Das Bewertungsniveau an den britischen Börsen ist im globalen Vergleich auf langjährige Tiefst gefallen. Das begrenzt das Korrekturrisiko.
Die Brexit-Turbulenzen haben am britischen Aktienmarkt deutliche Spuren hinterlassen: Das steigende Risiko, dass Grossbritannien ohne ein Abkommen aus der Europäischen Union ausscheidet, hat die Bewertung auf langjährige Tiefst gedrückt. Sie nimmt damit jedoch schon viel Negatives vorweg.
Seit dem überraschenden Brexit-Votum vom Juni 2016 kennt das Bewertungsniveau im britischen Leitindex FTSE 100 praktisch nur eine Richtung: nach unten. Notierte das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) – basierend auf dem erwarteten Überschuss der jeweils nächsten zwölf Monate – damals noch über 16, hat es sich inzwischen auf knapp 12 ermässigt. Auch das zyklisch adjustierte Shiller-KGV, das den durchschnittlichen Gewinn der vergangenen zehn Jahre berücksichtigt, bewegt sich mit 15,3 in aussergewöhnlich niedrigen Gefilden.
Auf langjährigen Tiefst
Die spezifische Schwäche zeigt sich deutlich im direkten Vergleich mit dem globalen Aktienmarkt: Gemessen an einer Kombination aus KGV, Kurs-Buchwert-Verhältnis und Dividendenrendite weisen britische Valoren gegenüber dem MSCI-Weltindex einen Abschlag von 30% auf. Dies entspricht dem grössten Discount seit Ende der Achtzigerjahre. Im Vergleich mit Kontinentaleuropa weisen britische Titel derweil einen Abschlag von 12% auf. Laut Morgan Stanley (MS 42.16 0.4%) war eine solche Konstellation über die letzten vierzig Jahre nur während 10% der Zeit feststellbar.
Wie schwer die Unsicherheit auf dem Aktienmarkt lastet, zeigt zu guter Letzt auch der Vergleich mit britischen Staatsanleihen (Gilts): Die Dividendenrendite im marktbreiten FTSE All Share Index übertrifft die Rendite der zehnjährigen Gilts mit mehr als drei Prozentpunkten so deutlich wie zuletzt in den Dreissigerjahren.
Angesichts dieser niedrigen Bewertung scheint folglich bereits einiges an Ungemach eingepreist zu sein – auch wenn ein Hard Brexit den lokalen Aktienmarkt kurzzeitig belasten könnte. Das Korrekturpotenzial der einzelnen Unternehmen dürfte unter anderem von der geografischen Ausrichtung abhängen. So geht Morgan Stanley davon aus, dass die Valoren im Large-Cap-Index FTSE 100 wohl weniger harsch auf einen harten Brexit reagieren würden, als ihre kleineren Pendants aus dem FTSE 250.
Grosses Sektorgefälle
Der Grund: Im Falle eines Hard Brexit dürfte das Pfund deutlich an Boden verlieren, was wiederum der Profitabilität der FTSE-100-Unternehmen – die rund 70% der Einnahmen ausserhalb Grossbritanniens erwirtschaften – zugutekäme. Stärker fiele die Kursreaktion der Small und Mid Caps im FTSE 250 aus, die typischerweise ein geringeres Ausland- und Währungsexposure aufweisen.
Die Korrekturanfälligkeit hängt allerdings nicht nur vom Umsatzexposure, sondern auch von der Sektorzugehörigkeit ab: Ein harter Brexit dürfte laut Morgan Stanley vor allem lokal verwurzelte Finanzhäuser wie Royal Bank of Scotland (RBS), Lloyds oder Barclays (BARC 158.98 0.58%) belasten. Nicht nur sind sie stark an die Binnenwirtschaft und die Entwicklung des Pfunds gekoppelt. Auch sind sie dem Risiko von Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen ausgesetzt. Exponiert wirken neben den Banken derweil auch Unternehmen aus den Branchen Immobilien, Versorger und Touristik.
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