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16:00 Uhr - 01.06.2018

Der Handelskonflikt eskaliert

Die US-Regierung belegt die EU-Staaten, Kanada und Mexiko mit zusätzlichen Zöllen auf Stahl und Aluminium. Die EU reicht bei der WTO Klage ein.

Der Handelskonflikt, den die USA mit dem Rest der Welt anzetteln, erreicht die nächste Stufe. Schutzzölle von 25% auf Stahl und von 10% auf Aluminium gelten seit 1. Juni auch für die EU sowie für die Nafta-Partner Kanada und Mexiko. Für sie hatte eine zweimonatige Schonfrist gegolten. Für eine dauerhafte Ausnahme wollte US-Präsident Donald Trump Zugeständnisse. Doch für beide Seiten akzeptable Resultate hat es keine gegeben.

Für die EU geht es um Produkte im Wert von 6,4 Mrd. €. Bezogen auf den gesamten Handel ist das wenig. Die harschen Reaktionen aus Europa sowie aus Kanada und Mexiko sind jedoch grundsätzlicher Art. Kanada und Mexiko haben sofort gekontert und für einige US-Produkte Importzölle angekündigt. Die EU folgte am Freitag mit einer Klage bei der Welthandelsorganisation WTO. Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmstrom sagte gemäss Reuters, die US-Massnahmen «verstossen eindeutig gegen internationale Regeln».

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hatte zuvor wegen des US-Zollentscheids vor «gefährlichen Konsequenzen für das globale Wachstum» gewarnt. Auch aus den USA gibt es kritische Stimmen. Die Handelspolitik gefährde die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und könne mehr als 2 Mio. Arbeitsplätze kosten, wetterte der Präsident der Handelskammer, Tom Donohue. Gemäss anderen Stimmen treffen die Zölle die Falschen. Die Importe so wichtiger Partner für die nationale Sicherheit der USA sollten ausgenommen werden.

Das ist der Knackpunkt. Die auf Stahl und Alu erhobenen Zölle werden mit einer Bedrohung der nationalen Sicherheit begründet. Das ist glitschiges Terrain. Doch Absatz 232 des Trade Expansion Act von 1962 (19 U.S.C. §1862) erlaubt es dem US-Handelsminister, entsprechende Untersuchungen durchzuführen. Handhabe, um auf der Grundlage von Sicherheitsüberlegungen Schutzzölle zu erheben, liefert Artikel XXI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT). Gemäss Absatz b) darf ein Mitglied der Welthandelsorganisation WTO nicht daran gehindert werden, Massnahmen zu ergreifen, «die es für den Schutz seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen als notwendig betrachtet».

Die nächste Eskalationsstufe ist bereits eingeläutet: US-Präsident Trump und Handelsminister Wilbur Ross wenden dieselbe Strategie auf den Automobilsektor an. Er sei seit langem eine wichtige Quelle amerikanischer Technologieinnovation, betont das Handelsministerium. Darum werde nun geprüft, inwiefern ein Zurückdrängen der heimischen Autoindustrie durch Importe die US-Wirtschaft und ihre Fähigkeit, Spitzentechnologie hervorzubringen, zu schwächen drohe.

Handelsminister Ross verweist auf Evidenz, wonach Importe die heimische Automobilindustrie über Jahrzehnte ausgehöhlt haben. Demgegenüber hält es EU-Kommissar Jyrki Katainen gemäss Aussage an einer Pressekonferenz in Brüssel für schwer vorstellbar, wie Automobilimporte eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA sein können. Das Sicherheitsargument dient lediglich
als Mittel, um Schutzzölle zu legitimieren, lautet ein verbreiteter Verdacht.

«Wir bewegen uns in unbekannten Gewässern», zitiert die «Welt» die frühere WTO-Richterin Jennifer Hillman, die heute an der Georgetown University in Washington, D. C., lehrt. «Es gibt keinen Präzedenzfall dafür, wie Artikel XXI zu interpretieren ist.» Anders gesagt, ist nicht auszuschliessen, dass die USA eine handelsrechtliche Auseinandersetzung gewinnen würden. Die Konsequenzen wären gewaltig: Die Rolle der WTO als Wächterin über die Regeln der internationalen Handelsordnung wäre infrage gestellt, sagt Hillman. Die Strategie der US-Regierung hält sie daher für «ziemlich gefährlich».

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