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14:17 Uhr - 31.10.2017

J&J-CEO: «Wir sind global besser aufgestellt als Actelion»

Alex Gorsky, CEO von Johnson & Johnson, sagt, weshalb der US-Konzern der richtige Käufer für Actelion ist und er den Einstieg in die Augenchirurgie nicht über Alcon gewagt hat.

Herr Gorsky, Johnson & Johnson (JNJ 139.41 -0.42%) gehört zu den Lieblingen von Value-Investoren. Das Wachstum der Gesellschaft liegt seit Jahren über dem des Marktes. Woran liegt das?
Wir feiern gerade das 75-jährige Bestehen unseres Credos, das von Robert Wood Johnson, unserem früheren Chairman und Mitglied der Gründerfamilie, geschrieben wurde. Darin ist festgehalten, wie wir verantwortungsvoll mit unseren Anspruchsgruppen umgehen wollen und dem Aktionär dennoch eine angemessene Dividende zugestehen können. Dieses kulturelle Rezept hat bislang ganz gut funktioniert.

Mit Pharma, Medtech und Consumer Care gehören Sie zu den diversifizierten Healthcare-Gesellschaften. Derzeit geht der Trend jedoch eher in Richtung Fokussierung. Ist Ihr Modell zukunftsgerecht?
Die Diversifikation gehört zu unseren Erfolgsfaktoren. Wir haben den Gewinn je Aktie in den letzten 34 Jahren stets gesteigert. In der Vergangenheit hat uns die Performance unserer Divisionen dabei unterstützt, konsequent in Innovationen im gesamten Unternehmen zu investieren.

Wird sich das Gewinnwachstum fortsetzen?
Wir sind überzeugt, dass wir einen guten Plan haben, um weiterhin Wachstum zu erzielen. Derzeit beabsichtigen wir, bis 2021 die Zulassung für mehr als zehn neue Produkte zu beantragen, die das Potenzial haben, einen Umsatz von über 1 Mrd. $ zu erzielen, sowie mehr als fünfzig Erweiterungen bestehender und neuer Medikamente. Über 2021 hinaus wird die Frühphasenpipeline weiterhin bahnbrechende Medikamente liefern und gleichzeitig den Schwerpunkt auf die Beseitigung von Krankheiten durch Prävention, Überwachung und Heilung legen.

Lassen sich zwischen den drei Bereichen auch Synergien nutzen?
Wir können uns beispielsweise durchaus vorstellen, dass medizinaltechnische Produkte künftig für eine gezieltere und damit bessere Wirksamkeit von Medikamenten sorgen könnten.

Und Sie glauben, da zu den führenden Unternehmen zu gehören?
Ja, weil wir als eine der wenigen Gesellschaften in der Branche eine ganzheitliche Sicht auf die Gesundheitsversorgung haben – von der Körperpflege über die Chirurgie bis hin zur Entwicklung neuer Therapien für kritische Krankheiten. Wir glauben, dass uns dies einen Wettbewerbsvorteil verschafft.

Im Februar ist J&J durch den Kauf von Abbott Medical Optics für 4,3 Mrd. $ ins Augenchirurgiegeschäft eingestiegen. Sie hätten auch bei Alcon zuschlagen können, für die Novartis (NOVN 82.2 0.74%) damals ja bereits strategische Optionen geprüft hat. Warum dieser Entscheid?
Es ist alles eine Frage der Möglichkeiten, der kulturellen und der geschäftlichen Passform sowie des Zeitpunkts und des Preises.

Was davon trifft bei Alcon nicht zu?
Das war keine Entscheidung gegen Alcon. Abbott Medical Optics passt einfach besser zu uns. Wir sind mit dieser Gesellschaft sehr zufrieden. Das Geschäft entwickelt sich besser als erwartet.

Sie haben sich Anfang Oktober entschieden, das Diabetespumpengeschäft zu schliessen. Was waren die Gründe?
Wir bewerten unser Portfolio ständig und fragen uns, ob wir in diesem Markt die Nummer eins oder zwei sein können oder ob wir über eine gute Technologieplattform verfügen, mit der wir unsere Geschäftskapazität ausbauen können. Wenn die Antwort auf eine dieser Fragen Nein ist, prüfen wir, ob das Geschäft besser als Teil eines anderen Unternehmens bedient werden kann. Das ist ein schwieriger Entscheid, der jedoch unerlässlich ist, um sicherzustellen, dass wir unser Kapital so effizient wie möglich einsetzen.

Beim Pumpengeschäft haben Sie sich jedoch entschlossen aufzugeben. Warum haben Sie nicht verkauft?
Wir haben uns alle Optionen angeschaut, und in diesem Fall war die Entscheidung auch auf die Anzahl der beteiligten Einheiten bezogen. Es war eine komplizierte Entscheidung, aber aufgrund der sich ändernden Bedürfnisse der Kunden, der sich schnell entwickelnden Marktdynamik und des erhöhten Wettbewerbsdrucks entschieden wir uns für den Exit.

Sie lassen Actelion (ATLN 278.75 0.45%), die seit etwas mehr als hundert Tagen zu J&J gehört, wie andere Tochtergesellschaften an der langen Leine. Weshalb diese dezentrale Struktur?
Ich bin der Meinung, dass man den Leuten eine gewisse Autonomie und dadurch auch Verantwortung lassen sollte. Das führt letztlich zu mehr Innovation und zu mehr Fokus auf die Kundenbedürfnisse. Es gibt zudem Bereiche, wo es unmöglich ist, alles von unserem Hauptsitz in New Jersey aus zu kontrollieren.

J&J gilt als sehr disziplinierter Käufer. Primär stehen kleinere Deals im Fokus. Warum also die Abkehr von den Prinzipien bei Actelion, für die Sie den Rekordbetrag von 30 Mrd. $ bezahlt haben?
Wir wollen uns nicht auf kleine Geschäfte beschränken, auch wenn dieser Ansatz in der Vergangenheit für uns gut funktioniert hat. Bei Akquisitionen fragen wir uns immer, ob wir mit unseren Ressourcen mehr Patienten erreichen können als das Zielunternehmen. Actelion wusste, dass J&J im Bereich der pulmonalen arteriellen Hypertonie, kurz PAH, erfolgreich sein und mit ihren Produkten mehr Patienten erreichen kann.

Bis anhin war Actelion aber auch allein sehr erfolgreich. Wo sehen Sie also noch Verbesserungspotenzial?
Wir haben einen weit grösseren globalen Fussabdruck. Gleichzeitig haben wir die Ressourcen, um die bestehenden Wirkstoffe für weitere Patientengruppen weiterzuentwickeln. Wir haben uns zudem das Ziel gesetzt, Patienten mit PAH eines Tages zu heilen. Auch dafür verfügen wir über die optimale Infrastruktur. Wir wollen PAH in den nächsten zehn Jahren zu einer unserer Kerndisziplinen machen.

Und dazu brauchen Sie das Know-how von Actelion?
Genau. Wir bieten die Infrastruktur, die es für weiteren Erfolg braucht, und Actelion liefert das Know-how. Wir hoffen, damit diverse weitere Erfolgsgeschichten auf dem Gebiet PAH zu kreieren.

Bei Synthes stand J&J wegen der schleppenden Integration in der Kritik. Was haben Sie aus Synthes für Actelion gelernt?
Dies ist die grösste Akquisition in unserer Geschichte, und wir glauben, dass die einzigartige Struktur, die wir arrangiert haben, den Standard für Akquisitionen in der Zukunft setzen wird. Es stimmt, dass wir aus unseren bisherigen Erfahrungen gelernt haben, wie wir am besten in die Integration einsteigen können. Mit Jane Griffiths haben wir eine grossartige Führungspersönlichkeit bei Actelion.

Pessimisten sehen im Pharmageschäft derzeit mehr Risiken als Chancen. Wie beurteilen Sie die Aussichten?
Wir durchleben derzeit einen regelrechten Innovationsschub. Klar, wir werden durch die Kosten und den Marktzugang herausgefordert. Aber ich bin mir sicher, dass wir diese Hürden ohne Probleme meistern und weiterhin Wert schaffen werden, wenn wir innovativ bleiben. Gelingt es uns, Krankheiten zu heilen, hat das einen grossen Einfluss auf unser Gesundheitssystem und sogar auf die Wirtschaft.

Konkurrent Novartis proklamiert dem Nutzen angepasste Rückerstattungssysteme. Wie steht J&J solchen Ansätzen gegenüber?
Ich halte solche Ansätze für richtig. Die Gesundheitssysteme müssen in diese Richtung gehen.

Was kostet die Entwicklung eines Medikaments in zehn Jahren?
Die Kosten werden definitiv steigen. Es gibt aber durchaus auch dämpfende Trends, zum Beispiel den technologischen Fortschritt wie die künstliche Intelligenz oder Big Data. Die Frage ist, wie wir durch diese Technologien die Wirksamkeit und die Sicherheit erhöhen sowie die Nebenwirkungen reduzieren können.

J&J ist einer der grössten US-Arbeitgeber in der Schweiz. Warum diese Vorliebe für das Land?
Die Schweiz ist für uns ein ergiebiger Ressourcenpool für Innovations- und Managementaufgaben. Mit der Akquisition von Synthes und nun auch Actelion haben wir erneut unser Bekenntnis zu diesem Land gegeben.

Finden Sie hierzulande genügend qualifizierte Arbeitskräfte?
Absolut. Wenn ich mit den Leuten von Actelion oder Synthes spreche, sehe ich jedes Mal, welch grosses Wissen in diesem Land vorhanden ist. Die Schweiz bietet uns alles, was wir brauchen.

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