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07:33 Uhr - 10.01.2018

Sogar der «Permabär» wird zum Börsenbullen

Der Dauer-Börsenpessimist Albert Edwards gibt vorerst auf – und wechselt die Seiten. In Japan sieht der Querdenker «ausserordentlich gute Kaufchancen».

Der  traditionelle jährliche Ausblick von Albert Edwards, dem etwas eigensinnigen Strategen von Société Générale (GLE 0 0%), gehört Anfang Januar in London zu den Veranstaltungen, die Anlageprofis nicht verpassen wollen.

Denn Edwards zählt zu den wenigen Querdenkern in der Finanzbranche, die eine Meinung vertreten dürfen, die zuweilen gar der des eigenen Arbeitgebers widerspricht. Solche Einschätzungen hören auch solche Banker gern, die sie grundsätzlich nicht teilen. Doch auch sie wollen auf eine solche Zweitmeinung nicht verzichten.

Zum Investieren genötigt

Und Edwards ist immer wieder für eine Überraschung gut – wie sein neuester Abstecher ins Lager der Bullen zeigt, der Anleger also, die auf weiter steigende Kurse setzen. «Bären», so sagt Edwards, «werden derzeit geradezu genötigt, am Bullenmarkt zu partizipieren.»

In den vergangenen zwölf Monaten konnten viele grössere Indizes ihren Stand um bis zu ein Viertel erhöhen. Er könne derzeit keinen Trigger erkennen, der eine Gegenbewegung an den Märkten auslösen würde, sagt Edwards.

Dennoch gibt es für ihn nur einen Aktienmarkt, der für ein Long-Investment überhaupt in Frage kommt. «Es fällt mir schwer, dies zu sagen», meint der SocGen-Stratege, «aber ich bin tatsächlich bullish für japanische Aktien.»

Umdenken bei Investoren

Die Hauptgründe für ihn sind der deutlich verbesserte Arbeitsmarkt, in dem die Frauen integrierter denn je sind, das über die vergangenen Jahre deutlich gestiegene Haushaltseinkommen und, noch wichtiger, Anzeichen von anziehender Inflation. «Die Japaner glauben allmählich wieder an Teuerung, das ist eine bemerkenswerte Entwicklung», sagt Edwards.

Gleichzeitig findet unter ausländischen Investoren allmählich ein Umdenken statt. «Japan war für Investoren bislang meist eine Yenwette gewesen. Ein schwacher Yen war Garant für steigende Gewinne der Exportindustrie, ein starker Yen bewirkte das Gegenteil», so Edwards. Doch nun würden sich Investoren immer mehr auf die positive Gewinnentwicklung bei den Unternehmen fokussieren.

Der von Edwards’ Strategieteam mit Abstand bevorzugte Sektor sind Finanztitel, die in Japan deutlich unterbewertet sind. Ebenfalls positiv gestimmt sind er und seine Kollegen für den Konsumgüterbereich sowie Industrievaloren.

Eiszeit-Theorie bleibt gültig

Dieser temporäre Ausritt ins Lager der Bullen ändert nichts an seiner grundsätzlichen Auffassung. Seit gut zwanzig Jahren warnt der streitbare Brite vor einer sogenannten Eiszeit an den Finanzmärkten, die langfristig Niedrigzinsen und fallende Aktienkurse mit sich bringt.

Er vergleicht die heutige Lage der Industrieländer mit der von Japan in den vergangenen Jahrzehnten. Tatsächlich ist die Entwicklung aus zeitverschobener Sicht überraschend ähnlich. Sie zeigt auf, wie die Bewertung von Aktien gegenüber Obligationen allmählich günstiger wird – trotz zwischenzeitlichen Ausreissern wie in den vergangenen Jahren.

Für Edwards deuten die Signale denn auch auf ein Ende des laufenden Konjunkturzyklus hin. An den Finanzmärkten nähert sich nach jahrelanger Zurückhaltung die Zuversicht allmählich der Euphorie, wie Daten von US-Investorenorganisationen zeigen.

Verschlechterte Bilanzqualität bei Unternehmen

Während die Gewinnmargen der Firmen unter Druck stehen, wird weiterhin viel Fremdkapital eingesetzt. So ist es seit Sommer 2017 zu verschiedenen Zwischenfällen bei Unternehmen gekommen, die eine Bilanzsanierung nach sich zogen. Zuletzt war der südafrikanische Möbelhersteller Steinhoff betroffen. Die in Frankfurt kotierte Gesellschaft hat in nur drei Wochen über 90% des Börsenwerts eingebüsst.

Solche Vorfälle werden sich laut Edwards in naher Zukunft häufen, da die Qualität der Unternehmensbilanzen sich drastisch verschlechtert habe. Gerne erwähnt er in Gesprächen eine Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF), die bei 20% der US-Gesellschaften eine Insolvenz befürchtet, sollten die Zinsen deutlich steigen.

Umso überzeugter zeigt er sich von japanischen Gesellschaften. Wohl an keinem anderen Ort finde man derzeit Unternehmen mit starker Bilanz und tiefer Bewertung, meinte Edwards in seinem Ausblick. Ironischerweise hat der Aufschwung in Japan – dem Land, das seiner Theorie als Blaupause dient – seine Erwartungen im wahrsten Sinn des Wortes vorerst auf Eis gelegt.

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