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10:11 Uhr - 06.10.2016

«Gefahr einer Blasenbildung steigt»

Randall Kroszner, früheres Mitglied des Direktoriums der US-Notenbank, erwartet eine Zinserhöhung im Dezember. Den Wahlen misst er dabei wenig Bedeutung zu.

Randall Kroszner kennt den inneren Zirkel der amerikanischen Notenbank. Von 2006 bis 2009 sass der promovierte Ökonom als Gouverneur im Führungsgremium des Fed. Unter dem Vorsitz von Ben Bernanke legte er zusammen mit seinen Kollegen die amerikanische Geldpolitik fest.

«Die US-Wirtschaft ist robust genug für eine Zinserhöhung», sagt Kroszner, der heute als Wirtschaftsprofessor an der University of Chicago Booth School of Business lehrt, gegenüber «Finanz und Wirtschaft». Er glaubt, dass das Fed die Zinsen im Dezember anheben wird.

Kontroverse im Fed

Die Unstimmigkeit unter den amerikanischen Währungshütern hat jüngst zugenommen. Nicht alle sind mit der abwartenden Haltung in der Geldpolitik einverstanden: Gleich drei Mitglieder des zehnköpfigen Entscheidungskomitees haben beim Zinsentscheid im September für eine Straffung der Geldpolitik plädiert.

«Die Zahl der Abweichler ist ziemlich ungewöhnlich für Janet Yellen und zeigt, dass es innerhalb des Gremiums einen grossen Druck gibt, die Zinsen zu erhöhen», meint Kroszner. Die Fed-Chefin lege viel Wert darauf, einen Konsens zu finden, und habe die Meinungsverschiedenheiten unter ihrem Vorsitz minimiert.

Für eine Anhebung der Zinsen sprach sich etwa Eric Rosengren aus, der Präsident der Distriktnotenbank Boston. Er befürchtet, dass die niedrigen Zinsen zu einer Überhitzung im Markt für Gewerbeimmobilien führen. «Es ist zwar unwahrscheinlich, dass der Sektor die Finanzstabilität bedroht», erklärte Rosengren in einer Rede Ende August. Doch sollten die Preise einbrechen, könne das zu Verlusten für die Banken führen, die als Folge davon die Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte einschränken. Kroszner teilt die Sorgen des Notenbankers. Die Preisentwicklung für Gewerbeimmobilien erinnere zunehmend an das Jahr 2007, meint er. «Die Gefahr einer Blase nimmt zu, wenn das Fed mit der Zinserhöhung zu lange wartet», warnt der Ökonom.

Signal an Wallstreet

In den Fokus rücken nun die Reden von Yellen sowie den übrigen Mitgliedern des Fed-Gremiums. Sie sind ein wichtiges Instrument, um die Zinspläne der Notenbank in die Finanzmärkte zu telegrafieren.

«Das Fed will die Finanzmärkte nicht auf dem falschen Fuss erwischen», erklärt Kroszner. Die US-Notenbank hat Lehrgeld bezahlt: Im Mai 2013 kündigte Ben Bernanke das Auslaufen des Wertschriftenkaufprogramms an (Tapering). Kroszner: «Seine Aussagen hatten starke und ungewollte Auswirkungen auf die US-Zinsen und auf die internationalen Kapitalströme.» Heute sei das Risiko für Marktturbulenzen aber geringer. «Ich denke, sämtliche Marktteilnehmer verstehen, dass sich das Fed auf einem Zinserhöhungspfad befindet», glaubt er.

zoomDie Macht von Wallstreet sei aber beschränkt. «Yellen ist sicherlich gewillt, die Zinsen auch dann zu erhöhen, wenn die Finanzmärkte diesen Schritt nicht vorwegnehmen», erklärt der Ökonom. Er verweist darauf, dass die Skepsis der Marktteilnehmer vor der ersten Zinserhöhung im Dezember 2015 gross war. «Wallstreet bewertete die Chancen für einen Zinsschritt ungefähr mit 50:50», sagt Kroszner. Für das Treffen im kommenden Dezember messen die Finanzmärkte einer Zinserhöhung derzeit 60% Wahrscheinlichkeit zu.

Weitere Anhaltspunkte für die Geldpolitik erhoffen sich Anleger und Analysten vom Arbeitsmarktbericht, der am Freitag veröffentlicht wird. Für die Währungshüter zählt die Lage am Jobmarkt zu den wichtigsten Entscheidungskriterien.

Von den Präsidentschaftswahlen werde sich die US-Notenbank dagegen kaum beirren lassen. «Das Fed wird verschiedene Szenarien durchspielen, aber die Wahlen dürften nicht der Haupttreiber für den Zinsentscheid sein», hält Kroszner fest. Das Fed werde versuchen abzuschätzen, wie die zukünftige Fiskalpolitik aussehen könnte, um die Konjunkturentwicklung zu prognostizieren. «Weder Hillary Clinton noch Donald Trump haben Disziplin beim Haushalt signalisiert.»

Pläne für eine expansive Fiskalpolitik dürften im Kongress aber auf Widerstand stossen. «Der Senat und das Repräsentantenhaus haben sich für Disziplin bei der Ausgabenpolitik ausgesprochen», sagt der Wirtschaftsprofessor. Für den zukünftigen Präsidenten werde es daher schwierig sein, die Zustimmung für expansive Massnahmen zu erhalten.

zoomSelbst wenn der Kampf um das Weisse Haus für das Fed eine untergeordnete Rolle spielt, etwas klarer wird Amerikas Zukunft nach dem Wahltag sein. In fünf Wochen, am 8.  November, wählen die Amerikaner ihren neuen Präsidenten. An den Wahlbörsen führt Clinton mit deutlichem Vorsprung: Ihre Chancen auf einen Sieg werden mit 70% beziffert. Weniger komfortabel fällt Clintons Führung in den Wählerumfragen aus. Sie kommt aktuell auf 49% der Stimmen. Immerhin 43% sprechen sich für Trump aus.

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