Dank der Exporte wird Spaniens Wirtschaftsleistung dieses Jahr das Niveau von 2008 übertreffen. Doch die Arbeitslosigkeit sinkt nur langsam.
Spanien hat es geschafft. Neun Jahre nach dem Platzen der Immobilienblase ist das Bruttoinlandprodukt (BIP) wieder auf dem Niveau von 2008. Genau genommen wird erst der 28. Juli das Ende der Krise markieren, wenn Madrid die BIP-Zahlen zum zweiten Quartal veröffentlicht. Auch der Internationale Währungsfonds lobt Spaniens «beeindruckende Erholung.» Davon können andere Krisenstaaten der Eurozone nur träumen. In Italien etwa liegt das BIP weit unter Vorkrisenniveau.
Besonders eindrücklich ist die Art und Weise, wie Spanien auf den Wachstumspfad zurückgekehrt ist. Denn die Erholung fusste nicht auf einem kreditfinanzierten Bau- und Immobilienboom wie Anfang der Nullerjahre, sondern auf einer schmerzhaften inneren Abwertung und einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und aufblühenden Exporten.
Neues Wachstumsmodell
Ein Diagramm des britischen Research-Instituts Oxford Economic mit den Dimensionen Wirtschaftswachstum und Leistungsbilanzsaldo zeigt diese Transformation eindrücklich. Im Quadranten unten rechts wächst die Wirtschaft auf Pump, die Leistungsbilanz, die von der Handelsbilanz dominiert wird, ist im Defizit. Das zeichnet die Boom-Jahre von 1999 bis 2008 aus.
Dann führt der Weg in den Sektor unten links. Das Wachstum bricht zusammen, das Leistungsbilanzdefizit schrumpft. Die Nachfrage kollabiert, die Importe gehen zurück, aber bald beginnen sich die die Exporte zu erholen. Die Folge ist ein Überschuss im Aussenhandel ab 2012. Im Segment oben links ist das Land immer noch in einer Rezession, doch die Leistungsbilanz ist wegen des Importkollapses im Plus.
2014 ist die Exportdynamik genug stark, dass die Arbeitslosigkeit zu sinken beginnt und sich auch die Binnennachfrage erholt. Spanien bewegt sich in den oberen Sektor rechts. Die Wirtschaft wächst wieder bei gleichzeitigem Überschuss in der Leistungsbilanz, wie man es von der Schweiz oder Deutschland kennt.
Oxford Economics schätzt, dass Spaniens Exporte dieses Jahr einen Wert von 370 Mrd. € erreichen, fast 100 Mrd. mehr als 2008. Die Investitionen fliessen nicht mehr vorrangig in die Immobilien- und Bauwirtschaft, sondern in produktivere Segmente.
Die chronisch niedrige Arbeitsproduktivität hat sich dadurch in den letzten zwei Jahren deutlich verbessert. «Spanien hat gezeigt, dass ein erfolgreicher, wenn auch schmerzhafter, Anpassungsprozess auch innerhalb einer Gemeinschaftswährung möglich ist», fasst es Studienautor Angel Talavera zusammen. Das könnte den Populisten in anderen Euroländern, die das Heil ausserhalb der Währungsunion sehen, den Wind aus den Segeln nehmen.
Unterstützende Reformen
Den Grundstein für Spaniens Krisenbewältigung legte das EU-Rettungsprogramm für die spanischen Banken im Sommer 2012, das eine Notkredit-Fazilität von 100 Mrd. € umfasste. Ein Grossteil der faulen Kredite wurde in eine Bad Bank ausgegliedert, die Banken wurden Stresstests unterzogen und rekapitalisiert. Heute stehen die spanischen Institute verhältnismässig gut da.
Der Anteil notleidender Kredite am Gesamtkreditportfolio ist auf den OECD-Schnitt von etwas weniger als 6% gefallen. Im letzten Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) im Sommer 2013 haben die sechs grossen Banken die Eigenkapitalanforderungen erfüllt. Ein gesunder Bankensektor ist die Grundbedingung für eine wirtschaftliche Genesung. Seit 2014 werden wieder mehr Kredite an Unternehmen vergeben.
2012 war auch die Geburtsstunde der Arbeitsmarktreform. Der Kündigungsschutz wurde gelockert. Zudem müssen sich die Unternehmen seit 2012 nicht mehr an Tarifverträge der Branche halten. Ein wichtiger Bestandteil der Strukturreformen waren auch Steuermassnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten. Eine Folge der Reformen war, dass die Lohnkosten nicht stiegen und im Vergleich zu anderen Ländern sogar sanken und spanische Produkte wettbewerbsfähiger wurden. Das ermöglichte das Exportwunder der vergangenen drei Jahre. Natürlich wären die Bemühungen umsonst gewesen, wenn sich die Weltwirtschaft nicht erholt und sich die Eurozone unter gütiger Mithilfe der EZB nicht stabilisiert hätte.
Die Kehrseite der internen Abwertung und der verbesserten Arbeitsproduktivität ist die hohe Arbeitslosigkeit. Schliesslich wird die Wirtschaftsleistung von 2008 heute mit 2 Mio. Arbeitskräften weniger erreicht. Die Arbeitslosenquote beträgt zwar nicht mehr 26% wie 2013, aber immer noch hohe 18,4%. Vier von zehn Jugendlichen sind ohne Job. Und wer seine Stelle behalten konnte, musste Lohneinbussen hinnehmen. Gemäss Oxford Economics ist die Lohnsumme seit 2008 gemessen am BIP um 3 Prozentpunkte gesunken. Das ist mitunter ein Grund, weshalb der Binnenkonsum sich nur schleppend erholt.
Ein zweiter wunder Punkt ist die Staatsverschuldung. Trotz kräftigem Wachstum ist die Schuldenquote in den vergangenen drei Jahren nicht gesunken. Auch für dieses Jahr rechnen die Ökonomen von Société Générale (GLE 49.555 -0.93%) mit einem Defizit von mehr als 3% des BIP, wodurch die Staatsschuldenquote auf über 100% steigen würde. Bislang scheint das die Anleihenmärkte aber nicht zu stören: Der Renditeaufschlag gegenüber zehnjährigen deutschen Anleihen beträgt rekordtiefe 1,1 Prozentpunkte.
An der Börse blieb Spaniens wirtschaftliche Erholung lange unbeachtet. In den Jahren 2015 und 2016, als der Dax-Kursindex Boden gut machte, schloss der Ibex 35 mit Verlusten. Das hing aber auch damit zusammen, dass die Unternehmen im spanischen Leitindex nur ein Drittel in Spanien umsetzen, weniger als in Amerika, wo vor allem das Südamerikageschäft der Grossbanken BBVA und Santander ins Gewicht fällt. Erst dieses Jahr hat der spanische Aktienmarkt Fahrt aufgenommen und mit einem Plus von 15% die europäische Konkurrenz abgehängt.
Spanische Aktientipps:
» Viscofan
» Caixabank
» Aena
» Inditex
Um die Wurst
«Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei», lautet eine alte Redewendung. Kein Ende scheint dagegen die Rally der Aktien von Viscofan (VIS 54.4 -0.87%) zu haben, dem weltweit führenden Hersteller von künstlichen Wursthüllen aus der Nähe von Pamplona.
Viscofan ist seit Jahren einer der Börsenlieblinge auf der iberischen Halbinsel und taucht regelmässig auf Listen der Qualitätsaktien auf. Kein Wunder: Das 1975 gegründete und seit 1986 in Madrid kotierte Unternehmen besticht durch stetiges Wachstum, einer gesunden Bilanz und einer Ebitda-Marge von 28%.
Selbst in einem schwierigen Umfeld wie 2016, als der wichtige Absatzmarkt Brasilien in einer Rezession war, ging der Gewinn nur wenig von 214 auf 204 Mio. € zurück. Doch diese Kerbe ist bereits ausgewetzt, und für dieses Jahr rechnen die Analysten mit einem kräftigen Gewinn- und Umsatzwachstum. Deshalb ist auch ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 nicht übertrieben.
Reflationswette
Von der Erholung der spanischen Wirtschaft profitieren vor allem die Banken, sofern sie die Altlasten abgebaut haben und sie auch vorwiegend im Inland tätig sind. Genau das trifft auf Caixabank (CABK 4.161 -1.4%) zu.
Morgan Stanley (MS 41.66 -0.33%) hat die Grossbank zum Top Pick gekürt: Dank der Erholung der Immobilienpreise verbessere sich die Qualität der Aktiva laufend, und es werden weniger Rückstellungen nötig. Caixabank hat auch als Einzige im ersten Quartal das Netto-Zins-Einkommen steigern können. Die Zinsentwicklung stimmt auch für die Zukunft optimistisch.
Schliesslich dürften die Geldmarktzinsen mit dem absehbaren Ende der lockeren Geldpolitik der EZB steigen. Gemäss Barclays (BARC 213.35 0.16%) profitieren spanische Banken besonders davon, weil sie im Hypothekargeschäft die höheren Zinsen rein mechanisch an die Kunden weitergegeben werden. Leider haben das viele Investoren bereits erkannt. Caixabank-Aktien sind dieses Jahr bereits um ein Drittel gestiegen.
Spanisch pur
Wer mit einer Anlage 100% Spanien ins Depot nehmen will, kommt an den Aktien des staatlich kontrollierten Flughafenbetreibers Aena (AENA 170.8 0.29%) nicht vorbei. Denn Aeropuertos Españoles y Navegación Aérea ist ein «mononationales» Unternehmen, das praktisch den gesamten Umsatz in seinem Heimmarkt erzielt.
Gemessen an den Passagierzahlen ist Aena der grösste Flughafenbetreiber der Welt und besitzt mit Madrid und Barcelona zwei der zehn grössten Flughafen der EU. Vier von fünf Spanien-Touristen reisen über einen von Aena betriebenen Flughafen ins Land. Nach einem starken ersten Quartal erwartet Morgan Stanley für dieses Jahr einen Gewinnanstieg um 7% zum Vorjahr.
Der Aktienkurs hat sich seit dem Börsengang 2015 ohne grössere Korrektur fast verdreifacht. Die Luft wird langsam dünner, auch wenn ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 derzeit branchenüblich ist. Ein Kursrückschlag wäre eine Kaufgelegenheit.
Teurer Stoff
Die Kleider der Bekleidungskette Zara stehen weniger für hohe Qualität sondern für die neuste Mode zu erschwinglichen Preisen. Die Aktien des Mutterkonzerns Inditex (ITX 36.34 1.13%) sind genau das Gegenteil: keine kurzfristige Modeerscheinung und von höchster Qualität, aber sündhaft teuer.
Nach einem weiteren Rekordjahr sind Anleger unterdessen bereit, für die Inditex-Gewinne das 34-Fache zu bezahlen. Anhand der geschätzten Gewinne für 2017 beträgt das KGV 30. Die Aktien eignen sich also nur für Anleger, die bereit sind, für hohe Qualität den entsprechenden Preis zu bezahlen und darüber hinaus überzeugt sind, dass Inditex sich richtig auf den Trend zum Onlineshopping eingestellt hat.
Zara-Online wurde 2010 lanciert, der Umsatzanteil soll sich gemäss Schätzungen 2016 auf 9% verdoppelt haben. Mit der spanischen Konjunktur haben Inditex aber nicht viel zu tun. Weniger als ein Fünftel des Umsatzes entfällt auf den Heimmarkt.
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