Zurück zur Übersicht
07:44 Uhr - 08.06.2018

Das sind Amerikas Top-Verdiener

Die Löhne amerikanischer Konzernchefs steigen ins Exorbitante. Am meisten Geld kassieren CEO von mittelprächtigen Unternehmen.

Es sind Beträge, die sich dem Vorstellungsvermögen des Normalverdieners entziehen: 103 211 163 $ – also 103 Mio. $ – hat der bestbezahlte Chef eines Unternehmens aus dem US-Leitindex S&P 500 vergangenes Jahr als Lohn erhalten. Erstmals seit 2014 ist das höchste Gehalt damit über 100 Mio. $ gestiegen.

Der Empfänger leitet aber nicht etwa ein weltweit renommiertes Topunternehmen wie Apple (AAPL 190.755 -1.4%), ExxonMobil (XOM 82.99 0.13%) oder Goldman Sachs (GS 233.015 -0.19%). Kassiert hat es Hock Tan, der Chef des in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannten Chipherstellers Broadcom (AVGO 257.19 -2.83%).

Andere Spitzenverdiener stehen ebenfalls bloss mittelprächtigen Konzernen vor, wie Daten des Researchdiensts Equilar zeigen. Die Nummer zwei unter den meistbezahlten US-CEO ist Leslie Moonves beim TV-Netzwerk CBS (68 Mio. $), gefolgt von Nicholas Howley beim Flugzeugzulieferer TransDigm (61 Mio. $), Jeffrey Bewkes beim Medienhaus Time Warner (TWX 95.33 -0.04%) (49 Mio. $) und Stephen Kaufer beim Online-Reisebüro TripAdvisor (43 Mio. $).

Wachstum variiert

«Dieser Trend hält bereits seit einigen Jahren an», sagt Carola Frydman, Finanzprofessorin an der Northwestern University. «Den grössten Lohnzuwachs haben in den letzten Jahren vor allem Chefs von Gesellschaften verzeichnet, die grössenmässig im mittleren und im hinteren Drittel des S&P 500 rangieren.» Bei den absolut grössten Konzernen hingegen würden die Saläre seit gut fünfzehn Jahren nur noch langsam zunehmen oder sogar stagnieren.

Dennoch sahnt auch die Avantgarde von Corporate America eklatante Gehälter ab. Disney-Chef Robert Iger beispielsweise hat letztes Jahr 36 Mio. $ erhalten. Im Fall von Jamie Dimon bei JPMorgan Chase (JPM 110.64 -0.14%) sind es über 28 Mio. $, und Ian Read beim Pharmakoloss Pfizer (PFE 36.69 0.55%) kommt auf gut 26 Mio. $. Zu den bestbezahlten Frauen gehören Indra Nooyi bei PepsiCo (PEP 102.17 1%) mit 26 Mio. $, Mary Barra bei General Motors (GM 44.285 0.62%) mit 22 Mio. $ und Marillyn Hewson bei Lockheed Martin (LMT 318.54 -1.06%) mit 20 Mio. $. Im Mittel hat der oder die CEO eines S&P-500-Konzerns 2017 rund 13,3 Mio. $ eingesteckt. Das sind gut 4% mehr als ein Jahr zuvor.

Ausser dem CEO-Gehalt müssen Konzerne neu ausweisen, wie gross der Unterschied zum Durchschnittslohn ist – eine Auflage, die im Zug der Finanzkrise verabschiedet wurde, aber erst jetzt zum Tragen kommt. Ein typischer Angestellter in den USA müsste demnach 164 Jahre arbeiten, um so viel zu verdienen wie sein oberster Chef in zwölf Monaten. Besonders gross ist das Gefälle bei Konzernen aus dem Retail-Sektor wie McDonald’s (MCD 169.91 0.25%) und Gap, wo es 3100 respektive 2900 Jahre sind.

Selbst Topverdiener aus dem Hochlohnland Schweiz können nicht mit ihren Kollegen aus Übersee mithalten. Severin Schwan beim Pharmariesen Roche (ROG 208.9 -0.52%) zum Beispiel hat letztes Jahr als meistverdienender CEO eines SMI-Konzerns knapp 16 Mio. Fr. erhalten, gefolgt von UBS-Chef Sergio Ermotti (15 Mio. Fr.) und Novartis-Leiter Joseph Jimenez (13 Mio. Fr.). Gemäss dem Datendienst Bloomberg rangieren die CEO-Saläre in den USA weltweit an der Spitze, wonach mit einigem Abstand die Schweiz, die Niederlande sowie Grossbritannien kommen.

Hüben wie drüben stossen die exorbitanten Gehälter auf Kritik. «In der Theorie bestimmen zwar die Aktionäre den Lohn des CEO. In der Praxis handelt es sich jedoch um einen enorm korrupten Prozess, wobei die Situation in den USA weit desolater ist als in jedem anderen Land», sagt Dean Baker von der Denkfabrik Economic Policy Institute. «Auch wenn der CEO nur eine mässige Leistung bringt, hat das Kontrollgremium meist keinen Anreiz, ihm den Lohn zu kürzen.»

«Obskure Klauseln»

Hinzu kommen weitere Faktoren. So ist der aktienbasierte Anteil am Gehalt eines CEO in den USA in der Regel deutlich höher als in anderen Staaten. «In den Anstellungsverträgen gibt es ausserdem oft obskure Entschädigungsklauseln», sagt Louis Hyman, Wirtschaftshistoriker an der Cornell University. Auch seien US-Konzerne im internationalen Vergleich tendenziell grösser, was für das Gehalt des Chefs eine wichtige Rolle spiele.

Aus Anlegersicht entscheidend ist, dass der Lohn des CEO längst kein Garant für die Performance an der Börse ist. Obwohl zum Beispiel TripAdvisor-Chef Kaufer zu den höchstbezahlten Firmenchefs zählt, haben die Titel letztes Jahr mehr als 25% eingebüsst. Zum Vergleich: Der S&P 500 hat nahezu 22% gewonnen. Auch Unternehmen anderer Topverdiener schneiden zum Teil enttäuschend ab.

Im Gegensatz dazu weisen einige der Chefs mit dem – zumindest für 2017 – tiefsten Lohn feudale Renditen aus. Die Aktien von Amazon (AMZN 1681.71 -0.45%) etwa sind nahezu 60% avanciert, obschon Gründer und CEO Jeff Bezos mit 1,7 Mio. $ ein relativ bescheidenes Gehalt bezieht. Ähnliches gilt für Google-Chef Larry Page und Starinvestor Warren Buffett bei Berkshire Hathaway (BRK.A 291645.48 -0.43%).

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.