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13:58 Uhr - 27.09.2016

Durststrecke für Uhrenindustrie hält an

Schweizer Uhrenmanager blicken pessimistisch in die Zukunft. Die USA lösen Hongkong als wichtigten Absatzmarkt ab.

Der Schweizer Uhrenindustrie geht es weiterhin schlecht. Auch die grossen Luxusgüterhersteller Swatch und Richemont (CFR 58.45 -1.18%) leiden weiter. Die Swatch Namenaktien haben seit Anfang Jahr ein Fünftel ihres Werts verloren, jene von Richemont rund 18%. Betrachtet man das Marktumfeld, erstaunt das wenig. Die Exportvolumen schrumpfen und schrumpfen. Noch nie seit fünf Jahren wurden so wenig Schweizer Uhren exportiert wie in der ersten Hälfte dieses Jahres.

zoomGingen im ersten Semester 2015 noch Uhren im Gegenwert von 10,6 Mrd. Fr. ins Ausland, so sind es dieses Jahr nur noch 9,5 Mrd. Fr. (-10%). Die Exporte bewegen sich damit auf dem tiefsten Niveau seit 2011. Bis im August sind die Exporte vierzehn Monate in Folge zurückgegangen.

In einer Umfrage des Wirtschaftsprüfers Deloitte unter Führungskräften der Schweizer Uhrenindustrie blicken vier von fünf pessimistisch in die Zukunft. Das sind doppelt so viel wie noch im vergangenen Jahr. «Der negative Trend wird sich noch einige Monate fortsetzen» sagt Karine Szegedi, Luxusgüterexpertin beim Wirtschaftsprüfer.

USA vor Hongkong

In Asien, lange die wichtigste Absatzregion für Schweizer Zeitmesser, ist die Lage ernst. Hier wurden im ersten Semester Uhren im Gegenwert von 4,7 Mrd. Fr. versandt, im gleichen Zeitraum vor einem Jahr waren es noch 5,4 Mrd. Fr. (-13%).

Besonders drastisch präsentiert sich das Bild im wichtigsten Einzelmarkt, Hongkong. Auf dem Höhepunkt exportierten die Schweizer Uhren im Gegenwert von 1,3 Mrd. dorthin, nun ist es weniger als die Hälfte: 592 Mio. Fr. Dort ist keine baldige Besserung in Sicht. Chinesische Touristen kaufen weniger Uhren und der Aufbau von Lagerbeständen im vergangenen Jahr erschwert die Absatzsituation.

«Der Markt hat sich geändert. Im Juli war die USA der wichtigste Exportmarkt für Schweizer Uhren», sagt Szegedi. Ein Fünftel der befragten Uhrenmanager setzt kurzfristig auf eine anziehende Nachfrage aus den USA. Die Hoffnung ist nicht unberechtigt. Die Nachfrage könnte von der positiven Entwicklung der Konsumausgaben profitieren. Sie zog im Frühjahr stark an.

zoomNeben den USA sehen die Uhrenmanager auch Indien als Absatzmarkt mit Potenzial. Doch zuletzt machte Indien noch kein Prozent (0,6%) der gesamten Schweizer Uhrenexporte aus.

Smartwatches keine Bedrohung

Als Apple (AAPL 112.88 0.15%) 2015 die erste Smartwatch lancierte, sahen Marktbeobachter das Ende der Schweizer Uhrenindustrie nahen. Nicht nur Apple, auch Tech-Riesen wie Samsung (SMSD 509.499 0.57%), Sony (SNE 33.46 -0.42%), LG und aufstrebende Marken wie Pebble oder Fitbit (FIT 16.48 -2.94%) haben sich mittlerweile in diesem Markt breit gemacht.

Die Volumenentwicklung bereitet denn auch auf den ersten Blick Sorgen. Im Schlussquartal des vergangenen Jahres wurden global zum ersten Mal mehr  Smartwatches (8,1 Mio. Stück) als Schweizer Uhren (7,9 Mio.) ausgeliefert. Doch das Geschäft it den hochpreisigen Schweizer Zeitmessern ist immer noch viel lukrativer. 2015 betrug der Gegenwert der ausgelieferten Schweizer Uhren 22,5 Mrd. Fr., fast doppelt so viel wie der Smartwatch-Markt 2017 umsetzen könnte.

«Smartwatches sind nicht für die Misere verantwortlich. Sie haben sich im unteren und mittleren Preissegment etabliert. Das Luxussegment wird dadurch nicht attackiert», sagt Szegedi. Obwohl immer mehr Smartwatches verkauft werden, wird die neue Uhrenkategorie nur von jedem Fünften Uhrenmanager als «signifikantes Risiko» wahrgenommen, weniger als im Vorjahr. Es gebe keine Hinweise, dass die steigende Popularität von Smartwatches einen negativen Einfluss auf die kriselnden Schweizer Uhrenhersteller habe, so die Studie.

Trotzdem versuchen auch die Schweizer im Smartwatch-Segment Fuss zu fassen, etwa TAG Heuer, die dem französischen Luxusgüterkonzern LVMH (MC 166.3 1.71%) gehört. Auch Frédérique Constant plant mit dem Spin-Off Swiss MMT Connect im Smartwatch-Markt mitzumischen. Und Swatch Group (UHR 270.7 -1.17%) will mit der Tissot Smart Touch einen Fuss in den Markt setzen. Ganz unbeeindruckt von der Verbreitung der Smartwatches sind die Schweizer also nicht.

Hoffnung auf Online

Einen Zauberweg scheint es nicht zu geben. Die Hersteller setzen auf neue Modelle und senken die Preise, um ihre Produkte breiteren Käuferschichten zugänglich zu machen. So geschehen bei Herstellern wie IWC, Baume & Mercier oder auch bei der im obersten Preissegment positionierten Blancpain. Eine Marktkonsolidierung sei im Gang, «Preisreduktionen werden weiterhin zu beobachten sein», schätzt die Expertin. Wichtig sei, dass Schweizer Uhrenhersteller ihre Stellung im Prestigemarkt sicherten.

Hoffnung ruht auf dem Ausbau des Onlineverkaufs. Die Skepsis gegenüber dem Verkauf über Onlinekanäle hat gemäss Umfrage deutlich abgenommen. Mittlerweile erachtet jeder Zweite Uhrenmanager Online-Wiederverkäufer als wichtigsten Absatzkanal, noch vor den eigenen Marken-Boutiquen. Dennoch machen Onlineverkäufe immer noch einen sehr kleinen Teil der Verkäufe aus. Das kommerzielle Potenzial dieser Kanäle dürfte sich erst langfristig entfalten.

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