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17:25 Uhr - 09.03.2018

Raiffeisen-CEO schweigt zu Investnet-Aktionär

An einer Medienkonferenz wollte Raiffeisen Stärke zeigen. Ein zuvor auszugsweise durchgesickerter Finma-Bericht macht ihr einen Strich durch die Rechnung.

Ein abtretender Präsident, der keine Fragen beantwortet, ein Interims-Präsident, der die Fragen an den CEO beantwortet, und ein CEO, der ganz nah dran war, aber nichts Verdächtiges gesehen haben will. Das war die Medienkonferenz Raiffeisens am Freitag.

Anlass war der Rücktritt des Verwaltungsratspräsidenten (VRP) von Raiffeisen, Johannes Rüegg-Stürm. Zuvor sagte er in einem Interview mit der «NZZ (NZZ 5300 0.95%) am Sonntag» noch, er werde im Juni wieder für den Verwaltungsrat (VR) kandidieren. «Nach Gesprächen mit dem Verwaltungsrat» kam es anders, wie der neue Interims-VRP Pascal Gantenbein sagte.

«Damit beweise ich meine Bereitschaft, meinen Teil an der Mitverantwortung zu übernehmen», sagte Rüegg-Stürm und eilte nach seiner Stellungnahme, ohne Fragen zu beantworten, aus dem Raum. Er «macht den Weg frei», sagte Gantenbein.

In Rüegg-Stürms Amtszeit fallen die Vorfälle, weswegen erst die Finanzmarktaufsicht (Finma) eine Untersuchung gegen Raiffeisen einleitete und dann die Staatsanwaltschaft Zürich ein Strafverfahren gegen Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz und seinen Intimus Beat Stocker eröffnete.

Gisel führte Investnet-Verhandlungen

Der Vorwurf: ungetreue Geschäftsbesorgung, versteckte Geschäfte. Dabei geht es um das Zustandekommen von Beteiligungen des Kartenbezahlunternehmens Aduno, wo Vincenz VRP und Stocker Verwaltungsrat und CEO war, sowie um die Raiffeisen-Beteiligung an der Private-Equity-Gesellschaft Investnet, die zu Vincenz’ CEO-Zeit eingegangen wurde.

Gantenbein versprach eine «lückenlose Aufklärung der Vorkommnisse in der Ära Vincenz». Damit sollen nun externe Experten beauftragt werden. Es ist nicht das erste Mal, dass Raiffeisen von aussen unter die Lupe genommen wird. Nur Stunden vor der Medienkonferenz veröffentlichte der Finanz-Blog «Inside Paradeplatz» fotografische Auszüge aus einem Bericht des Prüfunternehmens Deloitte vom Oktober 2017.

Dieser Bericht wurde von der Finma in Auftrag gegeben. Auf dieser Grundlage eröffnete die Aufsicht im vergangenen Jahr das Verfahren gegen Raiffeisen und ihren Ex-Chef Pierin Vincenz. Aus den fotografischen Auszügen geht hervor, dass 2011 der jetzige Raiffeisen-CEO und damalige Nummer zwei der Genossenschaftsbank, Patrik Gisel, beim Investnet-Deal die Verhandlungsführerschaft übernahm, nachdem Vincenz in den Ausstand getreten war.

Vincenz zog sich zurück, als er von Investnet-Gründer und Aktionär Peter Wüst informiert wurde, dass Beat Stocker ebenfalls an Investnet beteiligt ist. Stocker war nach Aussagen Gisels vom Freitag ein «naher Vertrauter» Vincenz’ und für Raiffeisen «in verschiedenen Projekten» tätig. Gemäss den Auszügen des Deloitte-Berichts wurde aber kein Schriftverkehr gefunden, in dem sich Gisel über den Grund für Vincenz’ Ausstand «und die Rolle von Beat Stocker erkundigte».

Gantenbein: «volles Vertrauen»

Vor einer Woche sagte Gisel zu «Finanz und Wirtschaft»: «Wir hatten Informationen über ein Treuhandverhältnis bei Investnet, dessen Inhalt uns aber nicht offenlag. Uns wurde damals allerdings gesagt, dabei handle es sich um eine Person, die Aktien von Investnet halte, die aber nicht mit Raiffeisen verbunden sei.» Als die Staatsanwaltschaft vergangene Woche ihr Verfahren gegen Vincenz eröffnete, habe die Behörde Raiffeisen über «verdeckte Treuhandgeschäfte von Pierin Vincenz» informiert.

Auf Nachfrage, ob Gisel bewusst war, dass Vincenz-Intimus Stocker bei Investnet beteiligt war, äusserte sich der Raiffeisen-CEO am Freitag nicht. Stattdessen fing Gantenbein die meisten Fragen an Gisel ab. Er werde «untersuchen, wem zu welchem Zeitpunkt welche Informationen vorgelegen haben», sagte Gantenbein. Im Deloitte-Bericht «gibt es gewisse Hinweise, dass es Transaktionen hätte geben können», sagte Gantenbein. Handfeste Informationen existierten aber nicht. Als der Deal geschlossen wurde, habe es keine Informationen darüber gegeben, wer hinter den Transaktionen stand.

Der Deloitte-Bericht kommt laut Gantenbein zum Schluss, Gisel habe sich keines Fehlverhaltens schuldig gemacht. Auf Nachfrage sagte Gantenbein, man werde prüfen, welche Informationen man aus diesem Bericht veröffentlichen könnte. Gisel geniesse das «volle Vertrauen» des VR. «Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf ein illegales Verhalten», sagte Gisel.

«Einschätzung am Tisch»

Fakt ist: Der Deal zwischen Raiffeisen und Investnet kam zustande. Raiffeisen sollte laut «Inside Paradeplatz» insgesamt 100 Mio. Fr. in mehreren Tranchen für die 60%-Beteiligung an Investnet zahlen.

Investnet übernahm zudem 40% an der Raiffeisen-Tochter KMU Capital. Gemäss Deloitte-Bericht-Auszügen «haben die Parteien auf eine gegenseitige Bewertung verzichtet und es erfolgte auch keine Due Diligence seitens der Parteien».

Der Bericht zitiert Gisel: «Das war wirklich eine Einschätzung am Tisch.» Gemäss Deloitte-Bericht kam in der Jahresrechnung 2012 heraus, dass Investnet «überschuldet war». Raiffeisen schoss daraufhin über KMU Capital «ein nachrangiges Darlehen von 550’000 Fr.» ein.

Zuvor war bereits ein Raiffeisen-Kredit geflossen, «entgegen dem Antrag der Kreditabteilung». Das Darlehen ging an die Investnet-Aktionäre Peter Wüst und Andreas Etter, die damit einen weiteren Aktionär auskauften.

«Unsinnige Zahlen»

Im September 2015 zog sich Vincenz von der Spitze der Raiffeisen zurück, wurde offiziell Minderheitsaktionär und VRP von Investnet.

Zuvor wurde der Vertrag zwischen Raiffeisen und Investnet aber nochmals geändert. Der neue Vertrag, unterzeichnet von Patrik Gisel, enthält gemäss Deloitte-Bericht «für die Minderheitsaktionäre günstige Klauseln und eine Bewertungsformel, die grossen Interpretationsspielraum zulässt».

Der Leiter des Rechnungswesens bei Raiffeisen, Markus Lüthi, erläuterte im März in einer E-Mail an Gisel, «die damalige Bewertungsmethode generiert unsinnige Zahlen». Dennoch wurde der Vertrag «mit der problematischen Berechnungsformel» im März 2015 von Patrik Gisel und Marcel Zoller, Ex-Finanzchef Raiffeisen, unterzeichnet.

Dann flossen mehrere Millionen an die Investnet-Minderheitsaktionäre und – dieser Vorwurf steht im Raum – auch von Investnet-Aktionär Stocker an Pierin Vincenz.

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