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07:30 Uhr - 28.03.2016

«Die Erwartungen nicht zu hoch stecken»

Stefan Kreuzkamp, Chief Investment Officer von Deutsche Asset Management, erwartet über zwölf Monate einen prozentual einstelligen Aktienertrag, wie er im Interview mit FuW erläutert.

Nachdem sich die Aktienmärkte in den vergangenen Wochen erholt haben, stellt sich die Frage: War es doch nur eine Korrektur, der schlechteste  Jahresstart seit langem, oder ist es an der Zeit, die Reissleine zu ziehen? Für Stefan Kreuzkamp, seit November Anlagechef von Deutsche Asset Management, der Fondstochter der Deutschen Bank, ist die Lage besser als die Stimmung. Aber Anleger müssten sich entscheiden: «Entweder reduzieren sie ihre Erwartungen, oder sie sind willens und fähig, hohe Schwankungsrisiken auszuhalten. Dazwischen gibt es nichts», sagt er im Interview.

Zur PersonStefan Kreuzkamp hat per 1. Dezember 2015 von Asoka Wöhrmann die Funktion als Chief Investment Officer (CIO) von Deutsche Asset Management übernommen. Wöhrmann stieg zum Leiter des Privatkundengeschäfts Deutschland der Deutschen Bank auf. Unter ihm hatte Kreuzkamp als Chefanlagestratege das Asset Management in der Region Europa, Naher Osten und Afrika (Emea) geleitet. Für Deutschlands grösste Bank arbeitet der Volkswirt seit 1998, zunächst im Geldmarktfonds- und später im Rentenfondsmanagement. In seiner neuen Aufgabe als Chefanlagestratege des Asset Management der Deutsche-Bank-Gruppe wacht er über verwaltete Vermögen von rund 780 Mrd. €.Herr Kreuzkamp, woher weht der Wind? Ist bangen oder hoffen die richtige Antwort?
Ein grosser Einflussfaktor ist der Ölpreis. Dabei haben wir es jedoch mit einem Angebots- und nicht mit einem Nachfrageproblem zu tun, was ein ernsthaftes Signal für einen Konjunktureinbruch wäre. Die Lager sind übervoll, in erster Linie verursacht durch die Fracking-Technologie in den USA. Die US-Produktion befindet sich jetzt im Rückzug, das wird den Ölpreis stabilisieren. Wir kalkulieren bei allen unseren Prognosen, sei es für Wachstum, sei es für Inflation, mit einem durchschnittlichen Preis von 40 $ pro Fass in diesem Jahr.

Exakt da befinden wir uns zurzeit. Mit dem Ölpreis sind auch die Aktienkurse wieder gestiegen. Wie erklären Sie sich die enge Korrelation zwischen den beiden?
Ein wichtiger Grund sind die Staatsfonds der ölproduzierenden Länder, die auf ihre Reserven, die Petrodollar von gestern, zurückgreifen. Von J. P. Morgan liegt eine interessante Studie vor: Ungefähr 52 % der Vermögen der Staatsfonds sind in Westeuropa angelegt, 38% allein in Finanztiteln. Deshalb sind Bankaktien so unter Druck geraten. Wenn sich der Ölpreis stabilisiert, wird sich das tendenziell positiv auf Risikoanlagen und damit auf Aktien auswirken.

Am Kapitalmarkt wurden Kreditausfälle im Energiesektor und eine mögliche Ansteckung von Banken befürchtet. Gibt es auch da Entwarnung?
Wie derzeit allgemein an den Märkten ist auch in dieser Hinsicht die Lage besser als die Stimmung. Refinanzierungsschwierigkeiten haben einzelne Energieunternehmen. Bei Renditen von 20% im Energieteil unter den Hochrisikoanleihen, im High-Yield-Sektor, kann sich langfristig keine Gesellschaft refinanzieren. Doch die Ansteckungsgefahr für Banken und die Märkte ist gering. Alle Unternehmen im US-Leitindex S&P 500 und in den europäischen Aktienindizes sind Investment-Grade-Gesellschaften.

Wie gefährlich ist die Wachstumsschwäche von China, die Anleger immer wieder umtreibt?
Auch wir glauben nicht an die 7% Wachstum oder mehr, die  von den chinesischen Behörden immer wieder ins Schaufenster gestellt werden, sondern gehen von 6% in diesem Jahr aus. Aber was heisst das: Im Jahr 2007 expandierte Chinas Wirtschaft um 14% oder nominal 1300 Mrd. $.  Wenn sie heute 6% wächst, entspricht das 1400 Mrd. $. Das ist gleich viel wie das gesamte spanische Inlandprodukt. Die Menschen vergessen den Basiseffekt.

Wo führt Chinas Weg hin?
Die Hälfte des Weges von der Export- zur mehr dienstleistungs- und konsumorientierten Gesellschaft ist das Land bereits gegangen. Es gibt relativ verlässliche Zahlen aus dem produzierenden Gewerbe. Aus dem Dienstleistungsbereich haben wir nichts, deshalb die Unsicherheit. Was muss China machen? Etwas mehr privatisieren, der Überalterung entgegenwirken – die Einkindpolitik wurde zum Glück aufgehoben – und die Kapitalmärkte deregulieren. Was wir in den letzten Monaten an der Börse durch den Circuit Breaker, den Handelsunterbruch bei kräftigen Aktienrückschlägen, sahen, war kontraproduktiv.

Ein ambitioniertes Programm listen Sie da auf.
Was nicht heisst, dass China es nicht schaffen wird. Die Circuit Breakers wurden abgeschafft. Sie hatten zur Folge, dass institutionelle Investoren in Chinas Markt eingeschlossen waren. Sie konnten  kaum raus, weil der Handel stets wieder unterbrochen wurde. Um sich abzusichern, bauten die Anleger Vermögenswerte an liquiden Märkten im Ausland ab, in den USA oder in Deutschland. Diese Gefahr ist mit dem Wegfall der automatischen Handelsstopps verschwunden.

Wohin steuert der Renminbi? Bei jeder Abwertung haben die Weltmärkte gehustet.
Wir sehen noch ein gewisses Abwertungspotenzial, rund 4 bis 5% in diesem Jahr. Doch viele Investoren schauen sich den Renminbi immer gegen den Dollar an. Seit der Einbeziehung in die SDR im vergangenen November, in die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds, muss man die chinesische Währung mit einem Korb vergleichen. Alle Währungen dieses Korbes haben sich zum Dollar abgewertet. Weshalb also nicht auch der Renminbi? Ich kann mir die Ängste im Grunde nicht erklären. Ein bisschen mehr Transparenz in China wäre gut, aber die Wirtschaft wächst nach wie vor, China ist auf dem richtigen Weg.

Eine Renminbiabwertung setzt auch die übrigen Schwellenländer unter Druck, die teils stark in Hartwährung verschuldet sind. Eine Zeitbombe?
Ich wehre mich immer dagegen, das Thema Emerging Markets über einen Kamm zu scheren. Es gibt solche mit gutem makroökonomischen und politischem Rahmen. Dazu zählen Südkorea, Indonesien oder Mexiko, die wir nicht negativ sehen, im Gegensatz zu Ländern, die kaum über ein anderes Gut als Erdöl verfügen, deren Wirtschaftsmodell einseitig und nicht wettbewerbsfähig ist, wie Russland, Brasilien oder Venezuela. Diese Länder stecken in einer Rezession. Dann gibt es diejenigen, die Sie ansprechen, die stark in Dollar verschuldet und den US-Zinsen ausgesetzt sind, besonders die Türkei und Südafrika. Wir ziehen die asiatischen Schwellenmärkte vor, das Rohstoffrisiko dieser Länder ist deutlich geringer.

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Wenn, wie zuletzt, der Ölpreis und generell die Grundstoffpreise steigen, sind dann nicht genau die Rohstoffländer – inklusive der Industrienationen Kanada und Australien – zu favorisieren?
Doch, und das dürfen wir nicht verpassen. Aber es ist immer eine Frage von Rendite und Risiko – und von Liquidität. Beim Risiko spielt die Währung eine grosse Rolle, also muss man auch in der Lage sein, ausser den Aktien- auch Wechselkursschwankungen auszuhalten. Viele Investoren sind nach dem schlechten Jahresbeginn an den Märkten nicht mehr in der Lage, diese Risiken zu tragen.

Wie meinen Sie das?
Anders als heute hatten Portfoliomanager vor einem Jahr, als die Aktienkurse zu bröckeln begannen, noch Risikobudgets, die sie einsetzen konnten. Inzwischen sind sie, vor allem nach den Turbulenzen von Anfang Jahr, dem schlechtesten Jahresstart seit 1960, erschöpft. Besonders Mischfonds, aber auch risikobasierte Fonds können sich keine Risiken mehr leisten. Stattdessen sind sie in sicheren Staatsanleihen mit teils negativer Rendite und in Cash investiert.

Cash droht immerhin kein Verlust. Darauf vertrauen auch Privatanleger.
Das sehe ich anders. Eben hat die Europäische Zentralbank EZB den Einlagensatz für Banken auf –0,4% gesenkt. Fast jede Bank, die auch nur einen Cent zur EZB schiebt, ist davon tangiert. An die Retailkunden wurde die Belastung noch nicht weitergereicht, an uns, an die institutionellen Investoren, schon. Wir werden in unseren Fonds für jeden Euro, den wir in Cash halten, zur Kasse gebeten. Und Cash brauchen wir, um Rückflüsse unserer Kunden bedienen zu können. Wir dürfen aber nicht zu viel halten, weil sonst die Rendite schwindet. Wenn Sie sagen, mit Cash kann man nichts verlieren – doch, man kann.

Wird der Druck der Negativzinsen noch zunehmen?
Ja, da bin ich mir fast sicher.

Auch für die Retailkunden?
Wie würden Kunden reagieren, wenn ihnen die Bank ab morgen 0,4% Zins vom Sparkonto abzieht?  Es käme zu einem Bank Run. Deshalb zögern die Banken, die Belastung weiterzugeben, was wiederum ihnen schadet. Um den Negativzins zu kompensieren, müssen andere Geschäfte sehr gut laufen.

Vor diesem Hintergrund lahmt auch die Kreditvergabe an die Unternehmen. Ist die anhaltende ultraexpansive Notenbankpolitik kontraproduktiv?
Auf die Frage, wie wir aus dieser Zwickmühle herauskommen, hat noch niemand eine Antwort gefunden. Ja, diese Notenbankpolitik ist kontraproduktiv, ja, wir müssen uns über das Thema sinkender Grenznutzen der Geldpolitik unterhalten. Die Anleger hängen weiterhin an den Lippen von Janet Yellen, Mario Draghi und anderen Notenbankchefs, mit der Folge, dass Portfolios je nach Marktverhalten erratisch bleiben. Hinzu kommt, dass sich die Korrelationen, das Zusammenspiel der Assetklassen, durch die Notenbankpolitik komplett verändert haben.

Die Korrelationen sind enger geworden.
Und instabiler. Vor zehn Jahren konnte man 4% Gesamtertrag für einen Kunden erzielen, indem man 85% Anleihen und 15% Aktien hielt, mit einer relativ geringen Volatilität von 2%. Heute braucht es für das gleiche Ziel 50% Aktien und 50% Anleihen, bei einer Volatilität von 11%. Die Schwankungsrisiken haben sich fast  versechsfacht.

Was empfehlen Sie Kunden, wie verhält man sich in diesem Umfeld?
Der Investor muss sich entscheiden: Entweder reduziert er seine Ertragserwartungen, oder er ist willens – und fähig – Volatilität, also hohe Schwankungsrisiken, auszuhalten. Dazwischen gibt es nichts.

Immerhin sagen Sie, die Lage sei besser als die Stimmung. Somit investieren?
Generell sollte man zwei grosse Trades prüfen: Bei Renditen von rund 9% am High-Yield-Markt in den USA und rund 6% in Europa könnte es sich lohnen, in einem gemischten Portfolio  einen Teil des Aktiendepots durch solche Papiere zu ersetzen. Wenn unsere Voraussage stimmt und Aktien in absehbarer Zukunft einen prozentual mittleren einstelligen Ertrag aufweisen, kann man das Gleiche auch mit Anleihen erreichen und so Volatilität aus dem Depot nehmen, mit ausgesuchten Unternehmensanleihen, knapp unter Investment Grade zum Beispiel.

Und die zweite Überlegung?
Womöglich ist der Zeitpunkt zum Einstieg in Emerging Markets noch etwas verfrüht. Wir gehen aber schon davon aus, dass wir im Jahresverlauf eine gewisse Belebung sehen werden. Wobei auch da gilt: aktiv, sprich selektiv vorgehen.

Sind Aktien allgemein günstig oder teuer?
Im historischen Vergleich sind besonders deutsche Aktien nicht mehr teuer. Zurzeit  stehen wir bei einem KGV des Dax (DAX 9851.35 -1.71%) von 12, wobei der Index in den letzten zwölf Monaten um 4,5 KGV-Punkte in einem Band von 11 bis 15,5 geschwankt hat. Ein KGV-sind 800 Dax-Punkte. Wenn wir uns nur schon auf die historische Mitte bewegen, birgt das einiges an Aufwärtspotenzial. Unsere Dax-Prognose für die nächsten zwölf Monate beträgt 10 800, ein Plus von 8% gegenüber heute.

Was übergewichten, ausser Deutschland?
Wir mögen dividendenstarke Titel. Dabei legen wir grossen Wert auf die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells und darauf, dass die erwartete Dividende jeweils auch mit der realisierten übereinstimmt.

Wo werden Sie fündig, was meiden Sie?
Wir konzentrieren uns auf Aktien mit einer erwarteten Dividendenrendite von 2 bis 4%, so im Konsumsektor. Das ist konservativ, aber konsistent und nachhaltig. Nicht fündig werden wir im Energie- und  im Telecombereich. Da sind die Renditen zwar höher, aber auch das Potenzial für Erwartungsirrtümer.

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