015

Konjunkturflaute drängt das Fed in die Defensive

Die amerikanische Notenbank schätzt die Wirtschaftslage deutlich pessimistischer ein. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit einer baldigen Zinserhöhung.

Noch lässt sich das Federal Reserve alle Optionen offen. Mit einer Zinserhöhung zur Jahresmitte rechnet nach der zweitägigen Sitzung der US-Notenbank aber kaum noch jemand an den Finanzmärkten. Ob es im späteren Jahresverlauf überhaupt noch zu einer Straffung der Geldpolitik kommt, hängt nun davon ab, ob die Konjunktur in den nächsten Monaten wieder an Schwung gewinnt.

«Das Wirtschaftswachstum hat sich während der Wintermonate verlangsamt, was teilweise vorübergehende Faktoren reflektiert», hielt das Fed am Mittwoch fest. Das Tempo bei der Zunahme neuer Stellen habe sich ermässigt, und Daten zum Arbeitsmarkt würden nahelegen, dass sich an der Unterauslastung seit der letzten Sitzung vom März nichts geändert habe, heisst es weiter im Statement.

Stagnation im ersten Quartal 

Wenige Stunden vor dem Zinsentscheid hatte das US-Wirtschaftsdepartement einen ernüchternden Bericht zum ersten Quartal veröffentlicht. Demnach hat das Bruttoinlandprodukt lediglich um 0,2% zugenommen, nachdem es im dritten und im vierten Quartal 2014 um 5 respektive 2,2% gewachsen war. Für den bitteren Rückschlag machen Ökonomen den festen Dollar, einen harschen Winter, den Einbruch des Ölpreises sowie Streiks an den wichtigen Frachthäfen im Grossraum von Los Angeles verantwortlich.

«Die Investitionen der Unternehmen in Kapitalgüter haben sich abgeschwächt, die Erholung im Häusermarkt bleibt langsam, und die Exporte haben abgenommen», stellt der Vorsitz der US-Notenbank fest. Auch bewegt sich die Inflation weiterhin unter dem Ziel von 2%. So ist die Kernrate des Preisindex der Konsumentenausgaben (das vom Fed favorisierte Messinstrument zur Teuerung) im ersten Quartal auf 0,9% gesunken, was dem tiefsten Niveau seit 2010 entspricht.

Rätsel am Bondmarkt

An Wallstreet lösten die Nachrichten gemischte Gefühle aus. Der US-Leitindex S&P 500 fing sich nach anfänglichen Verlusten zwar etwas, schloss aber 0,4% im Minus auf 2106,85. Unter Druck stand ebenso der Dollar, der sich gemessen an einem Korb der wichtigsten Währungen um 0,9% abschwächte.

Eine überraschende Reaktion gab es am Bondmarkt. Die Rendite auf zehnjährige US-Staatsanleihen zog um 7 Basispunkte auf 2,04% an und bewegt sich auf dem höchsten Stand seit anderthalb Monaten. Schlechte Konjunkturdaten und milde Worte von Währungshütern sorgen in der Regel für tiefere Renditen und damit steigende Bondpreise.

Dass dieses Muster am Mittwoch nicht zutraf, könnte mit der internationalen Entwicklung zusammenhängen. Bereits vor der Handelseröffnung in den USA waren die Renditen an den europäischen Bondmärkten kräftig gestiegen. In Deutschland etwa sprangen die Zinsen auf zehnjährige Bundesanleihen zwölf Basispunkte auf 0,28%. Auch in Frankreich, Grossbritannien, Italien und in den Niederlanden kletterten die Renditen auf lang laufende Staatspapiere.

Zinsschritt erst Ende Jahr?

Die amerikanische Notenbank hält den Leitzins seit Ende 2008 auf nahezu null gedrückt. An der letzten Sitzung von Mitte März eröffnete sie sich erstmals die Option auf eine graduelle Normalisierung der Geldpolitik. Bereits damals hatten die Währungshüter ihren Konjunkturausblick jedoch deutlich gedämpft, womit sich die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung an der kommenden Sitzung vom 16. und 17. Juni reduzierte.

Die Finanzmärkte rechnen inzwischen damit, dass sich der erste Zinsschritt immer weiter nach hinten im Kalender verschieben wird. Gemäss den Terminkontrakten an der Chicagoer Futures-Börse CME ist der frühste Zeitpunkt dafür die Fed-Sitzung von Mitte Dezember. Die enttäuschenden Konjunkturdaten und das zurückhaltende Statement des Fed-Vorsitzes vom Mittwoch geben dieser Einschätzung Rückhalt.

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