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16:22 Uhr - 18.08.2015

«In der Schweiz sind Large Caps klar im Vorteil»

Eric Steinhauser, Anlagechef von Rahn & Bodmer investiert selektiv, wie er im Interview mit der FuW erläutert.

Herr Steinhauser, was liegt an der Schweizer Börse in diesem Jahr noch drin?
Wir denken, dass der SMI (SMI 9400.15 0.1%) per Ende Jahr sein Höchst noch etwas übertreffen wird. Wegen der immer wieder aufkommenden Unwägbarkeiten ist aber damit zu rechnen, dass die Volatilität auf dem zurzeit leicht erhöhten Niveau verharren wird.

Eric Steinhauser«Bei Niedrigstzinsen sind genau diese defensiven Werte von Unternehmen mit hohem stabilem Cashflow und guter Dividende attraktiv.» Bild: ZVGWorauf gründet Ihre Einschätzung?
In Europa bleiben die Zinsen ausserordentlich niedrig. Aufgrund des QE-Programms der EZB werden sie nur leicht anziehen, und in der Schweiz wird die Nationalbank trotz des aktuell etwas schwächeren Frankens kaum vom Negativzinsregime abrücken. Somit bleiben Aktien gegenüber Obligationen attraktiv.

Weshalb die erhöhte Volatilität?
Die globale Konjunktur ist in den letzten Wochen etwas ins Stottern geraten. Allen voran bereitet China, das in den letzten Jahren rund 40% des globalen Wachstums generierte, mit enttäuschenden Daten Sorgen. Das hält die Zinsen tief, sorgt aber für gewisse Unsicherheit. Gleiches ist von der erwarteten US-Leitzinserhöhung zu erwarten, zumindest kurzfristig, obschon die Märkte den Schritt wahrscheinlich gut absorbieren können.

Haben Sie keine Bedenken, Aktien seien  überbewertet?
Tatsächlich haben die meisten westlichen Märkte eine starke Bewertungsexpansion verzeichnet. In den USA waren dafür die seit 2012 nur leicht anziehenden Zinsen, Aktienrückkäufe und Margensteigerungen verantwortlich. In Europa ist der konjunkturelle Aufschwung noch jung, und die Gewinnmargen der Unternehmen sind in vielen Sektoren auf eher tiefem Niveau. Dementsprechend sind die zyklusbereinigten Bewertungen in den USA hoch, während sie in Europa noch unter den langfristigen Mittelwerten verharren. Deshalb favorisieren wir Europa gegenüber den USA. Gegenüber den Emerging Markets bleiben wir skeptisch.

War der Rückschlag wegen Chinas Renminbi-Abwertung nur eine Episode oder kündigt sich Ungemach an, auch für die Schweizer Wirtschaft und die Börse?
Die leichte Abwertung und der «weichere Peg» sind vernünftig und nachvollziehbar. Dass China seine Währung nachhaltig abwertet, halten wir für eher unwahrscheinlich, zumal das Land noch in starkem Ausmass auf günstige Rohstoffe angewiesen ist und keinen Inflationsschub riskieren will. Vor diesem Hintergrund hat die grosse Aufregung an den Märkten überrascht und wird sich kaum wiederholen.

Die Schweizer Wirtschaft ist eng an Euroland gekoppelt. Setzt sich die Konjunkturerholung in Europa fort?
Sie ist stärker und breiter abgestützt als noch im Frühjahr. Vorlaufende Indikatoren wie zum Beispiel das Kreditwachstum stimmen uns zuversichtlich. Als sehr offene Volkswirtschaften hängen die europäischen Länder aber am Gängelband von Nordamerika und den Emerging Markets. Eine spürbare Wachstumsverlangsamung dürfte erst 2016 einsetzen, der erste Schub ist immer der stärkste.

Was bedeutet das für den Euro, wird er das Tief zum Franken nochmals testen?
Die plötzliche Abwertung des Frankens auf über 1.08 hat überrascht. Grundlos ist der festere Euro aber nicht: Die sich abzeichnende Lösung des Griechenlandproblems, das strikte Negativzinsregime der SNB (SNBN 1149 2.22%) und die währungsbedingt schwächere Konjunktur in unserem Land haben mit Verzögerung Wirkung entfaltet. Das Tief hat der Euro einstweilen überwunden, der langfristige reale Aufwertungsdruck des Frankens wird aber bestehen bleiben.

Wie beurteilen Sie den Dollar, und welche US-Aktien kommen allenfalls infrage?
Unabhängig vom Zeitpunkt der US-Zinserhöhung erwarten wir mit Blick auf die divergierende Geldpolitik eine tendenziell sinkende Euro-Dollar-Relation, was nebst den erwähnten Aspekten für europäische und eher gegen US-Aktien spricht. In den Kundenportfolios haben wir den US-Markt untergewichtet. Eine Beschränkung auf Europa macht aber nur schon aus Diversifikationsgründen keinen Sinn. Wir sind unter anderem in US-Titel wie Kimberly-Clark, Apple (AAPL 116.51 -0.55%) und Gilead (GILD 117.1 0.58%) investiert.

In der Schweiz bewältigen die Unternehmen die Frankenstärke unterschiedlich. Welchen trauen Sie auch in Zukunft eine positive Entwicklung zu?
Im Vorteil sind die grossen, multinationalen SMI-Unternehmen, sie sind auf der Kostenseite nur marginal vom starken Franken getroffen. Es ist zwischen Translations- und Transaktionseffekten zu unterscheiden. Letztere entstehen, wenn ein Unternehmen einen grösseren Kostenanteil in Franken als Umsatz in der Heimwährung hat. Das zu reduzieren, scheint einer EMS Chemie und einer UBS (UBSG 21.78 0.09%) hervorragend zu gelingen. Bei Straumann (STMN 292.75 0.09%) oder bei Swatch Group (UHRN 76.25 -2.06%) (UHR 390.4 -1.74%) erachten wir die Strukturanpassung als schwieriger. Unternehmen wie Kühne+Nagel, LafargeHolcim (LHN 66.3 -0.23%) und ABB (ABBN 19.48 -0.36%) hingegen spüren kaum Margendruck wegen des starken Frankens. Auch Swisscom (SCMN 567 1.16%) oder SPS mit fast 100% des Geschäfts in Franken sind nur wenig belastet.

Sie erwähnen Swatch Group. Geht der Leidensdruck auch für Richemont (CFR 77.1 -1.15%) weiter?
Beide Unternehmen erhielten im Januar durch die Mindestkursauflösung ein weiteres Problem zur bereits schwierigen Situation mit dem schrumpfenden und wichtigen Markt in Hongkong. Swiss Made hat zur Folge, dass ein Grossteil der Kosten in Franken anfällt, der Umsatz aber weltweit gestreut ist. Im höheren Luxussegment können Preisanpassungen die Margen steigern, was jedoch nicht von einem Jahr zum anderen geschehen kann. Und die Schwäche in China könnte zu weiteren Verzögerungen führen.

Heisst das: Hände weg?
Das diversifizierte Geschäftsmodell bevorzugt Richemont. Die heutigen Aktienkurse nehmen aber viel Negatives vorweg, sodass für langfristige Investoren in beiden Aktien Kaufgelegenheiten bestehen.

Der SMI ist mit Pharma und Nahrungsmittel defensiv bestückt. Deckt sich das mit dem Gebot der Stunde? Ist Wachstum oder Einkommen angesagt?
Bei Niedrigstzinsen sind genau diese defensiven Werte von Unternehmen mit hohem stabilem Cashflow und guter Dividenden attraktiv. Trotzdem haben wir die zyklischen Sektoren in Europa leicht erhöht.

Welche Schweizer Zykliker sind attraktiv?
Dem Halbleiterhersteller AMS (AMS 36.65 -2.01%) attestieren wir trotz Unsicherheiten mit Hauptkunde Apple bei den NFC-Chips weiterhin gute  Wachstumschancen. Komax (KOMN 165 -1.49%) profitiert vom rasant fortschreitenden Trend zu vernetzten Fahrzeugen und ist in einer sehr attraktiven Nische tätig. Und Adecco (ADEN 79.8 0.5%), um ein weiteres Beispiel zu nennen, haben nach den Zweitquartalszahlen übermässig stark korrigiert und Aufwärtspotenzial.

Wer hat bessere Perspektiven, Large oder Small Caps?
Langfristig sind Small Caps wegen grundsätzlich besserer Wachstumsperspektiven bevorteilt. Im gegenwärtigen Umfeld sehen wir aber kurzfristig die Vorteile aufseiten der Large Caps. In der Schweiz liegen sie gegenüber den kleineren Titeln seit Jahresanfang zurück und haben Nachholbedarf.

Wozu ist der Finanzsektor fähig?
Ein langsamer Zinsanstieg ist sowohl für Banken wie auch für Versicherer positiv, weil die kurzfristigen Bewertungsverluste auf der Aktivseite der Bilanz durch langfristig stärkere Anlageerträge respektive  das Zinsdifferenzgeschäft wettgemacht werden können. Bei Letzterem ist die Ausgestaltung der Zinsabsicherung des Kreditbuchs entscheidend, und da dürfte es von Bank zu Bank grössere Unterschiede geben. Wenn es in den Tagen der Zinsanhebung zu gewissen Abschlägen in Finanzaktien kommen sollte, bedeutet das in Titeln von Instituten mit solider Bilanz wie UBS eine Einstiegschance.

Was ist überkauft, korrekturanfällig oder fällt überhaupt aus der Wahl?
Ein grösseres Risiko besteht bei kleinen Biotech-Titeln, etwa bei noch im experimentellen Stadium befindlichen Gentherapiefirmen. Da beschränken wir uns auf profitable grosse Unternehmen, die noch Potenzial haben. Unter den Schweizer Vertretern im Gesundheitssektor halten wir Actelion (ATLN 138.5 0.14%) oder Galenica (GALN 1299 0%) für korrekturanfällig. Absehen würden wir vorerst von Titeln wie Sulzer (SUN 101.3 -1.07%) oder Transocean (RIG 13.84 3.36%) – nicht, weil sie überkauft wären, sondern, weil wir im Öl- und Gasbereich mit weiteren Strukturbereinigungen rechnen.

Baut Rahn & Bodmer im ausgewogenen Depot den Aktienanteil aus oder ab, und wie sieht der aktuelle Anlagemix aus?
Wir nutzen Kursrückschläge für selektive Käufe, möchten bei der bevorstehenden Änderung der Geldpolitik in den USA jedoch auch nicht zu sehr in Aktien exponiert sein. Obwohl kein starker Zinsanstieg erwartet wird und er wohl schon bedeutend vorweggenommen wird, kann der tatsächliche Entscheid doch zu grösseren Schwankungen führen. Zurzeit haben wir die Obligation rund 20% untergewichtet. Aktien halten wir mit rund 40%  neutral, und bei alternativen Anlagen sind wir leicht untergewichtet.

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