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15:59 Uhr - 01.08.2014

Fed-Chefin Yellen droht bald die erste Machtprobe

Die Konjunktur in den USA bessert sich langsam, aber stetig. Im Gremium der US-Notenbank bahnt sich damit eine heisse Debatte über den ersten Zinsschritt an.

Die Erholung des amerikanischen Arbeitsmarktes setzt sich Schritt für Schritt fort. Gemäss dem Statistikamt BLS (BLSN 0.7 -2.78%) sind im Juli 209 000 Stellen hinzugekommen, 198 000 davon im Privatsektor. Das ist zwar etwas weniger als die von Ökonomen prognostizierten 230 000 Jobs. Dafür wurden die Zahlen für Mai und Juni um ins­gesamt 15 000 nach oben revidiert. Über die letzten sechs Monate hinweg hat die US-Wirtschaft somit jeweils stets mehr als 200 000 Arbeitsplätze geschaffen. Letztmals war das 1997 der Fall.

Willkomene Nachrichten für Wallstreet

Nach dem Kursrückschlag der vergangenen Tage waren das für Wallstreet willkommene Nachrichten. Die Futures-Kontrakte auf den Leitindex S&P 500 drehten  nach der Veröffentlichung der Daten leicht ins Plus. Grössere Emotionen gab es allerdings nicht. Das mitunter, weil die Arbeitslosenquote gegenüber dem Vormonat von 6,1 auf 6,2% gestiegen ist. Kaum Besserung zeigen zudem wichtige Indikatoren wie die Partizipationsrate, der hohe Prozentsatz der Langzeitarbeitslosen sowie der Anteil an temporär Beschäftigten, die lieber eine Vollzeitstelle hätten.

Die am Freitag publizierten Zahlen zum Arbeitsmarkt waren nicht die einzigen Schlüsseldaten zur US-Konjunktur, die Investoren im Verlauf der Woche ver­arbeiten mussten. Die erste Lesung zum Bruttoinlandprodukt (BIP) für das zweite Quartal zeigte, dass Amerika nach der Winterstarre aufgeblüht ist: Nachdem die Wirtschaft in den ersten drei Monaten des Jahres 2,1% geschrumpft war, erlebte sie von April bis Juni einen ­Expansionsschub von 4% (vgl. Grafik 2). Zu verdanken ist er steigenden Exporten, einem Lageraufbau der Unternehmen sowie höheren Konsumausgaben, speziell für dauerhafte Güter.

Nur ein Jo-Jo-Effekt?

Trotzdem ist das noch kein klarer Beweis dafür, dass die Wirtschaft das Trauma der harten Rezession endlich überwunden hat. Das überdurchschnittliche Wachstum basiert wohl primär auf einem Jo-Jo-Effekt, der auf den Konjunktureinbruch im ersten Quartal folgte. Zusammengerechnet hat das BIP im ersten Semester gegenüber der Vorjahresperiode nur rund 1%  zugenommen. Auch verliert die Erholung im Immobiliensektor an Schwung, wie der Case-Shiller-Index bestätigt: Das wichtigste Barometer zur Entwicklung der Häuserpreise zeigte für Mai den geringsten Anstieg seit Anfang 2013. Das ist be­unruhigend, hat der Immobilienmarkt bislang doch einen erheblichen Beitrag zur Konjunkturverbesserung geleistet.

Das macht es für US-Notenbankpräsidentin Janet Yellen enorm schwierig, abzuschätzen, was im Räderwerk der Wirtschaft tatsächlich vorgeht. Der Entscheidungsrat des Federal Reserve räumte diese Woche erstmals ein, dass sich «die Indikatoren zum Arbeitsmarkt und die ­Inflation auf das Niveau zubewegen, das übereinstimmt mit seinem Doppelmandat» zur Gewährleistung von Preisstabilität und Vollbeschäftigung. So hat sich die Kerninflation (gemessen am Konsumentenpreisindex ohne Lebensmittel- und Energiekosten) im zweiten Quartal  um 1,5% erhöht. Sie ist somit nicht mehr weit von den 2% entfernt, die das Fed auf lange Sicht anvisiert (vgl. Grafik 3). Es überrascht daher kaum, dass es das Stimulusprogramm QE3 ab August um weitere 10 auf 25 Mrd. $ pro Monat kürzt und den Kurs einhält, es im Oktober zu beenden.

Entscheidend ist nun, wie fest Yellen in ihrem Sattel sitzt. Im Statement betont der Vorsitz der US-Notenbank, dass es im Arbeitsmarkt trotz der ermutigenden Trends nach wie vor «signifikante» Altlasten gebe. Es sei deshalb angebracht, den Leitzins nach dem Stopp von QE3 noch «für beträchtliche Zeit» auf nahezu null zu be­lassen. «Dass Yellen an der Strategie ultratiefer Zinsen noch für geraume Zeit festhalten will, ist damit laut und klar durchgekommen», meint dazu David Rosenberg, Chefstratege von Gluskin Sheff. «Es ist wie mit einem Arzt, der zum Patienten sagt: Die Medizin funktioniert, also bleiben wir dabei», ergänzt er.

Warnrufe vom Falkenhorst

An Wallstreet wird weiterhin damit gerechnet, dass die US-Notenbank erst Mitte des kommenden Jahres erstmals leicht an der Zinsschraube drehen wird. Geht es mit der Wirtschaft im zweiten Halbjahr aber weiter aufwärts, steht Yellen eine heisse Debatte mit ihren Kollegen im Fed-Vorsitz bevor. Charles Plosser, der die Fed-Dis­triktnotenbank Philadelphia leitet und zu den grössten Zinsfalken im Gremium zählt, hat sich bereits am jüngsten Treffen mit Bestimmtheit gegen die extrem  milde Zinsprognose des Fed-Statements ausgesprochen. Sein Gesinnungsgenosse Ri­chard Fisher, Präsident der Distriktnotenbank Dallas, hat zudem unmittelbar vor der Fed-Sitzung im «Wall Street Journal» einen provokativen Gastartikel veröffentlicht, in dem er vor den Gefahren einer allzu langen Nullzinspolitik warnt.

Noch scheint Yellen die Lage zu kon­trollieren. Wie hitzig die US-Währungs­hüter bereits an ihrem jüngsten Treffen über die Zinsen diskutiert haben, wird das Sitzungsprotokoll in knapp drei Wochen zeigen. Mit Spannung wird an den Finanzmärkten auch das Wirtschaftssymposium in Jackson Hole erwartet, das am 21. August beginnt und an dem die Fed-Chefin das Hauptreferat halten wird.

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