Zurück zur Übersicht
14:55 Uhr - 13.08.2018

Satellitenhersteller OHB weckt viel Fantasie

Das Bremer Unternehmen blickt zuversichtlich in die Zukunft. Investoren könnten vom Wiedereinstieg des Aktivisten Wyser-Pratte profitieren.

Eines der grössten Projekte der europäischen Raumfahrtgeschichte nähert sich seinem Abschluss. Mittendrin steht der deutsche Satellitenhersteller OHB (OHB 29.9 1.36%). Vor acht Jahren hat das Unternehmen entgegen aller Erwartungen den Zuschlag für das Millionenprojekt Galileo der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) erhalten.

Mit einem eigenen Satellitensystem will die Europäische Union unabhängiger von dem US-amerikanischen GPS und dem russischen Glonass werden. Zwar basiert das europäische Navigationssystem auf derselben Grundtechnologie wie das amerikanische System, Galileo soll gemäss ESA allerdings deutlich präzisere Daten liefern. Die EU verspricht sich unter anderem eine deutliche Verbesserung der SAR-Funktionen (Search and Rescue).

Galileo bald voll einsatzbereit

So sollen Personen in Not in Echtzeit mit einer Genauigkeit im Meterbereich geortet werden können. Zurzeit werden die Notfunkgeräte über das Satellitensystem Cospas-Sarsat betrieben. Allerdings kann es hierbei mehrere Stunden dauern, bis der Satellit die Daten empfängt und weiterleitet. Zudem sind die Positionsdaten meist fehlerhaft. Mit Galileo soll das Notsignal nach nur zehn Minuten bei den Rettungskräften eingehen. Ausserdem wird die sich in Not befindende Person benachrichtigt, sobald die Rettungskräfte auf dem Weg sind.

Das Ortungssystem soll 2020 voll einsatzfähig sein. Dann bewegen sich bis zu vierzig Satelliten 23 222 km über der Erdoberfläche auf drei kreisförmigen Bahnen verteilt. Bisher hat OHB 22 von 26 Satelliten in die Umlaufbahn geschickt, vier davon vor rund zwei Wochen mit der Trägerrakete Ariane 5. In den kommenden sechs Monaten werden sie noch geprüft, ehe sie ins Navigationsnetz integriert werden. Insgesamt steuert OHB 34 Satelliten zum europäischen Navigationssystem bei.

OHB arbeitet nun an den restlichen zwölf bis 750 Kilogramm schweren Galileosatelliten. Diese werden dann mit der neuen Rakete Ariane 6 in die Umlaufbahn gebracht. Die Aufträge haben ein Gesamtvolumen von 481 Mio. €.

Auch die zwei jüngsten Projekte, die sich das Bremer Unternehmen gesichert hat, kommen von der ESA. Zum einen hat OHB den Zuschlag für Studien im EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus erhalten. «Dies hat für OHB grosse Bedeutung», sagte Vorstandsmitglied Andreas Lindenthal in einer Mitteilung. «Copernicus ist neben Galileo das zweite grosse Raumfahrtprogramm.»

Kooperation mit Ruag

Zum anderen ist OHB zur Hauptauftragnehmerin bei der Wissenschaftsmission Plato mit einem Auftragsvolumen von fast 300 Mio. € gewählt worden. Die Vertragsunterzeichnung ist für Oktober 2018 geplant. Zusammen mit Thales Alenia und der Schweizer Ruag soll OHB einen zwei Tonnen schweren Satelliten entwickeln und bauen, für den ab 2026 der Einsatz geplant ist. Für dann ist nämlich der Start der Plato-Mission geplant, die «extrasolare Planetensysteme aufspüren und erforschen soll», sagt Projektleiter Andrea Sacchetti in einer Mitteilung. Indirekt soll die Mission auch zur Klärung der Frage beitragen, ob es in anderen Sonnensystemen Leben geben könnte.

Neben diesen beiden Projekten arbeitet OHB noch immer an der Marsmission Exomars der ESA und der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos. So wird das Unternehmen auch an der zweiten Mission, die in rund zwei Jahren startet, massgeblich beteiligt sein. Für gut 100 Mio. € baut OHB das Trägermodul für den Transport der Raumsonde zum Mars. Die europäische Weltraumorganisation will zusammen mit der russischen Raumfahrtagentur die Suche nach Spuren von Leben auf dem Mars intensivieren. Dies nachdem die amerikanische Nasa im Juli einen unterirdischen See auf dem Roten Planeten entdeckt hat.

Der Satellitenhersteller schaut mit einem gut gefüllten Orderbuch zuversichtlich in die Zukunft. Gemäss dem am vergangenen Donnerstag publizierten Halbjahresbericht hat sich der Auftragsbestand in den ersten sechs Monaten zur Vorjahresperiode knapp 7% auf 2,4 Mrd. € erhöht. Mitunter ein Grund für die Geschäftsleitung, den Ausblick für das Gesamtjahr zu bestätigen. Erwartet wird, «dass sich die Finanz- und Vermögenslage gut entwickelt sowie eine Gesamtleistung von 1 Mrd. €, erreicht», wird der Vorstand zitiert.

Hoher Auftragseingang

Äusserst zufrieden zeigt sich das Management mit dem Bereich Space Systems. Mit einem Umsatz von knapp 315 Mio. € wurde der Vorjahreswert (261,4 Mio. €) deutlich übertroffen. Im anderen Segment Aerospace + Industrial Products stagniert das Geschäft. CEO Marco Fuchs begründete in der Analystenkonferenz den ­leichten Rückgang auf 94 Mio. € unter ­anderem mit «den wenigen Transporten der Ariane 5.» Deren Ära nähert sich dem Ende. Ab 2020 soll die neue Trägerrakete Ariane 6 zum Einsatz kommen und den Umsatz dieser Sparte wieder ankurbeln.

Die Aktien haben Ende 2017 mehrmals für Schlagzeilen gesorgt. Monat für Monat haben sie neue Höchstwerte erklommen, bis auf 49.75 €. Seit der Publikation des Jahresergebnisses 2017 im Februar sind die Aktien allerdings eingebrochen. So notieren sie derzeit nahe 30 €, was einem Verlust von gut 30% entspricht.

Für Aufschwung könnte der Wiedereinstieg des aktivistischen Investors Guy Wyser-Pratte sorgen. Er ist bekannt dafür, sich in Firmen einzukaufen und auf einen Umbau zu drängen, um dann seine Aktien mit Gewinn zu verkaufen. Wyser-Pratte ist bei OHB kein unbeschriebenes Blatt. Im vergangenen Spätsommer kritisierte er die Strategie sowie die Führungsspitze scharf. Mit seinen Forderungen verzeichnete er keinen Erfolg. Allerdings legten die Aktien deutlich zu. Mit einem Gewinn von rund 120% verkaufte der US-Investor im Dezember seine Aktien. Nun ist er seit April wieder da und liess sich nicht zweimal bitten, seine Kritik zu erneuern.

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der OHB-Aktien liegt im historischen Vergleich leicht über dem Schnitt der vergangenen Jahre. Die vollen Auftragsbücher lassen für längere Zeit gute Geschäfte erwarten, mit steigendem Umsatz und stabiler Marge. Das verspricht auf lange Sicht Kurspotenzial in den Aktien.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.