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11:48 Uhr - 29.03.2016

«Chinas Industrietitel können sich erholen»

Joshua Crabb, Chef asiatische Aktien bei Old Mutual Global Investors, sieht dank der negativen Stimmung Chancen in Schwellenländeraktien. Im Interview mit FuW nennt er Beispiele.

Zur PersonJoshua Crabb ist Chef asiatische Aktien beim Fondshaus Old Mutual Global Investors. Bild: ZVGHerr Crabb, das Wachstum in den Schwellenländern hat sich verlangsamt. Ist es für Anleger überhaupt noch sinnvoll, in Aktien von dort zu investieren?
In Ländern wie Russland oder Brasilien hat sich das Wachstum nicht nur verlangsamt, sondern die Wirtschaft schrumpft sogar. Dagegen ist in Asien nur ein sanfter  Rückgang der Wachstumszahlen zu beobachten. Natürlich gibt es die Debatte, ob China 5 oder 7% wachsen wird. Aber das ist immer noch hoch. Die Wachstums-Story ist also nach wie vor intakt. Ausserdem ist für mich Anlegen immer eine Frage der Bewertung.

Und die Bewertungen sind attraktiv?
Schwellenländeraktien sind wirklich günstig geworden. Bei einem solch tiefen Bewertungsniveau ist historisch gesehen die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie eine positive Performance liefern werden. Die Bewertungskennzahlen waren in der Vergangenheit nach unten wie nach oben übertrieben. So handelten chinesische Festlandaktien Ende 2014 mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7 viel zu billig. Daraufhin stieg es in weniger als einem Jahr auf 25. Das war wiederum viel zu teuer, und die Kurse sind seitdem entsprechend gesunken.

Die Unternehmensgewinne der Schwellenländer sind aber im Abwärtstrend. Sind günstige Bewertungen damit nicht gerechtfertigt?
Für mich ist das Kurs-Buch-Verhältnis ein besserer Indikator als nur die Gewinne. Die Erwartungen der Anleger für die Gewinne könnten zu pessimistisch sein. Beispielsweise trifft man heute Vorhersagen für Ölunternehmen auf Basis eines Erdölpreises von 30 $ je Fass. Überall hört man nun von den Problemen in Asien. Selbst Taxifahrer erzählen mir von der Abwertung des Renminbis oder den Schwierigkeiten des chinesischen Bankensektors. Das heisst für mich, dass die Erwartungen sehr negativ sind. Und das ist die beste Zeit, um Kursgewinne zu erzielen. Letztes Jahr waren etwa argentinische Staatsanleihen sehr unbeliebt. Diese Anlageklasse erreichte den höchsten Gewinn.

Das hätte auch anders ausgehen können.
Es geht darum, dass aus einer kleinen Verbesserung der Erwartungen grosse Gewinne zu erzielen sind. Solche Anlagen haben Optionscharakter, und die suche ich.  Andersherum muss man Märkte meiden, für die zu hohe Erwartungen gehegt werden. Ein Beispiel ist Vietnam. 2007 galt es als das neue China, von dem grosses Wachstum erwartet wurde. Aber damals war der Markt sehr teuer, die Banken haben sich übernommen, und die Währung war überbewertet. Dagegen ist der Markt seit vergangenem Jahr höchst unbeliebt. Die Währung ist nicht mehr überbewertet, die Banken haben sich rekapitalisiert, die Aktien sind tief bewertet und weisen eine hohe Dividendenrendite auf.

Gibt es auch am chinesischen Aktienmarkt gute Kaufgelegenheiten?
Ja, ganz sicher. Viele sagen zum Beispiel, dass die chinesische Industrie tot sei. Zugegeben, für arbeitsintensive Prozesse wie die Montage von Handys sieht es schlecht aus. Aber die Kameras, Prozessoren und Sensoren in Smartphones sind ein margenstarkes Geschäft. Die chinesischen Unternehmen in dieser Branche werden ihren Absatz markant steigern, da sie bei der Technologie aufgeholt haben.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Der Chiphersteller Hua Hong ist günstig bewertet und bewegt sich in der Wertschöpfungskette in China nach oben. Er ist in der Position, den Marktanteil zu vergrössern, da immer mehr technisch höher entwickelte Komponenten aus dem Inland bezogen werden, die bisher von ausländischen Lieferanten kamen. Ein anderes Beispiel ist der chinesische Automobilzulieferer Minth. Auch dieses Unternehmen ist auf Kurs, seinen Marktanteil im Inland und international zu vergrössern. Mit technisch anspruchsvolleren Produkten ersetzt es teurere, internationale Zulieferer im Automobilsektor.

Erscheint Chinas Börse wegen der tief bewerteten staatlichen Industrieunternehmen nicht günstiger, als sie tatsächlich ist?
Am günstigsten sind in China tatsächlich die Titel der staatseigenen Industriebetriebe. Meist sind diese in der Schwerindustrie aktiv, die von Überkapazitäten gezeichnet ist. Aber wenn die Wirtschaft etwas besser läuft, werden die günstigsten Titel am meisten davon profitieren. Dagegen werden für die beliebten Konsumwerte schon hohe Erwartungen gehegt.

Anlagen in solche Titel kommen für Sie also auch in Frage?
Ja. Die Staatsbetriebe werden rekapitalisiert. Es wird zu zahlreichen Fusionen und zur Schliessung von Werken kommen, dadurch werden Überkapazitäten abgebaut. Chinas Regierung hat klargemacht, dass sie die Effizienz der Staatsunternehmen erhöhen will. Positiv stimmt mich auch, dass chinesische Unternehmen beim Aufbau der Infrastruktur in Indien, Pakistan oder Indonesien beteiligt sein werden. China hat gezeigt, dass es Qualität liefern kann. Selbst in Grossbritannien ist geplant, ein Atomkraftwerk von einem chinesischen Unternehmen bauen zu lassen.

Wo sonst sehen Sie in Asien gute Chancen?
Indonesien steht besser da, als die meisten denken. Wegen des hohen Leistungsbilanzdefizits geriet der indonesische Finanzmarkt unter Druck. Über die vergangen Jahre hat sich die Währung 70% abgewertet. Da die Unternehmen nicht wie in der Asienkrise 1997 in Dollar verschuldet waren, hat die Wirtschaft unter dem Anpassungsprozess nicht wirklich gelitten. Die Aktien sind nun deutlich günstiger. Das Wirtschaftswachstum hält an. Mit seinen über 200 Mio. Einwohnern hat Indonesien in fast allen Bereichen Aufholpotenzial.

Was ist mit den schon entwickelteren Märkten wie Taiwan und Südkorea?
Vor zehn Jahren war Taiwan von der PC-Herstellung abhängig. Als die Löhne dort nicht mehr wettbewerbsfähig waren, drohte eine Krise. Aber die Fertigung wurde erfolgreich nach China umgesiedelt. Mit dem Rückgang des PC-Absatzes hat man dann den Wechsel in die Smartphone-Branche geschafft. Nun ist die Frage, was als Nächstes kommt. Sorgen muss man sich nicht machen. Die Unternehmen in Taiwan sind erfahrungsgemäss sehr flexibel und anpassungsfähig.

Und wie beurteilen Sie Südkorea?
Die Aktien sind sehr günstig. Doch die Unternehmen waren durch die Abwertung des  Yens grossem Druck ausgesetzt, da sie mit japanischen Unternehmen in direktem Wettbewerb stehen. Sie haben sich aber überraschend gut geschlagen. Obwohl die japanische Notenbank die geldpolitische Lockerung weiter vorantreibt, hat sich der Yen nun aufgewertet. Das weist darauf hin, dass der Abwertungszyklus der japanischen Währung zu Ende geht. Für koreanische Aktien spricht besonders, dass viele Unternehmen eine steigende Dividendenausschüttung anpeilen. Das gab es noch nie. Es gibt politischen Druck, dass die Aktionäre wie etwa Pensionskassen regelmässig Mittel ausgeschüttet bekommen.

Welche Sektoren sind für Sie in Südkorea  am interessantesten?
Wegen der niedrigen Schulden und der schwächeren koreanischen Währung finde ich besonders Samsung (SMSD 415.1 1.92%) Electronics und die gesamte Autoindustrie interessant. Diese Unternehmen haben sich verpflichtet, Kapital an die Aktionäre zurückzuführen. Samsung werden momentan zu einem KGV von 10 gehandelt. Das Unternehmen hat keine Schulden und besitzt eine international bekannte Marke. In der Autoindustrie haben die Koreaner viel in Fahrerassistenzsysteme investiert und sind jetzt in bester Ausgangslage.

Wie schätzen Sie den indischen Markt ein?
Zwar hat Premier Narendra Modi nicht so schnell Reformen umgesetzt, wie das erhofft wurde. Doch obwohl das indische Parteiensystem sehr zersplittert ist, hat seine Partei die Wahlen in den Bundesstaaten für sich entschieden. Das heisst, dass er seine Pläne umsetzen kann. Die Hoffnung auf Reformen hatte den Markt beflügelt. Dann zeigten sich Anleger vom politischen Fortschritt enttäuscht. Nun sind die Bewertungen weder besonders hoch noch besonders niedrig. Die Kurse sind durch die hohen Zinsen noch unter Druck. Die Zentralbank hat der Regierung aber zu verstehen gegeben, dass sie mit niedrigeren Zinsen rechnen kann, wenn sie die staatseigenen Unternehmen und Banken restrukturiert.

Welche Sektoren sind in Indien interessant?
Die Entwicklung Indiens wird nicht durch den Konsum in den Städten, die IT-Konglomerate und die Callcenter vorangetrieben. Man kann die ländlichen Gebiete nur durch den Aufbau von einfacher Industrie entwickeln. Das Problem ist aber, dass die Stromversorgung nicht gesichert ist. Es fehlt auch an Strassen und Häfen. Daher investiere bevorzugt in diese Bereiche. Ausserdem sind die Outsource-Spezialisten weniger gefragt, da internationale Unternehmen direkt dort Niederlassungen ansiedeln.

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