Zurück zur Übersicht
16:40 Uhr - 07.04.2022

Jungfraubahn noch nicht zurück in der Spur

Der Bahnbetreiber hat im vergangenen Jahr den Verlust eingedämmt, bleibt aber von mehreren Faktoren belastet.

«Herausforderndes Jahr», «erschwerte Bedingungen», «müssen optimistisch sein»: Die Wortwahl von Urs Kessler, CEO der Jungfraubahnen (JFN 138.40 -0.57%), ist deutlich gefärbt. Der Bahnbetreiber steckt immer noch mitten in seiner grössten Krise. 50% unter dem Vorkrisenniveau lagen die Einnahmen im vergangenen Jahr. Dass sich die Zahl überhaupt nach oben bewegt hat, ist den millionenschweren Investitionen zu verdanken, die die Gruppe mit dem Kapital aus fetteren Jahren gestemmt hat und die sich nun bezahlt machen. Unterm Strich verblieb in der Kasse dennoch ein kleines Loch von 0,2 Mio. Fr. Um erhaltene Härtefallgelder bereinigt läge der Verlust bei 11,8 Mio. Fr. Auf eine Dividende müssen Aktionäre erneut verzichten.

Dass CEO Kessler am Donnerstag, dem Tag der Bilanzmedienkonferenz, optimistisch wirkt, liegt an den vergangenen Monaten. Dank der V-Bahn, die demnächst ihre erste volle Wintersaision abschliesst, blickt das Unternehmen auf einen grandiosen Winter zurück. Selbst die Rekordzahlen der Saison 2006/2007 müssen bereits als Vergleich herhalten. Der Vorteil der neuen Bahninfrastruktur: Mit 44 Gondeln für je 26 Gäste, neuer Talstation und neuer Bergstation gelangen Touristen praktisch ohne Anstehen und in Rekordzeit ins Skigebiet Kleine Scheidegg/Männlichen oder von der Bergstation aus aufs Jungfraujoch. «Damit haben wir einen Wettbewerbsvorteil», sagt CEO Urs Kessler.

Chinas Covid-Strategie bremst

Einen Vorteil erhofft man sich davon längst nicht nur im hart umkämpften Geschäft mit Schweizer Wintersportlern. Kessler blickt nach Asien und in die USA, zwei wichtige Märkte für das Unternehmen. «Gruppenbuchungen aus den Regionen stimmen uns zuversichtlich für das zweite Halbjahr», sagt er. Laufe das Sommergeschäft in dem Ausmass, wie man es sich erhoffe, erziele man 2022 auch wieder Gewinn. Optimistisch stimmt eine Prognose der Konjunkturforschungsstelle Kof, die für 2022 die Rückkehr von 80% der Touristen aus den Fernmärkten prognostiziert. Kesslers Ziel: möglichst viel Marktanteil erobern, um die Jungfrauregion zur Profiteurin der angestauten Reiselust zu machen.

Doch Skepsis ist angebracht. Zum einen wegen der Ukraine. Wie stark das Sommergeschäft vom Krieg betroffen sein wird, ist schwierig vorauszusagen. Als Gradmesser für die Reiselust innerhalb Europas verweisen Analysten gerne auf die anstehenden Osterfeiertage. Die Jungfraubahn-Gruppe selbst schreibt in ihrer Pressemitteilung vom Donnerstag, die Ereignisse würden den Geschäftsgang beeinflussen.

Der zweite grosse Einflussfaktor ist China. Das Land geht rigoros gegen neue Covid-Fälle vor, diese Woche ist die 26-Mio.-Metropole Schanghai abgeriegelt worden. Der internationale Tourismus ist in China tot. «Mit Gästen aus China ist im laufenden Jahr nicht zu rechnen», sagt Kessler. Gerade sie sind in den Sommermonaten aber besonders wichtig.

Aktien sind kein Kauf

2023 will die Jungfraubahn-Gruppe zurück auf das Niveau von 2019 finden. Angesichts der aktuellen Unsicherheiten ist das optimistisch, kommt es im laufenden Jahr aber in Asien wie aktuell in Europa zu einer Lockerungswelle, ist es gleichwohl möglich. FuW rechnet mit einem pessimistischeren Szenario und geht für das laufende Jahr von einem kleinen Gewinn, für das kommende Jahr von einer graduellen Erholung aus, jedoch noch nicht auf das frühere Niveau.

Die Aktien handeln auf dem Niveau von Ende 2020, viel Potenzial für eine markante Kurssteigerung ist in den kommenden Monaten nicht gegeben. Auch für Dividendenjäger, die den günstigen Kurs für künftigen Ertrag nutzen wollen, bieten sie sich nicht an. Erreicht die Jungfraubahn-Gruppe wieder das Vorkrisenniveau, rentieren die Valoren bei gleichbleibender Ausschüttungsquote gemessen am heutigen Kurs mit lediglich höchstens 3%.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.