Rudolf König, Manager Tavau Swiss Fund, sagt im Interview mit «Finanz und Wirtschaft», warum er noch Spielraum für CH-Aktien sieht und warum er glaubt, dass der SMI nächstes Jahr bei über 10'000 Punkten stehen wird.
Herr König, teilen Sie die Meinung, dass die Stimmung am Schweizer Aktienmarkt zu bullish und Vorsicht angebracht ist?
Wir befinden uns keinesfalls in einer Blase. Für mich sind die Bewertungen im Markt plus/minus fair. Gefährlich wird es erst, wenn der Gesamtmarkt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis um 25 wiedergibt. Davon sind wir weit entfernt. Auf längere Sicht ist der Markt in der Lage, einiges höher zu gehen. Kurzfristig sind wir an einem Punkt, an dem die Sentimentindikatoren ähnlich bullish sind wie Anfang Jahr.
Wir haben also das Jahreshoch noch nicht gesehen?
Nein.
Wo sehen Sie denn noch Spielraum, und wie gross bemessen Sie ihn?
Einen zeitlichen Ablauf kann ich nicht vorhersagen. Auf mittlere Sicht wird der Swiss Market Index fünfstellig notieren. Noch nicht im laufenden Jahr, aber 2015 durchaus. Der Schweizer Markt ist getragen von den kleinen und mittleren Werten, denen ich weiterhin eine überdurchschnittliche Performance zutraue. Blue Chips sind dagegen träger. Die grossen Gesellschaften sind oft mit sich selbst beschäftigt und können weniger rasch auf Opportunitäten reagieren.
Ein Indexstand von 10 000 im SMI (SMI 8631.98 0.31%) bedeutet aus heutiger Sicht ein Plus von 15%. Eine ambitionierte Vorgabe.
Die Bewertung auf Basis des KGV liegt um 17 für 2015. Die Unterschiede zwischen Blue Chips und kleineren Werten sind gering, vor allem wenn Sie dem Umstand Rechnung tragen, dass die Finanzwerte mit ihrer niedrigen Bewertung den SMI vergleichsweise nach unten ziehen. Die Dynamik spricht in jedem Fall für die kleinkapitalisierten Werte.
Im Bereich Mid und Small Caps sind aber bereits einige stattliche Bewertungen zu sehen. Finden Sie noch Möglichkeiten?
Klar gibt es Titel, in denen viel Fantasie eingebaut ist. Es gibt aber auch die anderen Beispiele. Innovative Gesellschaften bieten viele Chancen. Logitech (LOGN 13.85 14.46%) gehört dazu, die ich seit kurzem im Portfolio halte. Wenn der Finanzchef sagt, dass das Kostenkleid auf 5 Mrd. $ Umsatz ausgelegt ist und das Unternehmen bei 2,5 Mrd. $ liegt, heisst das für mich, dass allein das Sparpotenzial ein Kurstreiber ist. Schafft es Logitech, sich als Marke für mobile Zusatzgeräte zu positionieren, wie sie das früher im PC-Bereich konnte, liegt einiges drin.
Gerade in diesem Bereich hat Logitech aber noch wenig von sich Reden gemacht. Und ein neuer Vorstoss bindet Ressourcen.
Logitech ist auf dem Weg, etwa mit den Keyboards für Tablets, und das in einem schnellen Tempo. Lautsprecherboxen für das Fahrrad sind ein weiteres Beispiel. Gelingt die Positionierung, und das braucht Arbeit, erreicht das Unternehmen einen weit grösseren und interessanten Markt.
Wie beurteilen Sie die Aussichten von Titeln wie AMS (AMS 29.2 -80.23%) oder Basilea (BSLN 99.5 -0.8%), die sich bereits gut entwickelt haben?
Auf lange Sicht zählt Basilea zu den Favoriten. Die Produktpipeline stimmt, ebenso die Bewertung. Der anstehende Entscheid zur Vermarktung von Ceftobiprole und Isavuconazole verunsichert nur kurz. AMS ist eine zweite Story, vor allem die Stärke in der Sensortechnologie wird gefragt sein. Trumpfkarten sind ihre Biosensoren und das Know-how im Bereich Automobil. Blutzuckermessung übers Handy etwa ist keineswegs Fantasie.
Für viele Unternehmen wird die industrielle Basis in der Schweiz zum Problem, da sie mit konjunkturell schwachen Absatzmärkten und Wechselkursfragen konfrontiert sind.
Das sind altbekannte Problemstellungen. Unternehmen mit vorausschauendem Management wissen, dass sie nur Chancen haben, wenn sie technologisch vorne mit dabei sind. Der Verpackungshersteller Bobst (BOBNN 44.45 -1.11%) etwa ist daran, die Inkjet-Technologie für ihre Verpackungsmaschinen zu nutzen, was dank kürzerer Rüstzeiten globale Anwendungen vereinfacht.
Impulsgeber aus den Märkten heraus?
Für die Börse sind die Zinsen der wichtigste Treiber. Ein geringer Zinsanstieg wird den Aktienmarkt erfahrungsgemäss nicht übermässig belasten. Aktien sind und bleiben aus relativer Sicht attraktiv. Die Free-Cashflow-Rendite der Schweizer Gesellschaften liegt meist über 5% und geht bis 10%. Oblirenditen auch von erstklassigen Schuldnern liegen bei gut 1%.
Wo sehen Sie Rückschlagpotenzial?
Die Konjunktur birgt ein gewisses Risiko. Die Hausse der letzten beiden Jahre war weitgehend liquiditätsgetrieben. Höhere Unternehmensgewinne müssen der nächste Treiber sein. Die Voraussetzungen dazu sind gegeben: Manche Konjunkturdaten aus den USA sprechen dafür, ebenso die sich abzeichnenden Investitionen. Europa ist dagegen noch nicht ganz so weit. Unternehmen mit einem US-Exposure sind deshalb im Vorteil. China ist ein gewisses Risiko, das die Anleger schon lange beschäftigt. Aufhorchen lässt, dass sich Gesellschaften wie Schindler (SCHN 138.5 0.51%) und Geberit (GEBN 314.7 1.06%), die dort beide eine starke Marktposition haben, zuletzt vorsichtiger äusserten.
Droht vom Irak Gefahr, vom Ölpreis?
Die Grossmächte wollen sich nicht die Finger verbrennen. Für Öl- und Gasgesellschaften, die ihre Investitionen vernachlässigt haben, böte ein höherer Ölpreis die Option, einen Rückstand aufzuholen. Das Segment wird an der Börse neu entdeckt.
Welche Kriterien stehen in der Titelwahl für den Tavau-Fonds im Vordergrund?
In der Menge mitzuschwimmen bringt nicht den gewünschten Mehrwert. Unsere Investoren verlangen von uns, dass wir auch verschmähte Gesellschaften analysieren und dort interessante Anlagen entdecken. Ich schaue mir gerne Unternehmen an, die aus einer schwierigen Situation, etwa einer Restrukturierung, herauskommen. Kurs-Umsatz-Verhältnis, Buchwert sind Parameter. Weiter zählt die Managementqualität. Vor einem Jahr bin ich so auf Charles Vögele (VCH 15.9 -1.85%) gestossen. Den Ausschlag gab der Buchwert von etwa 0,5. Dass das Geschäftsmodell nach dem Hebelprinzip funktioniert, macht Vögele erst recht interessant. Nur schon mit einem Umsatzzuwachs von 2 bis 3% p. a. müsste sich in den nächsten Jahren viel erreichen lassen. Das investierte Kapital ist nicht hoch, was eine Renditesteigerung erwarten lässt. Vögele ist da gegenüber vielen Industriegesellschaften im Vorteil, die es oft nicht schaffen, über den Konjunkturzyklus hinweg Geld auf dem eingesetzten Kapital zu verdienen.
Charles Vögele hat aber in den letzten acht Jahren nur dreimal Gewinn geschrieben. Weshalb die Zuversicht?
Ich sage nur, das Unternehmen hat es einfacher. Ob sie es schaffen, ist nicht sicher. Stellt sich der Erfolg mit den neu konzipierten Läden ein, kann sich der Aktienkurs in den nächsten zwei bis drei Jahren verdoppeln. Ein Argument für den jüngsten Kursanstieg dürfte sein, dass Vögele zu den meist geshorteten Titeln gehörte.
Was ist der Vorteil Ihres Long-Short-Ansatzes in einer Zeit, in der der Markt stetig nach oben geht?
In Rückschlagphasen hat der Fonds deutlich weniger verloren als der Gesamtmarkt, weil wir ein aktives Hedging betreiben. Steigt die Rückschlaggefahr, erhöhe ich die Hedge-Position.
Das heisst, Sie halten derzeit mehr Absicherungspositionen als im Frühjahr?
Ja, aber ich fahre diese auch wieder rasch zurück, wenn der Markt wieder dreht. Die Grösse des Fonds von knapp 50 Mio. Fr. erlaubt diese Taktik.
Sind 50 Mio. Fr. eine gute Grösse, haben Sie die kritische Masse?
Mit unserem Ansatz und Konzept lässt sich auch ein Fondsvolumen um 100 Mio. Fr. gut fahren. So lässt sich ein attraktives Portfolio zusammenstellen. Über 200 Mio. Fr. wird es schwieriger. Die Attraktivität der Aktienanlagen hat uns einen ansehnlichen Zulauf gebracht. Das tägliche, aktive Risikomanagement ist nicht jedermanns Sache. Unsere Kunden überlassen dieses Thema gerne dem Spezialisten. Mit Pair Trades kann ich das Marktrisiko aus gewissen Titeln nehmen. Das hat zur Folge, dass unser Fonds eine deutlich niedrigere Volatilität aufweist als Long-Only-Vehikel, nämlich unter zehn. Eine Volatilität um sieben bis acht erachte ich als adäquat für unsere Investoren, weil diese über genügend Risikofähigkeit verfügen.
Welches sind die grössten Fondspositionen?
Das sind SwissLife, Basilea, AMS, Lonza (LONN 100.4 5.35%), Metall Zug (METN 2586 0%) und OC Oerlikon (OERL 12.85 0%). Insgesamt sind es mit Hedging-Positionen knapp 40. Die Bandbreite reicht von 30 bis 45.
Wie lange halten Sie ihre Positionen?
Ich habe zwei Baskets mit Long-Positionen. Der eine enthält meine besten Ideen mit den Kriterien gut positionierte Gesellschaft, interessante Bewertung und Entwicklungsfähigkeit. Im kleineren Basket bewirtschafte ich Aktien, die ich mit einem Zeithorizont von ein paar Wochen bis drei, in Ausnahmefällen sechs Monaten halte. Mit einem Umschlag von zweieinhalbmal pro Jahr ist der Fonds kein Trading-Vehikel, aber er ist aktiv verwaltet. Die Short-Positionen, ein grosser Teil davon Index-Futures, reduzieren das Netto-Exposure. Aktuell beträgt es 55%.
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