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18:17 Uhr - 21.07.2017

Drei Worte, die die Eurozone retteten

Kein Krisengipfel und kein Hilfspaket durchbrachen den Teufelskreis in der Eurokrise, sondern ein simpler Satz.

Nichts deutete an jenem aussergewöhnlich heissen Julitag in London darauf hin, dass sich für Europa Historisches ereignen würde. Beherrschendes Thema waren die tags darauf beginnenden olympischen Sommerspiele in der Themsestadt. Von der Konferenz des Aussenhandelsministeriums im Lancaster House nahm kaum jemand Notiz. Dort trat auch Mario Draghi auf, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB). In seiner kurzen Rede liess er einen Satz fallen, der einschlug: «Die EZB ist bereit, alles Nötige zu tun, um den Euro zu erhalten.» Und um der Aussage Nachdruck zu verleihen, fügte er bei: «Und glauben Sie mir, es wird genug sein.»

«Whatever it takes» war der englische Wortlaut seines Versprechens. Bis heute gelten die drei Worte vom 26. Juli 2012 als Wendepunkt im Verlauf der europäischen Schuldenkrise. Konkret wird Draghi erst in der EZB-Sitzung im September. Dort stellt er die Outright Monetary Transactions (OMT) vor. Sie ermöglichen der EZB, unbeschränkt Anleihen von Eurostaaten zu kaufen, sofern die Länder gewisse Kriterien erfüllten. Ironie der Geschichte: Die OMT wurden nie beansprucht. Allein schon deren Ankündigung reichte, um die Eurokrise zu entschärfen.

Jahrelange Pflasterpolitik

Als Draghi in London die historischen Worte spricht, dauert die Eurokrise schon fast drei Jahre. Sie beginnt im Oktober 2009, als der frisch gewählte Premierminister Giorgios Papandreou gesteht, dass Griechenlands Defizit viel höher ist als von der Vorgängerregierung gemeldet. Die Gläubiger reagieren nervös, schliesslich liegt Griechenlands Schuldenquote zu diesem Zeitpunkt bereits über 100% des BIP. Die Bondkurse fallen, die Renditen schiessen in die Höhe. Zum ersten Mal seit Bestehen der Währungsunion muss ein Land deutlich höhere Zinsen als andere Mitgliedsländer bezahlen.

Darauf ist man in der Eurozone nicht vorbereitet. Sie wurde so konstruiert, dass die Mitglieder sich nicht übermässig verschulden und keine Insolvenzgefahr auftreten kann. Papandreous angekündigtes Sparprogramm vermag die Märkte nicht zu überzeugen. Hinter den Kulissen laufen Gespräche zwischen Athen und den EU-Partnern über ein Hilfspaket. Auch der IWF drängt auf Teilnahme. Im Mai 2010 erhält Athen einen Hilfskredit über 110 Mrd. € zugesprochen, obwohl die Gründungsverträge der Währungsunion ausschliessen, dass ein Euroland für ein anderes haftet. Griechenland ist damit aber nicht aus dem Schneider und bald nicht mehr das einzige Euroland in Finanznot: Irland und Portugal müssen ebenfalls unter den Rettungsschirm. Trotz Kritik aus Deutschland kauft die EZB Staatsanleihen der maroden Euroländer.

Doch die Krise zieht weitere Kreise. Wer fällt als nächstes? Was wäre, wenn Italien oder Spanien gerettet werden müssen? Auch dort ziehen die Bürger ihr Geld von den Banken ab. Das Kapital flieht Richtung Norden und in den Schweizer Franken. Das zwingt die SNB (SNBN 1975 1.54%) im September zur Einführung des Mindestkurses von 1.20 Fr./€ . Die europäischen Banken ziehen sich aus dem Kreditgeschäft mit den südlichen Euroländern zurück. Das führt zu  einer massiven Zunahme der Verbindlichkeiten der Krisenländer im Zahlungssystem Target2 gegenüber der EZB. Diese senkt die Zinsen und pumpt über langfristige Refinanzierungsgeschäfte LTRO eine halbe Bio. € ins Bankensystem.

Eskalation in Spanien

Anfang Februar 2012 steht das zweite Hilfspaket für Griechenland, das auch einen Schuldenschnitt für private Gläubiger umfasst. Während sich die Lage in Italien unter dem Berlusconi-Nachfolger Mario Monti etwas stabilisiert, eskaliert im Frühling in Spanien die Immobilien- und Bankenkrise. Im Juni muss auch Spanien externe Hilfe beantragen. Zur Rekapitalisierung der Banken werden 100 Mrd. € zugesprochen. Ein Krisengipfel folgt dem nächsten. Für den permanenten Rettungsschirm ESM müssen nur noch wenige Hürden genommen werden. Auch erste Schritte Richtung Bankenunion werden eingeleitet.

Den Wendepunkt führt aber erst Draghis «Whatever it takes» herbei. Erst danach beruhigen sich die Finanzmärkte.  Der Kapitalabfluss ist gestoppt. Die Wirtschaft beginnt sich zu erholen, nur die Deflationsgefahr bleibt. Nach weiteren Zinssenkungen beginnt die EZB Anfang 2015 mit der Politik der quantitativen Lockerung (QE). Sie kauft Staatsanleihen aller Mitgliedstaaten sowie andere Wertpapiere und schwächt damit den Euro. Im Sommer 2015 flackert die Griechenlandkrise mit dem Referendum über weitere Hilfskredite nochmals auf. Doch nun ist die Eurozone robust genug und lässt sich nicht mehr anstecken.

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