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18:11 Uhr - 25.11.2016

Vom Mitarbeiter zum Chef

Ebenso wichtig wie fachliche Qualität sind Persönlichkeit, Charakterstärke und Talent, Menschen zusammenzubringen.

Karriere bedeutet vielerorts, einmal «Chef» zu werden. Einfluss, Anerkennung, besserer Verdienst, wertvolle Kontakte, interessantere Arbeit hängen oft von der hierarchischen Position ab. In der Vermögensverwaltung ist die Sache nicht so eindeutig: Nicht selten sind die Karrieremöglichkeiten vielfältiger und ist die persönliche Beziehung mit Kunden – nicht nur finanziell – mehr wert als das Führen einer grossen Abteilung. Der Aufbau eines eigenen Kundenstamms ist für die meisten Berater denn auch ein Lebenswerk, wofür sie viele Jahre hart arbeiten und das sie nicht ohne weiteres für einen Aufstieg in der Hierarchiestufe aufgeben würden.

Zum AutorGuido Ruoss, Global Head HR, Julius Bär. Dieser Beitrag entstand unter Mitarbeit von Philipp Kleinschnittger, Projektleiter, und Lukas Stucky, Leiter Julius Baer Academy.Kundenberater anerkennen und respektieren Personen als Vorgesetzte, die das Beratungsgeschäft mit dem Kunden aus eigener Erfahrung kennen. In der Vergangenheit wurden und waren deshalb oft die Kundenberater mit dem grössten eigenen Kundenstamm fast nebenbei Chefs, gewissermassen als «Primus inter pares».

Nicht mehr im Nebenamt

Doch der Umbruch im Vermögensverwaltungsgeschäft wirkt sich auch auf die Führungsstrukturen der Banken aus: Mit dem veränderten Risikobewusstsein, den gestiegenen regulatorischen Anforderungen und dem Margendruck ist die Führung von Beraterteams im Nebenamt nicht mehr möglich und zu verantworten. Also (ALSN 85.3 0.12%) sind die Banken gezwungen, die praktische Kundenberatung und die Führung der Beraterteams als zwei unterschiedliche Rollen zu betrachten. In einigen Ländern, vor allem im angelsächsischen Raum und in verschiedenen Grossbanken, ist die vollständige Trennung – entweder Mitarbeiterführung oder Kundenberatung – ein rigoros durchgesetzter Standard.

Der Nachteil einer solchen Zweiteilung – hier die Vorgesetzten, dort die Berater – ist die Gefahr, dass der gesamten Bank die Kundenorientierung, zumindest auf den höheren Hierarchiestufen, abhandenkommt. Julius Bär (BAER 45.14 -0.83%) hat sich deshalb für einen Mittelweg entschieden: Die Teamleiter behalten wenn immer möglich die Betreuung einer überschaubaren Anzahl eigener Kunden. Trotzdem werden die Führungsansprüche erhöht: Ein Vorgesetzter wird zukünftig grössere Teams führen, ein anspruchsvolleres Pflichtenheft in Bezug auf Personal, Markt, Kundschaft, Compliance und Risikomanagement verantworten und stärker am Teamerfolg gemessen werden. Führen wird die Hauptaufgabe; die Beratung eigener Kunden durch den Teamleiter bleibt als eine sinnvolle Ergänzung.

Coaching und Vertrauen

Der verstärkte Fokus auf Leadership sollte in der Vermögensverwaltung aber nicht mit einem autoritären Führungsstil einhergehen. Die bedeutendste Leistung der Berater bei ihren Kunden findet ja meist im privaten Gespräch und nicht unter den Augen des Chefs statt. Wollen Vorgesetzte auf die Tätigkeit und den Erfolg ihrer Berater Einfluss nehmen und optimieren, müssen sie in der Lage sein, eine Partnerschaft mit Vertrauen und Offenheit aufzubauen, um auch über Schwierigkeiten, Risiken und Fehler konstruktiv sprechen zu können. Julius Bär schult die Vorgesetzten dafür als eigentliche Coaches. Die Bank führt gegenwärtig weltweit einen Führungsstil ein, der als «A Coach (COH 38.33 -0.13%) Approach To Leadership» zu verstehen ist.

Führungskräfte werden in ihrem neuen Rollenverständnis trainiert, das sie selbst mit Top Executive Coaches auf seine Wirksamkeit testen können. Sie erwerben spezifische Kenntnisse über Methoden zum tieferen Verständnis der Gesprächspartner sowie über effektive Kommunikation und ergebnisförderndes Feedback. Das alles zielt darauf ab, eine Führungspraxis zu entwickeln, die dem modernen Private Banking gerecht wird.

Talentauswahl entscheidend

Allerdings ist ein Leadership-Modell mit einem derartigen Führungsstil nur erfolgreich, wenn die geeigneten Mitarbeiter ihre Karriereentscheide aus den richtigen Motiven treffen. Wer sich mit Leib und Seele der Arbeit mit Kunden widmet oder wer Spezialist aus Passion ist, sollte diesen Pfad weiterhin beschreiten. Die Bank legt grosses Gewicht auf die sorgfältige Auswahl der für Führungsaufgaben geeignetsten Personen. Das Talent Management des Unternehmens bringt Führungsteams zusammen, um vielversprechende Talente in der Bank zu identifizieren.

Assessmentverfahren haben sich zur Erkennung des Potenzials derjenigen Mitarbeitenden etabliert, die für höhere Führungsaufgaben geeignet sind. Dabei interessieren fraglos die eigentlichen Managerkompetenzen wie Organisation von Führungsbereichen, die Fähigkeit zur Innovation und zur Verbesserung bestehender Lösungen sowie zur Entscheidung oder zur Fokussierung auf das Wesentliche. Ebenso wichtig sind aber Persönlichkeit und Charakterstärke sowie das Talent, verschiedenste Menschen und Interessen zusammenzubringen. Hier gehört ein konstruktiver und konsequenter Umgang mit mehrdeutigen oder schwierigen Situationen zwingend  dazu.

Der beste Risikomanager

Die Herausforderung, die sich Vermögensverwaltern mit Blick auf Führungskräfte stellt, geht über die Förderung von Karrieren Einzelner hinaus. Es gilt, eine attraktive Kultur für alle zu schaffen, die das Potenzial jedes Mitarbeitenden würdigt und nutzt. Eine gute Bankkultur und damit ein Umfeld, in dem sich die Angestellten wohlfühlen und leistungsbereit sind, ist immer der beste Risikomanager. Schliesslich äussert sich eine starke Kultur als «innere Schönheit» des Unternehmens, die der Aussenstehende, ob Kunde, ein Stellenbewerber oder die breitere Öffentlichkeit, in vielen kleinen Dingen wahrnimmt.

Das mag «soft» klingen, hat aber harte Konsequenzen. In einem Wirtschaftszweig wie der Vermögensverwaltung, in dem der Wettbewerb sehr intensiv geworden ist und die Privatbanken um eine begrenzte Zahl von Kunden und Beratern kämpfen, hat ein Anbieter mit einer attraktiven Leadership und einer starken Unternehmenskultur einen klaren Wettbewerbsvorteil.

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