Im Stabilitätsbericht 2016 fordert die Schweizerische Nationalbank (SNB) alle Banken auf, ihre Widerstandskraft zu stärken.
Die beiden Schweizer Grossbanken seien in den vergangenen zwölf Monaten widerstandsfähiger geworden, urteilt die Schweizerische Nationalbank (SNB (SNBN 1120 0%)) im Stabilitätsbericht 2016, der am Donnerstag publiziert worden ist. Dennoch ortet sie einen Kapitalbedarf von «je ungefähr 10 Mrd. Fr». Die inlandorientierten Banken seien in den Märkten für Hypotheken und Wohneigentum noch stärker exponiert als zuvor, ihr Exposure habe «erheblich zugenommen». Der jährliche Finanzstabilitätsbericht der SNB geniesst seit der Finanzkrise erhöhte Aufmerksamkeit (vgl. Textkasten).
Die Grossbanken erfüllen die Anforderungen der bereits beschlossenen Kapitalvorschriften der Too-big-to-fail-Regulierung schon jetzt fast vollumfänglich, obwohl diese erst ab Anfang 2019 in Kraft treten, stellt die SNB fest. Neue, revidierte Vorschriften bedingten allerdings, dass die beiden Banken ihr Kapital weiter stärkten.
UBS-Rettung, CS am PrangerSeit der Zeitenwende am Schweizer Finanzplatz, als die Nationalbank und der Bund im Herbst 2008 die UBS vor dem Untergang retteten, geniesst der jährliche Bericht der SNB zur Finanzstabilität erhöhte Aufmerksamkeit. Zudem kam es vier Jahre später zu einem Eklat. Im Stabilitätsbericht 2012 forderte die SNB die Grossbanken und namentlich die Credit Suisse unverblümt auf, mit Blick auf eine allfällige Zuspitzung der Eurokrise noch im laufenden Jahr «deutlich mehr echtes Eigenkapital» zu bilden. Die Banken gaben sich irritiert, die Anleger waren verunsichert. Die Aktien der CS sanken damals an einem Tag gut 10%.
Hinzu kam, dass Journalisten den Finanzstabilitätsbericht schon drei Tage vor der Veröffentlichung an einer Medienpräsentation der SNB erklärt bekommen hatten, so wie das in den Vorjahren üblich gewesen war. Hinweise auf Insiderhandel zeigten sich jedoch keine, weder am Aktien- noch am Derivatmarkt. Abgesehen davon hatte die SNB die Grossbanken schon im Bericht 2011 deutlich angehalten, ihr Kapital zu erhöhen, allerdings ohne CS oder UBS namentlich zu erwähnen. Dannzumal hatte die Börse nicht reagiert. Seit dem Eklat vom Sommer 2012 wird die traditionelle Medienpräsentation vorab nicht mehr durchgeführt.
Verlustgefahr bei den Grossbanken
Das Verlustpotenzial sei nach wie vor beträchtlich, führt die SNB aus, das zeigten ihre Stresstests. Unter vier negativen Szenarien wäre eine tiefe Rezession in den USA für die Grossbanken am schlimmsten. Ebenfalls gravierend wäre ein Aufflammen der Eurokrise mit einer Rezession oder eine Krise in den Schwellenländern, ähnlich wie sie in Asien in den späten Neunzigerjahren stattfand. Das vierte Szenario, eine schnelle Normalisierung der weltweiten Geldpolitik, wird für die Gross- im Gegensatz zu den Inlandbanken nicht genannt.
Am grössten sei die Verlustgefahr bei ausstehenden Krediten in den USA und der Schweiz, beim Gegenparteirisiko in Derivaten, der Finanzierung von Wertschriftenkäufen sowie Anlagen in Aktien und Anleihen.
Mehr Coco-Bonds erforderlich
Die Kapitalanforderungen sind komplex, und die Nationalbank liefert eine Reihe von Kennzahlen, um die Resilienz der Grossbanken darzulegen. Trotz der insgesamt verbesserten Widerstandsfähigkeit stehen die Grossbanken nicht überall gut da. Eine Kennzahl basiert auf den risikogewichteten Aktiven und betrifft zusätzlich gefordertes verlustabsorbierendes Kapital – es soll eine Sanierung oder Abwicklung ermöglichen, falls Verluste aus der Geschäftstätigkeit einen regulären Betrieb nicht mehr weiter zulassen (Gone Concern). Da stehen die Schweizer Grossbanken im internationalen Vergleich nicht gut da.
Einen Kapitalbedarf von je 10 Mrd. Fr. für Credit Suisse (CSGN 11.29 -2.76%) und UBS (UBSG 13.3 -1.63%) kalkuliert die SNB mit Blick auf die revidierten Schweizer Vorschriften (Too big to fail 2) für den laufenden Betrieb (Going Concern). Die SNB schlägt vor, um diesen Kapitalbedarf zu decken, könnten die Grossbanken Coco-Bonds ausgeben – solche Anleihen werden im Notfall in Eigenkapital umgewandelt.
Ungleichgewichte im Immobilienmarkt
Mit Blick auf die inlandorientierten Banken stellt die SNB fest, das Volumen an Hypotheken habe 2015 weniger schnell zugenommen als zuvor. Diese Verlangsamung gehe aber im wesentlichen auf die beiden Grossbanken zurück. Auch die Immobilienpreise seien langsamer gestiegen als früher. Dennoch hätten sich die Ungleichgewichte am Immobilienmarkt verstärkt. Grund dafür sind schlechtere Fundamentaldaten wie das Wirtschaftswachstum, die Bevölkerungszunahme und die Entwicklung der Mieten. Vor diesem Hintergrund seien die Inlandbanken deutlich stärker exponiert als vor zwölf Monaten.
Anzeichen für Ungleichgewichte gebe es in verschiedenen europäischen Immobilienmärkten, führt die SNB aus, besonders in Grossbritannien und Frankreich. Ein Massstab dafür ist das Verhältnis zwischen Kaufpreisen und Mieten. Ein Grund dafür sei das andauernde Tiefzinsumfeld. Es berge Risiken für die globale Finanzstabilität und bringe die Profitabilität der Banken unter Druck.
In der Tat hat die Zinsmarge der inlandorientierten Banken in den letzten Jahren markant abgenommen. Nach sieben Jahren mit einem Abwärtstrend habe sich die Marge stabilisiert, erklärt die SNB. Ob die Zinsmarge künftig gehalten werden könne, sei unsicher.
Das Zinsrisiko nimmt zu
Exponiert seien die inlandorientierten Banken gegenüber einem Zinsschock, denn sie finanzieren langfristige Hypotheken mit kurzfristigen Spareinlagen (Fristentransformation). Dieses Risiko habe von einem bereits zuvor hohen Niveau noch zugenommen, schreibt die SNB.
Besonders gefährlich für die Inlandbanken wäre also eine schnelle Normalisierung der Geldpolitik mit steigenden Zinsen. Ebenfalls kritisch wäre gemäss SNB eine erneute Eurokrise. Zwar sei die Kapitalbasis der inlandorientierten Banken besser als vorgeschrieben. Stresstests zeigten aber, dass viel zusätzliches Kapital nötig sei, um die Widerstandskraft zu gewährleisten. Bestehendes Überschusskapital müsse erhalten bleiben.
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