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14:48 Uhr - 19.05.2022

Clariant betätigt die richtigen Hebel

Der verspätete Jahresabschluss des Spezialchemiekonzerns fällt erfreulich aus. Noch mehr überrascht aber der Ausblick.

Kaum ein Jahresabschluss dürfte so genau kontrolliert worden sein wie der von Clariant (CLN 17.71 -1.77%). Der Spezialchemiekonzern hatte am 14. Februar berichtet, eine unabhängige Untersuchung wegen des Verdachts auf inkorrekte Verbuchungen in den vergangenen zwei Jahren eingeleitet zu haben. Durch sie hat sich die Publikation der Jahreszahlen 2021 und der Erstquartalszahlen 2022 verzögert. Einen grösseren Korrekturbedarf förderte die Nachprüfung nicht zutage.

Das nun testierte, vollständige Zahlenset zum vergangenen Jahr lässt sich sehen (vgl. Tabelle). Umsatz und Ebitda der weitergeführten Aktivitäten lagen in ungeprüfter Form bereits vor. Wie sich nun zeigt, fällt auch der Rest erfreulich aus. Der Gewinn im fortgeführten Geschäft übertrifft die Erwartungen klar. Generell sind die Steigerungsraten beachtlich, und die erreichten Niveaus liegen klar über denen des Vor-Covid-Jahres 2019.

Am meisten überrascht aber wegen seiner Zuversicht jedoch der Ausblick. Für 2022 erwartet das Management «ein starkes Wachstum in Lokalwährung» und stellt auch für die Ebitda-Marge trotz des anspruchsvollen wirtschaftlichen Umfelds weitere Fortschritte in Aussicht – mithilfe eines soliden Volumenanstiegs, anhaltender Kostendisziplin und Preismassnahmen, wie es heisst (vgl. Grafik). Dabei wird allerdings von zwei unterschiedlichen Jahreshälften ausgegangen.

«Starkes erstes Halbjahr»

Auf «ein besonders starkes erstes Halbjahr» dürfte ein gedämpftes zweites folgen. Die hohe Unsicherheit wegen der geopolitischen Konflikte, das ausgesetzte Geschäft mit Russland und die Covid-Situation in China würden das globale Wirtschaftswachstum und die Verbrauchernachfrage im zweiten Halbjahr beeinträchtigen, lautet die Begründung. Zudem wird erwartet, dass die Teuerungssituation bei Rohstoffen, Energie und Logistik sowie die Lieferkettenproblematik anhalten werden.

Die im vergangenen November ausgegebenen Finanzziele für 2025 werden bestätigt: ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von 4 bis 6%, eine Ebitda-Marge zwischen 19 und 21% sowie einen freien Cashflow von etwa 40% des Ebitda.

Was die eigenen Fähigkeiten betrifft, ist der Ausblick insofern gut abgestützt, als Clariant schon im vergangenen Jahr ein beachtliches Preisdurchsetzungsvermögen an den Tag legte und dazu mit einer ebensolchen Volumensteigerung aufwartete. Im Gesamtjahr trugen der Preis- und der Volumeneffekt 8 und 7 Prozentpunkte zum Umsatzwachstum bei, im Schlussquartal 14 und 9. Allein die Rohstoffe hatten sich nach Clariant im Berichtsjahr 21% verteuert. Mit den Preiserhöhungen sei es gelungen, dies weitgehend auszugleichen.

Im Schlussquartal wie im Gesamtjahr fiel das Segment Care Chemicals durch besonders hohe Dynamik auf. Das Umsatzwachstum in lokalen Währungen betrug 39 bzw. 22%, die Ebitda-Marge 20,8 bzw. 20,7%. Ebenfalls respektabel schlug sich Natural Resources mit 25 bzw. 14% Wachstum und Margen von 17,1 bzw. 17%. Catalysis dagegen blieb erwartungsgemäss unterdurchschnittlich. Die Grundlagen und die Auftragssituation seien jedoch positiv.

Höhere Cashflow-Effizienz

Beträchtliches Volumenwachstum führt in Kombination mit einer Verteuerung der Rohstoffe freilich auch dazu, dass im Nettoumlaufvermögen mehr Mittel gebunden werden, namentlich in den Vorräten. Ein zusätzliches Sicherheitspolster in der Lagerhaltung hat den ungünstigen Effekt auf den Cashflow noch verstärkt. Dennoch ist es Clariant gelungen, den Schaden in Grenzen zu halten und wenigstens den Vorjahreswert zu egalisieren. Vor Veränderungen im Nettoumlaufvermögen hat sich die Cashflow-Effizienz ebenfalls verbessert.

Angesichts des erfreulichen Jahresresultats schlägt der Verwaltungsrat der (virtuellen) Generalversammlung vom 24. Juni eine Ausschüttung von 0.40 Fr. je Titel vor; vorgesehen ist dafür eine Kapitalherabsetzung mittels Nennwertreduktion. Die Ausschüttung entspricht 49% des Gewinns je Aktie im fortgeführten Geschäft.

Für das laufende Jahr geht FuW von 0.95 Fr. Gewinn je Aktie aus (vgl. Aktienstatistik). Das daraus resultierende Kurs-Gewinn-Verhältnis ist innerhalb des recht günstigen europäischen Chemiesegments kein Schnäppchen. Das liegt nicht zuletzt am Kurssprung vom Dienstag aufgrund neuer, wenig plausibler Übernahmespekulationen. Eine solide Kursentwicklung darf zwar weiterhin erwartet werden, den Gesamtmarkt merklich zu schlagen, wird aber schwierig.

 

Die komplette Historie zu Clariant finden Sie hier. »

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