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14:40 Uhr - 09.11.2016

«Die Märkte reagieren viel weniger heftig als befürchtet»

Anastassios Frangulidis, Leiter des Multi-Asset-Teams bei Pictet Asset Management, erwartet mit Präsident Trump steigende Zinsen und damit fallende Anleihenkurse.

Anastassios FrangulidisAnastassios Frangulidis ist Leiter des Multi-Asset-Teams bei Pictet Asset Management in Zürich. Bild: ZVGHerr Frangulidis, was bedeutet die Reaktion der Finanzmärkte auf den Sieg von Donald Trump?
Die Kurse bewegen sich in die erwartete Richtung. Die Märkte reagieren aber viel weniger heftig als befürchtet. Der Goldpreis steigt wie prognostiziert über 1300 $, der Dollar hat sich abgeschwächt, da hätte ich eine stärkere Bewegung erwartet, und der mexikanische Peso ist klar schwächer geworden. Die globalen Aktienmärkte sind nur relativ leicht im Minus. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen ist sogar etwas gestiegen.

Am frühen Morgen handelten die Aktien-Futures stärker im Minus.
Um sechs Uhr morgens lag der Futures auf den S&P 500 (SP500 2139.56 0.38%) auf –5% und erholte sich dann auf –1,3%. Offensichtlich haben sich die Befürchtungen der Investoren nicht bewahrheitet. Ich führe das auch auf die Siegesrede von Donald Trump zurück.

Wie hat Trump die Investoren beruhigt?
Die ersten zehn Minuten seiner Rede waren recht eindrücklich. Er sagte klar, dass er mit den Partnerländern fair verhandeln will, wenn auch im Interesse der USA. Er betonte auch, er wolle sein geplantes Infrastrukturprogramm mit hoher Priorität durchführen und die Steuern senken. Das sind wichtige Informationen.

Stützt Trump somit die US-Konjunktur?
Seine Fiskalpolitik ist positiv für die Wirtschaft, er will in den kommenden fünf Jahren 550 Mrd. $ in Strassen, Eisenbahnen und Flughäfen investieren, das ist ein recht grosser Betrag. Gleichzeitig will der die Unternehmenssteuern von 35 auf 15% herabsetzen und die Einkommenssteuern für die besser Verdienenden senken. Damit werden die Staatseinnahmen von derzeit etwa 18% des Bruttoinlandprodukts auf 13 bis 14% sinken, während die Ausgaben steigen. Das ist eine deutliche fiskalische Unterstützung für die Konjunktur, auf Kosten eines markant höheren Defizits im Staatshaushalt.

Wie steht es um die Handelsbeziehungen?
Die Befürchtung ist, dass die Globalisierung einen empfindlichen Rückschlag erleidet. Trump will Importe aus China besteuern und das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta neu verhandeln. Zudem hat er sich kritisch gegenüber der Nato geäussert. Er versuchte in seiner Siegesrede, diese Unsicherheiten zu reduzieren.

Sind Trumps Zusicherungen glaubwürdig?
Wir wissen weiterhin nicht, wie Präsident Trump geopolitisch vorgehen will, diese Unsicherheit bleibt. Etwas klarer wird die Situation, wenn Trump die Mitglieder seiner Regierung bekannt gibt. Vorläufig bleibt ungewiss, ob Präsident Trump anders agieren wird als Kandidat Trump. Für die Märkte steht nun die Fiskalpolitik im Vordergrund.

Wird Trump die Zinsen nach oben treiben?
Die expansive Fiskalpolitik ist keine gute Nachricht für den Anleihenmarkt, die Zinsen dürften steigen und die Kurse sinken – auch wenn US-Treasuries heute nicht stark negativ reagierten. Die Zinsen steigen, weil das Infrastrukturprogramm die Konjunktur unterstützt und weil die Staatsverschuldung in den kommenden Jahren deutlich zunehmen wird. Das wird auch eine gewisse Ausstrahlung auf Europa haben, und abgeschwächt auf die Schweiz. Ein wenig kann sich Europa abkoppeln, wegen dem Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank.

Wie geht es an den Aktienbörsen weiter?
Die Wirtschaftspolitik von Donald Trump muss nicht negativ sein, vorausgesetzt dass es keinen starken geopolitischen Rückschlag gibt. Profitieren dürften binnenorientierte Unternehmen in den USA, die Erdölindustrie, die Rüstungsindustrie, der Technologiesektor und Infrastrukturunternehmen. Bei einem Sieg von Hillary Clinton hätten Pharmakonzerne und Banken eingebüsst, diese gehören jetzt sicher nicht mehr zu den Verlierern. Das zeigt sich an steigenden Kursen von Novartis (NOVN 71.55 3.1%) und Roche (ROG 234.2 4.14%). Der Druck auf die Regulierung der Medikamentenpreise wird nachlassen, wenn auch nicht ganz verschwinden.

Welche Anlageklassen verlieren?
Neben dem mexikanischen Finanzmarkt und dem Peso auch andere Schwellenländerwährungen, etwa der chinesische Renminbi. Zu den Verlierern gehören die US-Staatsanleihen.

Gibt es für die Schweizer Wirtschaft unmittelbare Auswirkungen?
Der Dollar hat gegenüber dem Franken, dem Euro und dem Yen verloren, mittlerweile weniger als am frühen Morgen, vor der Rede von Trump. Der Franken ist zum Euro stabil und hat sich im Vergleich zu vor ein paar Tagen sogar leicht abgeschwächt. Das ist ein gutes Zeichen, und zum Dollar ist die Aufwertung des Frankens nicht gross. Unmittelbar gibt es somit keine negativen Folgen.

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