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14:58 Uhr - 27.09.2016

Sunrise–CEO: «Wir brauchen keine Fusion mehr»

Olaf Swantee, CEO des Telecomkonzerns, will die Swisscom-Rivalin eigenständig entwickeln. Die Strategie von Grossaktionär Freenet ist nur bedingt ein Vorbild.

Der Wechsel auf dem Chefsessel von Sunrise (SRCG 67.55 -1.46%) hat in diesem Jahr Spekulationen über eine weitere Konsolidierung im Schweizer Telecomsektor genährt. Doch Olaf Swantee sieht das Unternehmen auch allein gut gerüstet, Swisscom (SCMN 465.2 -0.56%) Paroli zu bieten, wie er im Gespräch erklärt. Gegen den rückläufigen Umsatz hat er mehrere Rezepte, Potenzial für Einsparungen sieht er in der Digitalisierung von Geschäftsprozessen.

Zur PersonOlaf Swantee ist seit Mai dieses Jahres Chef des Telecomkonzerns Sunrise. Zuvor war der Fünfzigjährige CEO des britischen Mobilfunkanbieters EE, wo er den Netzausbau forcierte. Das Joint Venture von Deutsche Telekom und der französischen Orange wurde im Februar 2015 für 12,5 Mrd. £ vom Branchennachbarn BT Group gekauft. Als Manager bei Orange war Swantee an der geplanten Fusion der Schweizer Tochter von Orange mit Sunrise massgeblich beteiligt. Das Vorhaben scheiterte 2010 am Veto der Wettbewerbskommission. Seine berufliche Laufbahn begann der niederländisch-schweizerische Doppelbürger in der IT-Branche. Olaf Swantee hat an der Universität Amsterdam Wirtschaft studiert und hält einen MBA der European School of Management in Paris. Die Schweiz ist seit mehr als zwanzig Jahren sein Lebensmittelpunkt. Er ist verheiratet, hat drei Kinder, kocht gerne und betreibt Ausdauersport.Herr Swantee, was hat Sie seit Ihrem Amtsantritt im Mai am stärksten beschäftigt?
Die Aufgabe, die Position von Sunrise als Herausforderin zu stärken. Das Unternehmen ist heute gemäss technischen Tests und Kundenbefragungen in vielen Bereichen besser als die Konkurrenz, im Netzwerk, im Kundendienst, aber wir werden im Markt noch nicht so wahrgenommen. Sunrise ist agil und effizient, und wir wollen die neue Rolle stärker nach aussen tragen.

Die Konsolidierung im europäischen Telecomsektor hält an. In Grossbritannien haben Sie das aktiv begleitet. Bleibt es in der Schweiz mittelfristig beim Status quo?
In fünf Jahren kann sich der Schweizer Telecommarkt sehr stark verändern. 2009 war ich in die geplante Fusion von Sunrise und Orange involviert. Das hat letztlich nicht funktioniert. Seitdem hat sich viel verändert. Sunrise hat inzwischen ein Komplettangebot aus Mobilfunk, Internet und TV sowie eine Geschäftskundensparte. Sunrise braucht keine Fusion mehr. Wir können das Unternehmen eigenständig entwickeln. Bei EE in Grossbritannien war das anders, denn EE hatte kein Festnetz. Der Markt geht aber ganz klar in Richtung Konvergenz. Es ist nicht auszuschliessen, dass in fernerer Zukunft in der Schweiz Konsolidierungsschritte unternommen werden. Mittelfristig erwarte ich aber keine grosse Bewegung.

Auch keinen Versuch von UPC, ein eigenes Mobilfunknetz zu bekommen?
UPC hat aktuell vermutlich andere Prioritäten, wegen des Kaufs der Rechte für Live-Eishockey und des Aufbaus des TV-Sportangebots. Die Muttergesellschaft hat in Europa nur einmal im Mobilfunk zugekauft, in Belgien.

Wie stark steht die zweite Jahreshälfte im Bann des iPhone 7, das seit kurzem in der Schweiz erhältlich ist?
Wir haben zweieinhalbmal mehr iPhones verkauft oder reserviert als im Vorjahreszeitraum. Sunrise ist der erste Schweizer Anbieter mit einem Upgrade-Programm für iPhone-7-Käufer. Wer will, kann sein Gerät nach zwölf Monaten ohne Extrakosten gegen das neueste Modell umtauschen.

Ist Sunrise gegen Ende des dritten Quartals auf Kurs für das Jahresziel?
Ja, wir halten an unserem finanziellen Ausblick fest.

Die Marktanteile in Telecomsektor bewegen sich kaum. Was können Sie erreichen?
Aktuell steht die Verbesserung der Umsatzentwicklung stärker im Fokus als der Marktanteil.

Weil es wenig Spielraum gibt?
Bei Geschäftskunden haben wir Potenzial. Swisscom dominiert den Markt sehr stark, wir liegen knapp unter 10% Marktanteil. Unsere Ambitionen beziehen sich nicht nur auf Grosskunden, sondern auch auf kleine und mittelgrosse Unternehmen. Dass sich die Post und der Flughafen Zürich (FHZN 188.4 -0.26%) für Sunrise entschieden haben, hilft uns auch, im KMU-Bereich Kunden zu gewinnen. Ebenso die internationalen Partnerschaften mit Microsoft (MSFT 56.9 -0.92%) und Cisco. Bei Privatkunden spielt die Dynamik im Breitband-Internet- und im TV-Geschäft für uns.

Dort haben Sie rund 11 bzw. 3% Marktanteil. Was streben Sie mittelfristig an?
Zahlen kann ich keine nennen. Nur so viel: Wir haben im zweiten Quartal rund 7000 neue TV-Kunden gewonnen und rund 9000 neue Internet-Kunden. An diesen Trend wollen wir anknüpfen und unsere Position weiter ausbauen.

Wie kann Sunrise in einem weitgehend gesättigten Markt den Umsatz steigern?
Wir setzen an verschiedenen Punkten an. Zum einen haben noch nicht alle unserer Mobilfunkkunden auch Festnetz-Internet und TV von Sunrise. Zum anderen bewerben wir unser Prepaid-Angebot wieder stärker. Es ist ein wichtiges Segment für Sunrise und trägt massgeblich zum Umsatz bei. Längerfristig sehen wir grosses Potenzial darin, dass Konsumenten in ein paar Jahren mit mehreren Geräten herumlaufen, die alle mit dem Internet verbunden sind. Die Apple (AAPL 112.88 0.15%) Watch wird beispielsweise eines Tages unabhängig vom Smartphone funktionieren. Wir wachsen in dem Thema bereits jetzt stark und haben im zweiten Quartal den Verkauf von Zweit-SIM-Karten verdreifacht.

Ihr Grossaktionär Freenet (FNTN 25.905 -0.38%) ist in Deutschland recht erfolgreich damit, Mobilfunkkunden Zusatzdienste zu verkaufen.
Es ist ein interessanter Ansatz. Freenet verkauft ihren Kunden viele digitale Produkte, Filme, Bücher, Sicherheitssoftware. Wir schauen uns das an.

Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Freenet-CEO und dem Freenet-Finanzchef? Beide sitzen im Sunrise-Verwaltungsrat.
Sehr gut, sofern man das nach wenigen Monaten sagen kann. Wir haben viele konstruktive Gespräche über die Strategie, auch ausserhalb des Verwaltungsrats.

Könnte Sunrise eine Schweizer Freenet werden und das Netz verkaufen?
Nein, wir halten an unserem Netz fest. Es ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal im Wettbewerb. Wenn es Probleme mit der Netzwerkqualität gibt, sind die Kunden sehr schnell weg. Wir stellen unser Netz für virtuelle Mobilfunkanbieter zur Verfügung und sind damit erfolgreich. Selbst wollen wir kein solches Geschäftsmodell.

Freenet spricht von einem finanziellen Investment in Sunrise. Ist das plausibel?
Wir haben eine attraktive Dividendenpolitik mit einer Ausschüttung von mindestens 65% des Equity Free Cashflow. Das entspricht einer Rendite von aktuell rund 5% für 2016. Unsere Investoren legen grossen Wert auf die Dividende, wie ich aus Gesprächen weiss. In den vergangenen Monaten haben auch die Aktien eine erfreuliche Entwicklung gezeigt. Insofern – ja, es ist plausibel.

Können sich Investoren darauf verlassen, dass Sunrise die Dividende anhebt?
Wenn unsere Nettoverschuldung das Zweieinhalbfache des Ebitda erreicht, wird sich der Verwaltungsrat Gedanken über das weitere Vorgehen machen. Es wird noch eine Weile dauern, bis wir dort angekommen sind, auch wenn wir zum Halbjahr Faktor 2,7 erreicht haben. Anschliessend wird die Dividendenpolitik für die weiteren Jahre festgelegt.

Sunrise hat mehrere Sparrunden hinter sich. Ist der Spielraum ausgeschöpft?
Es stimmt, Sunrise hat in der Vergangenheit laufend Kosten optimiert. Ich werde prüfen, was noch möglich ist. Reduktionen der Betriebskosten wie im zweiten Quartal von 8% gegenüber dem Vorjahr lassen sich aber so nicht fortsetzen. Gegenwärtig steht die Optimierung von Prozessen im Fokus. Potenzial sehe ich im Ausbau des Online-Vertriebs und im Online-Kundenservice.

Auslagern können Sie wohl nichts mehr. Mobilfunknetzbetrieb und künftig auch die IT-Basisdienste liegen schon bei Huawei.
Kaum, aber mit dem Status quo sind wir sehr zufrieden. Outsourcing heisst nicht, die Kontrolle zu verlieren. Unser Technologiepartner Huawei ist ein Grund für unsere hohe Netzwerkqualität. Das Unternehmen hat starke Technologie und starke Mitarbeiter. Wir planen und managen das Netzwerk intern, profitieren aber über Partnerschaften von Skaleneffekten.

Die Revision des Fernmeldegesetzes rückt näher. Sunrise setzt sich dafür ein, dass das Parlament dem Bundesrat die Kompetenz gibt, die Glasfasernetze im Fall von Marktversagen zu regulieren. Swisscom setzt sich dagegen vehement zur Wehr. Hat der Vorschlag überhaupt eine Chance?
Sunrise erachtet die Chancen als intakt. Dies insbesondere, weil sich in der Vernehmlassung eine breite Front aus Wirtschaft, Konsumentenorganisationen und Anbietern dafür ausgesprochen hat, um auch künftig einen starken Wettbewerb zu fördern.

Was denken Sie über die Eigentümerstruktur Ihres Wettbewerbers Swisscom?
Meine persönliche Meinung als liberaler Mensch ist, dass die Nummer eins in einem stark kompetitiven Markt nicht mehrheitlich in der Hand des Staates sein sollte.

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