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10:17 Uhr - 01.09.2015

US-Aktien vor Trendwende

Dem 50-200-Crossover-System gleitender Durchschnitte steht ein Verkaufssignal bevor.

Zum AutorUrs Allenspach ist Mathematiklehrer und ehemaliger FuW-Redaktor.Die monatelange Seitwärtsbewegung im S&P-500-Aktienindex hat, gepaart mit den Turbulenzen der vergangenen Woche, die gleitenden Durchschnitte über fünfzig und zweihundert Tage zusammengeführt. Diese zwei Mittelwerte kreuzen sich selten.

zoomEin Durchstoss des gleitenden Durchschnitts über fünfzig Tage von oben wäre das erste Treffen seit Anfang 2012 und markierte erst die neunte Kreuzung binnen zehn Jahren (vgl. Grafik 1). Das Restpolster des 50-Tage-Mittels gegenüber seinem 200-Tage-Pendant wird derzeit aufgebraucht (vgl. Grafik 2). Der S&P 500 (SP500 1972.18 -0.84%) droht damit einen negativen Trend auszubilden, der an den Börsen Beachtung finden wird.

zoomDas Crossover-System, wonach ein technisches Kaufsignal dadurch ausgelöst wird, dass der 50-Tage- den 200-Tage-Durchschnitt von unten schneidet – man spricht vom «goldenen Kreuz» – und der umgekehrte Fall als Devestitionssignal («Todeskreuz») gedeutet wird, war in der erwähnten Zeitspanne im S&P 500 ausserordentlich erfolgreich.

Das Todeskreuz

Rechnet man mit Transaktionskosten von 3% – sie fallen wegen der geringen Anzahl an Eingriffen vergleichsweise wenig ins Gewicht –, zieht das Trendfolgesystem im Vergleich der Gesamtrenditen (Kursrenditen plus Dividendenrenditen) mit annualisierten 5,57% gegenüber 6,41% zwar leicht den Kürzeren.

Sharpe RatioDie Sharpe Ratio – Namensstifter ist der Nobelpreisträger und Mitentwickler des Capital Market Pricing Models (CAPM) William F. Sharpe – ist das Verhältnis zwischen Überschussrendite und Risiko, also Volatilität gemessen in Standardabweichung. Die Überschussrendite ist die Rendite, die eine risikolose Anlage (im vorliegenden Fall dreimonatige US Treasury Bills) übersteigt. Für sie geht der Anleger tatsächlich ein Risiko ein. Die Sharpe Ratio misst mithin, wie viel Rendite eine Investition oder Investitionsstrategie pro Risikopunkt abwirft. Die Renditeeinbusse wird allerdings durch ein erheblich geringeres Risiko kompensiert. So übertrifft das System den Buy-and-Hold-Ansatz (Kauf und Halten) mit einer annualisierten Sharpe Ratio von 0,36 gegenüber 0,25 deutlich. Die Anlagestrategie entschädigt das eingegangene Risiko also rund 40% besser als die Benchmark. Die Performance der einzelnen Kaufsignale sind in der Tabelle unten aufgeführt.

Erweitert man den Betrachtungshorizont, so relativiert sich dieser Erfolg. Wie jedes Handelssystem ist ein Crossover-System darauf angewiesen, dass der Markt grob eine bestimmte Entwicklung nimmt. Trendfolgesysteme sind erfolgreich, wenn der Markt wechselnde Trends günstiger Länge ausbildet. Sie tun sich hingegen schwer, wenn diese Wechsel ausbleiben. Dann sind sie geneigt, unprofitable Signale auszulösen. So wäre man beim steilen Börsenboom in den Neunzigerjahren mit 50-200-Moving-Average-Crossover über weite Strecken erheblich schlechter gefahren als mit Buy and Hold.

Praktikables System

Aus praktischer Sicht spricht zum einen der geringe Rechenaufwand für Moving-Average-Crossover-Systeme: Eine Excel-Tabelle mit Tagesschlusskursen reicht, um die technischen Handelssignale zu errechnen. Zum anderen ist entscheidend, dass die Anzahl an Eingriffen gering ausfällt. Seltener als einmal pro Jahr in einen Index-Fonds zu investieren oder aus einem aussteigen zu müssen, ist komfortabel. Je kürzer die Fristen der gleitenden Durchschnitte, desto höher fällt die Zahl der nötigen Transaktionen aus.

Im noch längerfristigen, aber weniger beachteten 200-300-Tage-System waren es in den vergangenen zehn Jahren vier Transaktionen bei einer Sharpe Ratio von 0,33. Das 20-50-System bedingte im selben Zeitraum sechzig Eingriffe, wobei die Handelskosten das eingesetzte Kapital zu drei Vierteln vernichtet hätten.

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Vom Standpunkt der Portfolio-Kennzahlen aus betrachtet, zeichnen sich Crossover-Systeme mit gleitenden Durchschnitten dadurch aus, dass sie in aller Regel die Wertschwankungen des Portfolios reduzieren. Typischerweise geht dies zu Lasten der Rendite – die gute Sharpe Ratio kommt durch eine erkleckliche Reduktion der Volatilität zustande, wofür man einen Renditepreis zahlt.

Die geringeren Schwankungen in Preis und Rendite erlauben einen kürzeren Anlagehorizont. Auf die Dauer von mehreren Jahrzehnten ist Buy and Hold in Aktien schwer beizukommen. Bei einem kürzeren Anlagehorizont von fünf oder zehn Jahren stellt ein Crossover-System aber eine bedenkenswerte Alternative dar.

Reduziertes Risiko

zoomEine umfassendere Untersuchung bestätigt die Eigenschaft des reduzierten Risikos. Betrachtet man alle rund 5000 vollendeten Fünfjahresanlagehorizonte der vergangenen fünfundzwanzig Jahre – der erste startet Mitte 1990 und endet Mitte 1995, der letzte startet Mitte 2010 und endet vergangene Woche –, so zeigt sich, dass sich mit einem Trendfolgesystem ruhiger schlafen lässt als mit Buy and Hold (vgl. Grafik 3): Die annualisierten Kursrenditen des Fünfjahresanlagehorizonts verlaufen erheblich homogener. Für lediglich 2,5% der Startzeitpunkte resultieren nach fünf Jahren negative Kursrenditen – im Gegensatz zu 41% in der Benchmark. Die schlechteste Kursrendite nach fünf Jahren beträgt –7.89%, während man mit Buy and Hold über 40% verlieren konnte, wenn man im März 2004 in den Index einstieg. Der Mittelwert aller rund 5000 annualisierten Kursrenditen liegt mit 4,2% wie erwartet unter demjenigen der Benchmark von 5,8%. Im Gegenzug liegt mit 10,9%  gegen 18,6% aber auch die mittlere Volatilität tiefer. Im Vergleich mit dem Buy-and-Hold-Ansatz ist man im Crossover-System also einem geringeren Risiko von Kursschwankungen ausgesetzt und unterliegt in Anlagehorizonten von fünf Jahren einer massiv kleineren Gefahr, mit einem Kursverlust aussteigen zu müssen.

Wieviel Zeit vergeht bis zum nächsten Crossover und damit zum nächsten Kaufsignal in diesem System, hängt von der Kursentwicklung des S&P 500 ab. Projektionen zeigen, dass es selbst unter soliden Kursgewinnen wenigstens Wochen dauern wird. Bei einer Konsolidierung auf dem gegenwärtigen Stand ist sogar ein mehrmonatiger negativer Trend zu befürchten.

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