Vor zwanzig Jahren hat Japans Notenbank den Leitzins auf null gesetzt. Manche Ökonomen sehen für einige Länder einen langfristigen Trend fallender Zinsen.
Zufall oder nicht? Vor zwanzig Jahren, im Februar 1999, hat die japanische Notenbank den Leitzins auf null reduziert. Das war auch der Zeitpunkt, als die Erwerbsbevölkerung des Inselstaats erstmals gesunken ist. Ökonomen vermuten, dass das Zinsniveau mit demografischen Trends zusammenhängt.
Japan hätte dann nicht nur bei der Geldpolitik eine Pionierrolle eingenommen. Ökonomen der Bank of Japan erklären in einer Studie: «Früher oder später wird ein durch die Demografie ausgelöster Rückgang der Realzinsen andere entwickelte Länder betreffen.» Real bedeutet, dass die Inflation abgezogen wird.
Die Entwicklung des Alters und der Zusammensetzung der Bevölkerung beeinflusst Spar- und Investitionsentscheidungen in einer Volkswirtschaft. Als Preis des Geldes sollte der Zins Ersparnisse und Investitionen in ein Gleichgewicht bringen.
Vom Lebenszyklus her sollte die arbeitende Bevölkerung mehr sparen – das würde den Zins senken. Dagegen würden Rentner ihre Ersparnisse auflösen. Mit zunehmender Lebenserwartung könnte die Sparquote steigen, da auf eine längere Pensionszeit angespart werden muss. Durch den Effekt auf die wirtschaftliche Dynamik könnte eine alternde Bevölkerung auch die Investitionen – die Nachfrage nach Kapital – beeinflussen.
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft hat den langfristigen Trend der Realzinsen mit Daten verschiedener Industrieländer statistisch nachgebildet. Als Faktoren berücksichtigt sie den Abfluss von Kapital, das Defizit im Staatshaushalt und das Wirtschaftswachstum.
Als demografische Variablen wurden herangezogen: die Lebenserwartung, das Wachstum der Erwerbsbevölkerung und das Abhängigkeitsverhältnis – wie hoch also das Verhältnis von Jungen und Senioren zur Erwerbsbevölkerung ist. Die Demografie wirkt signifikant: «Jedes zusätzliche Jahr an Lebenserwartung reduziert den Realzins um 1,036 Prozentpunkte.» Auch das Wachstum der Erwerbsbevölkerung hat einen negativen Einfluss auf die Realzinsen – wobei Ersparnisse wie auch Investitionen dadurch erhöht werden.
Die Autoren sehen zwei Anwendungen ihrer Arbeit. So kann man schätzen, wie stark die lockere Geldpolitik das Zinsniveau vom Gleichgewichtszins entfernt hat, und auch, wie sich die Zinsen künftig entwickeln könnten. Momentan sind die Realzinsen wegen der expansiven Geldpolitik in Eurostaaten wie Österreich und Deutschland zwei Prozentpunkte zu niedrig. In den USA ist der Effekt geringer.
Für die Zukunft wurde die Projektion der demografischen Veränderung auf die Zinsentwicklung übertragen. Dabei würde für Deutschland das Zinsniveau erst steigen, sofern die Europäische Zentralbank ihre expansive Politik zurückfährt. Doch danach würde der Realzins wieder sinken.
Während in Deutschland der Zins auf null sinkt, ist er in anderen Ländern deutlich tiefer. In Dänemark und Luxemburg wäre gemäss Modell gar ein extremes Tief von etwa –4% im Jahr 2050 erreicht. In Grossbritannien würde der Zins auf –3,5% fallen, in den USA auf –1,9%. Dagegen könnte sich der Realzins in Japan erholen. In zwanzig Jahren läge das Zinsniveau bei 1,2%. Der Grund dafür: Die weitere Abnahme der Erwerbsbevölkerung würde zu einem Abbau von Ersparnissen führen.
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