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17:00 Uhr - 05.02.2016

«Es stehen magere Anlagejahre bevor»

Marc Faber findet, dass praktisch sämtliche Vermögenswerte überteuert sind. Ausnahmen sind Edelmetalle, Minen- und Schwellenländeraktien.

Zur PersonDer Schweizer Anlagestratege Marc Faber mit Wohnsitz in Thailand wird oft als chronischer Baissier und «Dr. Doom» bezeichnet. Er ist jedoch mehr Contrarian als Untergangsprophet und gibt auch Kaufempfehlungen ab. Darunter besonders erfolgreich waren beispielsweise asiatische Aktien, Gold und Rohstoffe im Jahr 2002, als Investoren einen weiten Bogen um diese Anlagen machten, oder 2012 italienische und spanische Aktien. Im Herbst 2013 empfahl er US-Treasuries, die danach zu den besten Anlagen zählten.

Der 69-jährige Faber studierte an der Universität Zürich Wirtschaftswissenschaften und doktorierte auch in seiner Heimatstadt. Von 1970 bis 1978 arbeitete er bei White Weld & Company in New York, Zürich und Hongkong, wohin er 1973 zog. Von 1978 bis 1990 war er Managing Director bei Drexel Burnham Lambert. Danach gründete er die Investmentgesellschaft Marc Faber Ltd. mit Sitz in Hongkong.
Wenn der Schweizer Anlageexperte Marc Faber in der Öffentlichkeit auftritt, ist Grossandrang garantiert. So auch an der Finanzmesse «Finanz’16» diese Woche in Zürich, wo der Tonhallensaal während Fabers Präsentation bis auf den letzten Platz gefüllt war. Der Autor des Gloom-Boom-Doom-Reports ist für seine markigen Aussagen bekannt, und auch in seiner Heimatstadt nahm er kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Kritik an interventionsgläubigen Politikern und Professoren ging. Fabers ökonomisches Denken ist geprägt von den Theorien der österreichischen Schule, deren Vertreter Friedrich August von Hayek und Ludwig von Mises er regelmässig zitiert. Im Gespräch mit «Finanz und Wirschaft» erklärt Faber, weshalb Anlegern magere Jahre bevorstehen und was Sparer in dieser Situation tun können.

Herr Faber, ist die fast siebenjährige Börsenhausse nun zu Ende?
Ich denke schon. Der Punkt, an dem die Mehrheit der Aktien den Höhepunkt überschritten haben, ist erreicht. Der breite US-Aktienindex S&P 500 (SP500 1883.96 -1.64%) hat zwar seit dem Höchst im Mai erst etwa 10% ­verloren. Im Durchschnitt aber haben US-Aktien seit dem Höhepunkt mehr als 25% eingebüsst. Denn der S&P 500 wird durch ein paar wenige Werte wie Facebook (FB 104.875 -5.08%) und Alphabet (GOOGL 703.35 -3.65%) hochgehalten. In anderen Aktienmärkten ist das Ende der Hausse noch deutlicher: Viele Emerging Markets befinden sich schon seit Jahren in einem Bärenmarkt. Bedenklich ist übrigens auch die Schwäche der Finanztitel.

Was spricht dagegen, dass sich die Börsen von den jüngsten Rückschlägen rasch wieder erholen und neue Höchst erklimmen?
Erstens nimmt die globale Liquidität, das Schmiermittel der Finanzmärkte, zum ersten Mal seit Jahren ab. Zweitens führt der Zerfall der Rohstoffpreise dazu, dass die Staatsfonds der erdölexportierenden Länder Aktien und Anleihen verkaufen müssen und nicht mehr auf der Käuferseite stehen. Die Nachfrage nach Vermögenswerten wird deshalb in nächster Zeit enttäuschend sein. Ausserdem ist der Ausblick für die Weltwirschaft alles andere als vielversprechend.

Wie kommen Sie darauf, dass die globale Liquidität abnimmt? Die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan pumpen doch Milliarden ins System, und China senkt laufend die Zinsen.
Ein guter Indikator für die globale Liquidität sind die Devisenreserven der Zentralbanken, ergänzt um die US-Staatsanleihen und mit Hyoptheken besicherten Wertschriften der US-Notenbank Fed. Viele Schwellenländer und besonders China häufen keine Devisenreserven mehr an, sondern verkaufen Dollars und Euros, um die Abwertung zu bremsen. Das entzieht der Weltwirtschaft Liquidität.

Die niedrigen Rohstoffpreise haben aber auch Vorteile, zum Beispiel für Roh­stoffimporteure und die Konsumenten.
Die grossen Industriestandorte wie Südkorea oder China, die Rohstoffe importieren, müssten eigentlich profitieren. Aber das Problem ist, dass ihre Absatzmärkte unter dem Einbruch der Energiepreise leiden. Deshalb können sie weniger exportieren. In den USA bezahlt der Konsument zwar jetzt weniger für Benzin und Heizöl, dafür haben wegen Obamacare die Gesundheitskosten zugenommen, sodass das verfügbare Einkommen nicht gestiegen ist.

Weshalb schätzen Sie die globalen Konjunkturaussichten so negativ ein?
In den USA schrumpft derzeit die Industrieproduktion, und das Risiko einer Rezession ist deutlich gestiegen. Im Unterschied zu 2007 sind heute auch viele Schwellenländer in einer prekären Verfassung. Brasilien und Russland stecken in einer Rezession. China hat ein Schuldenproblem, und die Wirtschaft wird in den nächsten drei Jahren kaum mehr wachsen. Hinzu kommt der globale Kaufkraftverlust als Folge des Währungskriegs. Wenn Japan abwertet, nimmt die Wirtschaftskraft gemessen in Dollar ab. Dadurch sinkt die globale Kaufkraft. Nicht zu vergessen sind die geopolitischen Risiken. Ich sehe derzeit keinen Katalysator, der die Weltwirtschaft beleben könnte.

Was bräuchte es, damit es aufwärtsgeht?
Die über Jahre aufgeblähten Vermögenswerte müssen im Preis deutlich fallen, damit sie wieder erschwinglich werden. Aktien, Anleihen und Immobilien sind heute sehr teuer im Verhältnis zu den Löhnen: Heute müssen Sie viel länger arbeiten, um den SMI (SMI 7967.73 -0.45%) zu kaufen, als vor vierzig Jahren.

Wie wichtig ist China für den Rest der Welt?
Die ökonomische Machtverschiebung vom Westen in Richtung Asien ist schon länger in Gang. China konsumiert mehr Aluminium und Kupfer als die USA, Europa und Japan zusammen. Deshalb führt die Verlangsamung des Wachstums auf den Rohstoffmärkten zu solchen Ver­werfungen. Länder, die lange von Chinas Rohstoffhunger profitiert haben, leiden jetzt besonders. Ihre Nachfrageschwäche steckt auch Länder an, die keine Rohstoffe exportieren. So breitet sich Chinas Schwächeanfalll um die Welt aus.

Was bedeutet die schwache US-Konjunktur für die Geldpolitik des Fed?
In diesem Umfeld wird die US-Notenbank die Zinsen nicht mehr weiter erhöhen. Die Amerikaner haben es geschafft, im dümmsten Augenblick die Zinsen anzuheben. Im März wird das Fed auf einen weiteren Schritt verzichten und im Sommer den Leitzins wieder auf null senken. Schon im Herbst dürfte dann ein neues Anleihenkaufprogramm lanciert werden. Das wäre dann das vierte seit der Finanzkrise, ein QE4 sozusagen.

Was heisst das für die Währungen?
Ich warne davor, naiv auf einen steigenden Dollar zu setzen. So viel besser als der europäischen geht es der US-Wirtschaft nicht. Das Potenzial und die Stärken des Euros werden derzeit unterschätzt.

Wenn die USA die Zügel lockern, nehmen die Verzerrungen wieder zu, auf die sie seit Jahren aufmerksam machen.
Ja genau, die Probleme werden dann einfach noch weiter in die Zukunft geschoben, und die Ungleichgewichte werden noch grösser. Denn wer profitiert letztlich von den Nullzinsen? Es sind die Regierungen, die dadurch gratis noch mehr Schulden machen können, und die Reichen, ­deren Vermögenswerte sich weiter aufblähen. Der Normalbürger hat wenig davon. Er kann sich trotz niedriger Hypothekarzinsen kein Haus oder keine Wohnung leisten, weil die Preise derart hoch sind.

Sie sagen, dass eine Nullzinspolitik deflationär wirken kann. Wie passt das zusammen?
Weil es keine Devisenkontrollen mehr gibt, kann eine lockere Geldpolitik im einen Land einen unbeabsichtigten Investitionsboom in anderen Ländern auslösen. Genau das ist während der amerika­nischen Nullzinspolitik passiert. Das Kapital ist dorthin geflossen, wo die Renditeaussichten besser waren. Das führte zu einem enormen Anstieg der Investitionen in die Produktionskapazität in den Schwellenländern. Wegen der Überkapazitäten fallen nun die Preise, obwohl die Notenbank das Gegenteil erreichen wollte.

Da die Geldpolitik kaum wirkt, fordern Ökonomen wie Larry Summers oder Joseph Stieglitz eine expansivere Fiskalpolitik. Wäre das die Lösung?
Nein, denn der Staat hat im Westen schon ein zu grosses Gewicht. Die hohe Staatsquote ist der Hauptgrund für die strukturellen Wachstumsprobleme der Industrieländer. Weil die Privatwirtschaft immer stärker eingedämmt wird und die staatlichen Aufgaben zunehmen, sinkt die Produktivität der ganzen Volkswirtschaft. Der Staat hat die Schulden seit der Finanzkrise bereits massiv ausgeweitet, während die Privatwirtschaft Schulden getilgt hat. Die Kredite werden also vorwiegend dem Staat vergeben statt der produktiveren Privatwirtschaft. Eine expansive Fiskalpolitik würde das Problem noch verschärfen.

Wenn der Staat investiert, zum Beispiel in die Infrastruktur, könnte das doch auch die Produktivtät erhöhen?
Nicht wenn bei der Vergabe der Grossprojekte die Korruption grassiert, was selbst in den USA der Fall ist.

Allgemein zeichnen Sie ein eher düsteres Bild für die Finanzmärkte. Sollen Anleger nur noch Bargeld horten?
Bargeld ist keine Lösung. Die Geschichte lehrt uns, dass Leute, die ihr Geld immer brav auf die Bank gebracht haben, arm gestorben sind. Leuten mit Aktienpaketen und Immobilien ist es in der Regel besser ergangen. Anleihen kann man bei den niedrigen oder gar negativen Zinsen auch nicht mit gutem Gewissen empfehlen. Wer sie bis an das Ende der Laufzeit hält, macht einen sicheren Verlust. Mit einem Anlagehorizont von zehn Jahren hätte ich einen Teil meines Vermögens doch lieber in Aktien wie Nestlé (NESN 73.45 -1.28%), obwohl sie nicht billig sind. Sie werden mit dem breiten Aktienmarkt in den nächsten Jahren zwar kaum Geld verdienen, aber deswegen sind Anleihen oder Bargeld keine Alternativen.

Sie würden aber den SMI kaufen?
Ich vertraue mein Geld lieber jemandem, der sich mit dem Markt beschäftigt, auch manchmal an Analysten-Meetings geht, günstige Titel kauft und teure verkauft und auch Nebenwerte anschaut. Der SMI besteht ja mehr oder weniger aus Nestlé, Novartis (NOVN 73.95 -0.74%) und Roche (ROG 252.7 -0.32%) (RO 252.25 -0.49%) sowie ein paar Finanz­werten. Von Letzteren halte ich mich lieber fern. Die Branche bezahlt noch immer viel zu hohe Löhne, auch wenn die Leistung nicht stimmt. Ich denke, dass nach Jahren der starken Fixierung auf Index­anlagen der Trend wieder in Richtung aktivem Management geht.

Welche Aktien aus welchen Regionen kommen eher infrage als andere?
Grundsätzlich möchte ich dort investieren, wo die Bedingungen für mehr Wirtschaftswachstum besser sind. Das Wachstumspotenzial von China und den Schwellenländern ist viel grösser als das im­ ­Westen, doch im Moment sieht es nicht gut aus. Schwellenländeraktien sind zwar günstig bewertet, vor allem im Vergleich zu US-Aktien, doch für ein grosses Engagement ist es noch zu früh.

Gibt es Länder, deren Börsen jetzt besonders attraktiv sind?
Der indische Aktienmarkt hat in einem Jahr ebenfalls fast 20% eingebüsst. Da lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Die Wirtschaft wächst ansprechend, und mit den Reformen geht es langsam, aber stetig voran. Sehr attaktiv ist auch der vietnamesische Markt, für Ausländer ist er aber nicht so einfach zugänglich.

Was ist mit Edelmetallen und Minenaktien?
Edelmetalle sind nach wie vor attraktiv und stossen wieder auf mehr Interesse. Auch die Kurse von Minenaktien steigen. Ihr Potenzial ist ebenfalls sehr gross, aber die hohe Verschuldung hat selbst die ­etablierten Namen zu hochspekulativen Anlagen gemacht. Barrick Gold (ABX 11.44 2.33%) (Gold 1155.02 -0.03%) ist das Schuldenproblem jetzt angegangen, was der Markt mit deutlichen Kursavancen honoriert hat. Von den grossen Minen erscheint mir Freeport-McMoRan (FCX 5.75 0.52%) derzeit am interessantesten. Die Aktien sind spekulativ, haben aber grosses Potenzial.

Und Immobilien?
Wenn ich in Europa leben würde, würde ich jetzt Liegenschaften in Portugal, Spanien, Italien und Osteuropa anschauen.

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