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09:11 Uhr - 25.11.2016

Xiao Jie: Chinas neuer Kassenwart findet Baustelle vor

Der vorzeitige Wechsel an der Spitze des Finanzministeriums wirft die Frage auf, ob die Reform der Staatsfinanzen in China weiterhin Priorität hat.

Der neue chinesische Finanzminister Xiao Jie tritt ein schweres Amt an. Als oberster Kassenwart des Landes muss er eine stark gestiegene Schuldenlast und ein deutlich nachlassendes Wirtschaftswachstum unter einen Hut bringen. Erschwert wird seine Arbeit zudem dadurch, dass die von seinem Vorgänger eingeleitete breite Reform des Steuerwesens erst halb umgesetzt worden ist und sich der Abfluss von Kapital ins Ausland jüngst erneut beschleunigt hat.

Nachdem die Notenbank zu verstehen gegeben hat, dass sie mit einer jahrelang lockeren Geldpolitik ihren Teil zur Stützung des Wachstums geleistet hat, muss jetzt das Finanzministerium mit fiskalischen Massnahmen die Konjunktur stimulieren. Das ist bereits jetzt der Fall, hat die Regierung die Investitionen in Infrastrukturobjekte in den vergangenen zwei Jahren doch deutlich erhöht.

Dabei ist klar, dass der bisherige enge Mitarbeiter von Premierminister Wen Jiabao auch nur mit Wasser kocht. Das weiss der promovierte Ökonom Jie wohl selbst am besten, arbeitete er doch über zwei Jahrzehnte für das Ministerium, an dessen Spitze er jetzt steht. In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres sind die Steuereinnahmen 5,9% auf 12,1 Bio. Yuan (1,7 Bio. $) gewachsen, während die Staatsausgaben 12,5% auf 13,6 Bio. Yuan gestiegen sind. Damit stösst die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt an die sich selbst auferlegte Grenze eines Haushaltsdefizits von 3% des Bruttoinlandprodukts (BIP).

Riesen Herausforderung

Wie gross die vor ihm liegende Herausforderung ist, zeigt sich an den ausstehenden Krediten, die beinahe 300% des BIP erreicht haben. Zudem sind die in den Bankbilanzen stehenden faulen Kredite in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen. Die Ratingagentur Fitch schätzt, dass 20 bis 21% dieser Verpflichtungen ausfallgefährdet sind. Das ist nicht nur eine Gefahr für die Stabilität der Staatsfinanzen, sondern für die gesamte Volkswirtschaft.

Jüngst wurde vermehrt die Forderung laut, das Haushaltsdefizit auf 4% des BIP zu erhöhen. Bisher ist nicht an die Öffentlichkeit gedrungen, ob die Rochade an der Spitze des Finanzministeriums mit dieser Frage zu tun hat oder nicht. Sicher ist jedoch, dass der Haushalt ohne einschneidende Reformen nicht ins Lot gebracht werden kann.

Der seit 2013 amtierende 65-jährige bisherige Finanzminister Lou Jiwei gibt sein Amt trotz Erreichens der offiziellen Altersgrenze frühzeitig ab. Dem Vernehmen nach hatte ihm Premierminister Li Keqiang vor drei Jahren eine volle fünfjährige  Amtszeit in Aussicht gestellt. Doch Lous Reformbemühungen sind nach Meinung von Eswar Prasad, Professor an der amerikanischen Cornell University und ehemaliger Chef der Chinasektion des Internationalen Währungsfonds, auf grösseren internen Widerstand gestossen. Prasad sieht dies als Zeichen, dass die Festigung der Macht von Präsident Xi Jinping zulasten der Wirtschaftsreformen in den Vordergrund getreten ist.

Xiao findet Baustelle vor

Anfang November liess das Finanzministerium verlauten, Provinzen und Gemeinden stünden künftig nicht mehr implizit für die Schulden der von ihnen kontrollierten Unternehmen gerade. Das war die letzte bedeutende Verlautbarung unter dem bisherigen Minister. Die Massnahme erregte umso mehr Aufsehen, als staatliche und regierungsnahe Unternehmen eine besonders hohe Schuldenlast auf sich geladen haben.

Ein Grossteil der Kredite von Staatsunternehmen soll jetzt sukzessive in Anleihen oder Aktien umgewandelt werden. Erst die kommenden Wochen und Monate werden weisen, wie entschieden der Technokrat Xiao die Reformpolitik seines Vorgängers vorantreiben wird. Erst im Anfangsstadium befindet sich etwa die Einführung einer Grundstücksteuer, durch die die einstige finanzielle Abhängigkeit der regionalen Regierungen vom Verkauf von Immobilien verringert werden soll. Eines ist bei all dem klar – der 59-jährige neue Finanzminister findet eine Baustelle vor.

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