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10:08 Uhr - 19.11.2018

Was Korea der Abschwächung entgegnet

Die Exportmaschine ist von einer guten Weltkonjunktur abhängig. Die Regierung sucht Wachstumsquellen im Inlandkonsum – und in der Öffnung Nordkoreas.

Es ist ein milder Novemberabend, Dutzende Senioren haben sich in der Innenstadt von Seoul versammelt; sie skandieren «Moon out». Es ist ein Protest gegen den angeblichen Schmusekurs von Moon Jae-in, dem südkoreanischen Präsidenten, gegenüber Nordkorea. Dazu schwenken sie Plakate mit den Gesichtern Donald Trumps und der 2017 abgesetzten Präsidentin Park Geun-hye.

Moon wird solchen Demonstrationen wenig Aufmerksamkeit schenken. Besonders die jüngeren Koreaner stehen hinter seinem Annäherungskurs zum Norden. Dass Moons Popularität nachlässt, hängt denn auch an der Wirtschaftslage.

Zwar erscheint das Wachstum mit 2% gegenüber dem Vorjahr auf den ersten Blick hoch – doch ist es die langsamste Expansion seit dem Krisenjahr 2009. Auch die Arbeitslosenquote ist mit 3,5% enttäuschend: So hoch war sie in einem Oktober zuletzt 2005. Die Börse zeigt sich skeptisch (vgl. Artikel rechts).

Die linksgerichtete Regierung von Moon will zwar Deregulierung und Innovation fördern. Doch konkreter – und von vielen Beobachtern kritisiert – wirkt die Politik, den Inlandkonsum und die Staatsausgaben anzuschieben.

Der öffentliche Dienst soll ein Drittel mehr Angestellte erhalten, der Mindestlohn soll von 2017 bis 2022 um 50% steigen. Ziel ist ein Wachstum, das vom «Einkommen angeführt» wird. Moon hat letzte Woche den kritischen Finanzminister ausgetauscht. Der neue Minister Hong Nam-Ki äusserte sich erst einmal vorsichtig: «Das nächste Jahr könnte schwierig werden.»

Handel bleibt dominant

Bisher bleibt das Land von Exporten abhängig – und leidet daher unter dem schwächelnden Wachstum in China. Dazu kommen drohende höhere Zölle für Ausfuhren in die USA. Mit ihrem Fiskalstimulus will die Regierung den Wachstumsgefahren entgegenwirken, meinen Analysten der Bank Société Générale. Für die Notenbank ist es trotz anziehender Inflation schwierig, die Zinsen zu erhöhen – das würde den Stimuluseffekt dämpfen.

Besonders die Abhängigkeit von der bisher boomenden Halbleiterproduktion macht Sorgen. «Wegen der Abhängigkeit vom Wachstum in Halbleitern und wenigen anderen Schlüsselindustrien ist die Wirtschaft anfällig für Schocks», glauben Ökonomen der OECD. Aus der Halbleiterindustrie kamen in der ersten Jahreshälfte 2017 80% aller Unternehmensinvestitionen und 20% aller Exporte.

Der Handelsstreit zwischen den USA und China könnte sich als «Glück im Unglück» für ostasiatische Länder wie Korea herausstellen, meinen Ökonomen von BofA Merrill Lynch. Firmen könnten ihre Produktion aus China verlagern, um US-Importbarrieren auszuweichen. Taiwan, Vietnam und Korea haben die grösste Ähnlichkeit mit dem Exportprofil Chinas  – und damit die besten Chancen.

Lee Hojoon vom Handelsministerium ist gegenüber FuW davon aber nicht überzeugt: «Unternehmen könnten Korea zwar als attraktives Ziel für Investitionsverlagerungen wegen des Handelsstreits sehen. Doch bisher fehlen Daten, dass sich die Lage signifikant ändert.» Insgesamt profitiere Korea jedoch von stetig steigenden Auslanddirektinvestitionen.

Innovationen sollen neue Wachstumsquellen für die Wirtschaft erschliessen.  Besonders Start-ups und kleine Unternehmen werden von der neuen Regierung gefördert. Unter dem Überbegriff «vierte industrielle Revolution» plant ein Komitee unter dem Präsidenten eine Gesamtstrategie zur Aufrüstung der Industrie mit «intelligenter Technologie».

Cho Haekeun, Planungschef des überministeriellen Komitees, strebt einen Kulturwandel an: Man wolle «bottom-up» durch Debatten unter betroffenen Parteien die Regulierungen reformieren und so mehr Wachstum ermöglichen. Beispiele sind Fintech und der Gesundheitssektor. Während Korea hochinnovativ ist, ist die Regulierungsdichte für Produkte eine der höchsten in der OECD. Bürger sollen schnell von «spürbare Verbesserungen» profitieren, sagt Cho. Der Weg dorthin seien «Smart Cities» – eng vernetzte und hochtechnologisierte Dienstleistungen der Stadtverwaltungen, die bisher in einigen Pilotprojekten getestet werden.

Nordkorea als Impulsgeber?

Selbst die Annäherung an Nordkorea soll wirtschaftliche Impulse bringen. «Unser Potenzialwachstum sinkt stetig, wir brauchen neue Wachstumsquellen», erklärt Hong Jaensuk vom Vereinigungsministerium. Annäherung soll die materiellen Bedingungen verbessern, die bessere Wirtschaftslage dann wiederum den Friedensprozess anstossen. Neben einem gemeinsamen Markt mit dem Norden und einem Tourismusgebiet im bisherigen Grenzverlauf sollen Strassen und Bahnverbindungen nach Russland und China das Wachstum anschieben.

Doch das sind bisher nur Visionen des Südens. «Wir loten aus, was trotz internationaler Sanktionen an Kooperation schon möglich ist», sagt Hong. Die scheint aber ganz am Anfang zu stehen: «Wir führen mit dem Norden Besichtigungen durch, um die Gegebenheiten vor Ort zu klären.»

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