Die Wirtschaft des südostasiatischen Landes leidet unter einer strukturellen Schwäche. Die politische Unsicherheit ist eine weitere Belastung.
Mit dem Tod des 88-jährigen Königs Bhumibol Adulyadel ist Thailand in eine Phase tiefer Unsicherheit getreten. Offene Fragen über die politische Kontinuität der zweitgrössten südostastasiatischen Volkswirtschaft überschatten das Investitionsklima bereits seit Jahren. Nicht nur vor dem Tod des Königs haben diese offenen Fragen für Volatilität an der Börse Bangkok gesorgt.
Die Nachfolge Bhumibols scheint mit der wahrscheinlichen Thronbesteigung von Kronprinz Maha Vajiralongkorn zumindest für den Moment geklärt. Allerdings bleibt Thailand eine tief gespaltene Nation. Der skandalumwitterte Kronprinz ist zwar in der Bevölkerung unbeliebt, doch für die Spaltung gibt es andere Gründe.
Militär übernimmt Politik
Den Hintergrund der sozialen Spannungen bildet eine Serie von Staatsstreichen. Damit hat sich das Militär seit 2006 als zentrale politische Institution des 66 Mio. Einwohner zählenden Landes etabliert. In den vergangenen zehn Jahren ist Thailand aber auch von einem der weltweit dynamischsten Schwellenländer zu einer nur noch langsam wachsenden Volkswirtschaft abgestiegen.
Thailands Bruttoinlandprodukt (BIP) wächst dieses Jahr 3,2%, prognostiziert die Asiatische Entwicklungsbank. Trotz aller vom Staat eingeleiteten konjunkturstützenden Massnahmen ist die Wirtschaftsexpansion damit nur halb so schnell wie etwa auf den benachbarten Philippinen.
Bremsfaktoren sind neben der unsicheren politischen Lage eine zunehmend ungünstige demografische Situation, ein für den Entwicklungsstand des Landes schlechtes Ausbildungssystem und ein hoher Verschuldungsgrad der Privathaushalte. Auch trägt der ansonsten auf dem Weltmarkt sehr wettbewerbsfähige Agrarsektor infolge der tiefen Rohstoffpreise gegenwärtig nur zu einem kleinen Teil zum Wirtschaftswachstum bei.
Thailand ist wegen einer seit Jahren anhaltenden tiefen Geburtenrate mit dem Phänomen einer zunehmend überalterten Gesellschaft konfrontiert, mit dem normalerweise reiche Industriestaaten zu kämpfen haben. Damit hat das Land angesichts der vergleichsweise hohen Löhne im Bereich der Produktion von billigen Massenwaren gegenüber Vietnam, Indonesien oder Myanmar an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Das fällt umso mehr ins Gewicht, als Thailands Exportindustrie ebenso wie die seiner Nachbarn unter der schwachen globalen Nachfrage leidet.
Gleichzeitig hat die thailändische Industrie Schwierigkeiten, die Wertschöpfungskette heraufzusteigen. Die Schulen produzieren in ungenügender Zahl hoch qualifizierte Ingenieure und Verwaltungsfachleute. Auch verfügt ein Grossteil der Bevölkerung nicht über ausreichende Fremdsprachenkenntnisse. Das Land findet sich damit in der sogenannten Middle Income Trap – steckt also in einer Phase mit mittelmässigem Einkommen fest.
Das Land hat Mühe, mit seinem Einkommensniveau mit anderen Entwicklungsländern zu konkurrieren. Gleichzeitig ist es technisch nicht weit genug, um auf die Industrieländer aufzuholen. Das ist ein Grund, warum wachstumsorientierte thailändische Unternehmen seit Jahren vorwiegend im Ausland expandieren. Dadurch ist die Börse Bangkok trotz der eingetrübten Konjunktur für Investoren interessant geblieben.
Ein starkes Standbein der Wirtschaft bleibt der Tourismus, der rund 10% des BIP erwirtschaftet. Zwar sind in den vergangenen Jahren infolge der innenpolitischen Unruhen gerade die besonders umworbenen gut zahlenden Gäste aus den reichen Industriestaaten verschreckt worden. Das konnte jedoch zumindest teilweise durch Gruppenreisen aus China wettgemacht werden. Allerdings dürfte der Fremdenverkehr in den kommenden Wochen erhebliche Umsatzeinbussen erleben, hat die Regierung doch wegen der Trauerfeierlichkeiten für dreissig Tage «fröhliche Anlässe» verboten.
Konsum dank Schulden
Die konjunkturellen und strukturellen Schwächen der Volkswirtschaft konnten in den vergangenen Jahren durch einen boomenden Privatkonsum ausgeglichen werden. Allerdings wurde der Konsum auf Pump finanziert. Der Verschuldungsgrad der thailändischen Privathaushalte mit über 70% des BIP hat neben Malaysia den höchsten Stand der Region erreicht. Obwohl sich die Konsumentenstimmung im ersten Halbjahr 2016 etwas verbessert hat, dürften die hohen Schulden sie für die absehbare Zukunft deutlich bremsen.
Der Staat verbleibt damit als einziger Wachstumsmotor Thailands. Er stimuliert mit einer lockeren Geldpolitik, Subventionen für Bauern und Kleinbetriebe sowie Steuersenkungen. Auch will die Regierung in den kommenden Jahren 645 Mrd. Baht (182 Mrd. $) in Modernisierung und Ausbau der Infrastruktur investieren. Der Ausblick für die Wirtschaft bleibt unsicher. Die Nervosität nach dem Tod des Königs verschärft diese Unsicherheit nur.
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