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16:01 Uhr - 06.10.2015

Ein Staatsschreiber als liberaler Herausforderer

Der designierte Direktor von Avenir Suisse tritt zwar in grosse Fussstapfen, nimmt die Aufgabe aber hochmotiviert an. Dass er vom öffentlichen Dienst kommt, muss kein Nachteil sein.

Auf den ersten Blick überrascht die Wahl: Der liberale Think Tank Avenir Suisse hat als Nachfolger von Gerhard Schwarz den in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Peter Grünenfelder gewählt. Zudem ist der neue Mann ein Top-Verwaltungsmanager. Beamte gelten eher selten als dynamisch vorwärts blickende, liberale Köpfe. Auf den zweiten Blick allerdings wirkt die Wahl überzeugend. Grünenfelder, Staatsschreiber des Kantons Aargau, entspricht nicht dem Zerrbild des verstaubten Bürokraten, der alles so macht, wie es schon immer gewesen ist. Er hat sich im Gegenteil in seinen verschiedenen Positionen als Reformer profiliert und verfügt über einen gut gefüllten Schulsack.

Der amtierende Direktor Gerhard Schwarz geht per April 2016 in Pension, auf dieses Datum übernimmt Grünenfelder als Direktor. Avenir Suisse versteht sich als Think Tank, der marktwirtschaftlichen Werten verpflichtet ist. Damit ist er, neben dem Liberalen Institut, die einzige Organisation in der Schweiz, die als Lobby des Liberalismus verstanden werden kann. Avenir Suisse ist getragen von einem Kreis privater Förderer sowie von über 100 Schweizer Unternehmen. Darunter Schwergewichte wie ABB (ABBN 17.84 1.25%), Clariant (CLN 17.33 2.24%), Roche (ROG 261.3 0.31%) (RO 263.25 0%) oder Nestlé (NESN 74.9 0.27%).

Avenir Suisse will Themen frühzeitig erkennen und entsprechende Denkanstösse vermitteln. Dabei steht das marktwirtschaftliche Gedankengut stets im Zentrum. Dem gegenwärtigen Leiter Gerhard Schwarz ist es in seiner fünfjährigen Amtszeit gelungen, das Profil der Organisation entsprechend zu schärfen. Dabei vermeidet es die Organisation, ­direkt in die Tagespolitik einzugreifen. Avenir Suisse versteht sich als unabhängig im Sinn der Freiheit von Interessenbindungen und dennoch nicht als neutral – die Verpflichtung gilt dem liberalen Denken und Handeln.

Der 48-jährige Grünenfelder hat in ­St. Gallen Betriebswirtschaft studiert und den Doktortitel erworben. Nach dem Studium machte er als redaktioneller Mitarbeiter der Zeitschrift «Schweizer Arbeitgeber» einen kurzen Ausflug in den Journalismus. Nach je einem Jahr als Stabsmitarbeiter der Stadtregierung von Christchurch, Neuseeland, und auf dem Parteisekretariat der FDP Schweiz wechselte Grünenfelder 1997 zur Staatskanzlei des Kantons Zürich.

Ein Jahr später avancierte er zum persönlichen Mitarbeiter des damaligen Regierungsrats Ernst Buschor und war ab 1999 für die Zürcher Regierungsreform verantwortlich. Er stiess 2001 als Departementssekretär zum Polizeidepartement der Stadt Zürich und wurde gleichzeitig Delegierter für die Verwaltungsreform der Stadt. Seit 2004 amtiert er als Staatsschreiber des Kantons Aargau. Grünenfelder ist auch Präsident der schweizerischen Staatsschreiberkonferenz und Generalsekretär der Gesellschaft für Verwaltungswissenschaften.

In seinen bisherigen Aktivitäten hat sich Grünenfelder einen sehr guten Ruf als offener und umsichtiger Verwaltungsmanager und hartnäckiger Modernisierer erworben. Als Makel könnte die fehlende Erfahrung in der Privatwirtschaft ausgelegt werden. Er selbst sieht das nicht so. Avenir Suisse steht für ihn im Beziehungsdreieck zwischen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft gleichsam in einer «Schnittstellenfunktion». Da sind nicht nur Wirtschaftskenntnisse gefragt.

Grünenfelder, der vom Nominationsausschuss angefragt worden war, freut sich auf den neuen Job. Er sieht Avenir Suisse als «Bannerträger des liberalen Gedankenguts, welcher der Politik den Spiegel vorhält» – das ist bisweilen bitter nötig. Auf Schwerpunktthemen legt er sich noch nicht fest. Er will, dass Avenir Suisse als «liberale Stimme» wahrgenommen wird und er setzt sich zum Ziel, «langfristige Reformperspektiven in den wichtigsten Politikfeldern» verstärkt in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Das kann als Intensivierung des Reformelans in der bisherigen Ausrichtung von Avenir Suisse interpretiert werden.

In der Freizeit bewegt sich Grünenfelder oft, auf dem Velo oder beim Joggen. Er ist auch Hobbyfussballer und hütet das Tor des FC Grossrat. Zudem liebt er es, sich beim Jassen zu entspannen – bodenständig, aber nicht konservativ.

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