Das Tessiner Orthopädieunternehmen ist zum Börsenstart deutlich teurer bewertet als grosse Konkurrenten – es wächst allerdings auch viel rascher.
Nun geht es zügig: Bereits am Freitag hat die Phase der Preisfestsetzung für die Medacta-Aktien begonnen. Als erster Handelstag ist der 4. April vorgesehen.
Gemessen an der Bandbreite des Emissionspreises wird das Tessiner Orthopädieunternehmen 1,8 bis 2,1 Mrd. Fr. wert sein. Mit Blick auf die hohe Qualität von Medacta werden aber viele Investoren bereit sein, sich zu einem stattlichen Preis zu engagieren. Am Freitagnachmittag waren die Bücher bereits voll.
Über 2 Mrd. Fr. wert?
Zusammen mit den federführenden Banken Credit Suisse (CSGN 11.485 -2.83%) und Morgan Stanley (MS 41.78 -3.13%) wurde der Preisrahmen für das Bookbuilding auf 88 bis 104 Fr. je Aktie fixiert. Auf Basis des Mittelwerts wird Medacta mit 1,9 Mrd. Fr. eingestuft.
In Bezug auf den geschätzten Gewinn 2019 ergibt sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 33 – fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt der Schweizer Aktien (17) und wesentlich höher als das der grossen Konkurrenten Zimmer (ZBH 127.42 -1.65%) Biomet (17), Smith & Nephew (SN. 1501.5 -2.34%) (20) und Stryker (24).
Der Vergleich mit Schweizer Implantat-Unternehmen ergibt ein anderes Bild. Straumann (STMN 795 -0.19%) (Zahnersatz) ist mit einem KGV von 38 bewertet. Medartis (MED 59.7 1.53%) (Kiefer- und Gesichtschirurgie, Extremitäten) kommt auf ein KGV von 58. Darin reiht sich Medacta relativ günstig ein.
Unbekannte Perle
Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass in einem Initial Public Offering (IPO) interessierten Investoren ein Abschlag gewährt wird. Zudem müssen sich das Unternehmen und die Besitzerfamilie Siccardi zuerst noch einen Namen im Kapitalmarkt schaffen. Familie und Banken wären gut beraten, den Preis nicht auszureizen, um die Grundlage für einen geglückten Börsenstart zu schaffen.
Ein Nachteil ist der geringe Streubesitz. Im Publikum wird gut ein Drittel der Aktien platziert. CEO Francesco Siccardi bekräftigte an einer Medienorientierung am Freitag in Zürich: «Die Familie wird keine weiteren Titel abgeben.» Sie hat sich zu einer Haltefrist (Lock-up) bis Ende 2020 verpflichtet. Die Stellung der Familie bleibt dominant (vgl. www.fuw.ch/230319-7).
Unschön ist die Opting-Out-Klausel: Bei Überschreiten eines 33,3%-Anteils muss der Käufer den Minderheitsaktionären kein Übernahmeangebot unterbreiten. Einen Corporate-Governance-Preis wird Medacta damit nicht einheimsen.
Am Geschäft gibt es nichts zu mäkeln. Die erst vor 20 Jahren gegründete Gesellschaft hat den Umsatz Jahr für Jahr gesteigert. In dieser Hinsicht ist Medacta mit Medartis und dem US-Unternehmen Wright vergleichbar.
Medacta ist aber mit Margen auf Stufe Ebitda von über 30% klar rentabler. In Sachen Profitabilität kommt das Tessiner Unternehmen an Zimmer Biomet heran. Die Mischung zwischen hoher Marge und prozentual zweistelligem Wachstum ist im Vergleich mit kotierten Konkurrenten nicht zu finden.
Mehr als nur Produkte
Im rund 50 Mrd. $ grossen OrthopädieMarkt ist Medacta ein Winzling. Im Bereich Knie/Hüfte, mit dem sie über 90% des Umsatzes erwirtschaftet, ist sie – mit allerdings grossem Rückstand auf Zimmer Biomet, Stryker, die Johnson & Johnson-Tochter DePuy Synthes sowie Smith & Nephew – die Nummer sechs. Erst seit Kurzem ist Medacta in die Segmente Wirbelsäulen- und Schulterimplantate und in den Sportbereich eingestiegen.
Bestandteile des Erfolgs sind eine robotergestützte, effiziente Herstellung in zwei Fabriken im Tessin und der Ansatz, nicht nur ein Produkt, sondern gleich die Operationsmethode anzubieten. Das verkürzt Spitalaufenthalt und Rehabilitation. Für die Ausbildung von Chirurgen gibt Medacta jährlich 5% des Umsatzes aus.
Für 2019 lautet das Ziel, den Umsatz rund 15% zu steigern. Als operative Marge werden 32% angepeilt. Aus dem Gewinn soll ein Anteil von 20 bis 30% an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Die Dividendenrendite bleibt somit unter 1%.
Nur für risikofähige Investoren
«Finanz und Wirtschaft» empfiehlt, bis 98 Fr. Aktien zu zeichnen. Sie eignen sich für Investoren mit breit diversifiziertem Portefeuille.
Zu beachten sind die in den vergangenen drei Jahren gesunkene Bilanzqualität sowie Risikofaktoren wie Preisdruck, Regulierungsunsicherheit und juristische Auseinandersetzungen. CEO Francesco Siccardo betont aber, Medacta habe noch nie fehlerhafte Produkte in materiellem Ausmass zurückrufen müssen.
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