Die starke Ausrichtung auf den Automobilsektor kostet Umsatz.
Ems-Chemie (EMSN 570.5 -0.95%) klingt besorgt. Der Grund dafür liegt nicht allein im erwartungsgemäss scharfen Umsatzrückgang von 17,8 bzw. von 12,8% ohne Währungs- und Devestitionseinflüsse, den der Spezialist für Hochleistungskunststoffe im Auftaktquartal hinnehmen musste. Auch im Blick nach vorn meldet die Gesellschaft Bedenken an.
«Das gesamte Geschäftsjahr 2020 wird durch den aktuellen weltweiten Wirtschaftseinbruch beeinträchtigt bleiben», hält Ems in der Umsatzmeldung fest. Der massive Einbruch bei Unternehmen und der Rückgang der verfügbaren Einkommen würden die Nachfrage auch nach einer Rückkehr zu normalen Verhältnissen – nach überstandener Coronapandemie – stark drücken.
Keine V-förmige Erholung
Anders gesagt, angesichts der enormen wirtschaftlichen Schäden, die mit Covid-19 einhergehen, ist eine V-förmige Erholung der Wirtschaft illusorisch.
Wie und wann sich die substanziellen staatlichen Stützungsprogramme der Industrienationen auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken, sei noch unsicher, heisst es weiter. Je nach Ausgestaltung seien punktuell unvermittelt starke Wachstumsschübe denkbar, begleitet von Inflation und Währungsverschiebungen.
Margen nur leicht unter Vorjahr
Unabhängig davon ist schon nach dem ersten Quartal klar, dass die Jahresprognose eines Betriebsgewinns (Ebit) ungefähr auf Vorjahresniveau nicht erfüllt werden kann. Ems-Chemie erwartet deshalb neu einen Wert unter den 624 Mio. Fr. von 2019. Nach Lesart des Unternehmens bedeutet dies einen Rückgang von bis zu 10%.
Eine positive Note im Zusammenhang mit dem Ergebnis setzt Ems dagegen mit dem Satz: «Mittels frühzeitiger und konsequenter Massnahmen konnten die Ebitda- und die Ebit-Marge leicht unter Vorjahr gehalten werden.»
Dass im nicht näher konkretisierten Ergebnis ein nur geringfügig höherer Rückgang als im Umsatz zu verzeichnen war, ist nicht nur Ausdruck hoher Flexibilität, es spiegelt auch weise Voraussicht.
Angesprochen ist unter anderem ein bereits Anfang 2018 eingeleitetes Effizienzsteigerungsprogramm, dann aber auch ein Beschleunigungsprogramm für zusätzliches Neugeschäft, dessen Schwerpunkt in der Intensivierung der Forschungs-, der Entwicklungs- und der Verkaufsaktivitäten liegt.
Franken und Devestition drücken zusätzlich
Mit zur beachtlichen Verteidigung der Margen beigetragen hat allerdings auch eine weitere und vermutlich substanzielle Verringerung der Rohstoffkosten. Eine solche wirkt sich nicht nur rein rechnerisch günstig auf die Margen aus, sondern auch deshalb, weil der Vorteil niedrigerer Rohmaterialkosten jeweils nur mit Verzögerung an Kunden weitergegeben wird, teilweise oder ganz.
Mit einer Drosselung der Produktion, mit Kurzarbeit und anderen Massnahmen (in der Schweiz werden Absatzschwankungen über das Jahresarbeitsmodell aufgefangen) hat sich Ems weitere Entlastung verschafft. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung verzichten auf 15% der Honorare und der Fixsaläre.
Alles in allem meldet Ems unter dem Einfluss «deutlich tieferer Absatzmengen» für das erste Quartal einen Umsatz von 496 Mio. Fr., nachdem es in der Vorjahresperiode noch 604 Mio. waren.
Mit zur Abnahme von knapp 18% beigetragen hat ausser ungünstigen Wechselkurseffekten auch der Verkauf des Bereichs Ems-Patvag per 26. November 2019 – der Umsatzanteil des Geschäfts mit Airbagzündern lag im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
Hauptkundensegment in der Krise
Umsatz gekostet hat die Gruppe vor allem die durch Covid-19 noch erheblich verschärfte Krise der Automobilindustrie. Diese machte im vergangenen Geschäftsjahr noch mehr als 60% des Umsatzes aus. Im ersten Quartal ist sie gemäss Ems ein Viertel eingebrochen.
Darin spiegelt sich in erster Linie der Covid-19-bedingte Produktionsstillstand in China. Dazu kommt ein schon seit einiger Zeit schwaches Geschäft in Westeuropa. Inzwischen hat die Automobilproduktion in China zwar wieder an Fahrt aufgenommen, dafür steht sie seit dem letzten Märzdrittel überall sonst weitgehend still.
Dieser Zustand wird noch einige Woche andauern und dementsprechend auch das Resultat von Ems im zweiten Quartal beeinträchtigen. Allerdings sollte auch nach überstandener Pandemie von der Automobilindustrie nicht viel erwartet werden. Gemäss der Unternehmensberatung Roland Berger wird der Nachholeffekt gering sein, denn in Krisenzeiten gibt es Wichtigeres als einen Neuwagenkauf.
Doch nicht nur die Automobilindustrie leidet. Die fast weltweite Schliessung der meisten Geschäfte und der sich abzeichnende hohe Einkommens- und Arbeitsplatzverlust bringen die Nachfrage nach industriellen Konsumgütern generell fast vollständig zum Erliegen, schreibt Ems.
Liquidität ist gesichert
So gesehen ist ein organischer Umsatzrückgang von knapp 13% durchaus respektabel. Auch wenn das zweite Quartal kaum besser wird, finanziell kann die Gruppe das gut wegstecken. Die krisenfesten Margen gewährleisten einen anhaltend hohen freien Cashflow.
Dazu kommen per Ende 2019 ein luxuriöser Bestand an liquiden Mitteln (253 Mio. Fr. bzw. 11% der Bilanzsumme), eine schuldenfreie Bilanz sowie eine Eigenmittelquote von 75%. Auch das ist Ausdruck davon, dass sich die Strategie mit Spezialitäten im Bereich der Hochleistungspolymere auszahlt.
Chancen mit medizinischen Anwendungen
Dank Innovationskraft, Kundennähe, Entwicklungskompetenz und der Fähigkeit, Marktbedürftnisse rasch aufzunehmen und umzusetzen, eröffnen sich Ems auch in schlechten Zeiten Chancen.
Ein Beispiel sind die ohnehin als Wachstumsfeld definierten Anwendungen im medizinischen Bereich. Derzeit bieten sich hier noch zusätzliche Möglichkeiten, etwa Spezialkunststoffe für Coronateströhrchen, Analysegeräte, Schutzbrillen, Beatmungsmasken und -geräte sowie Desinfektionsmittelfläschchen.
Überdurchschnittlich resistente Aktien
Nach der Publikation der jüngsten Informationen haben die Aktien Ems-Chemie in einem festeren Markt schwächer tendiert. Mit einer Einbusse von rund 10% seit Anfang Jahr haben sie sich aber als überdurchschnittlich resistent erwiesen und besser abgeschnitten als die defensiv geprägten SMI (SMI 9385.62 1.55%) und SPI (SXGE 11458.2 1.47%).
Die FuW-Schätzung für 2020 wird auf 21 Fr. je Titel beibehalten. Daraus ergibt sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis, das mit 27 nach wie vor stattlich ist – und in Verbindung mit den vorerst gedämpften Wachstumsperspektiven wenig Raum für grosse Avancen lässt. Die Empfehlung bleibt daher auf «Halten».
Die komplette Historie zu Ems-Chemie finden Sie hier. »
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