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12:25 Uhr - 04.12.2015

Der Draghi-Schock in sechs Charts

Viele Marktteilnehmer hatten vom Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag mehr erwartet. Das schüttelt die Finanzmärkte durch: Der Euro avanciert zu Dollar und Franken, die Aktienbörsen fallen, und die Marktzinsen steigen.

Die weltweiten Finanzmärkte reagierten am Donnerstagnachmittag heftig auf Nachrichten aus Frankfurt. Die Europäische Zentralbank gab bekannt, dass der Einlagenzins gesenkt wird. Aber das Volumen der Anleihenkäufe von 60 Mrd. € im Monat wird belassen – Marktteilnehmer hatten eine Aufstockung des Quantitative Easing erwartet.

Obwohl die Geldpolitik gelockert wurde, gab es Kurseinbrüche an den europäischen Aktienmärkten, und auch die asiatischen Märkte reagierten verschnupft. Der Euro wertete sich stark auf. Und besonders die Renditen für südeuropäische Staatsanleihen stiegen. Sechs Charts zeigen, wie schlecht die EZB die Märkte auf ihre Entscheidung vorbereitet hatte.

1. Der Dollar-Euro-Kurs

Der Euro schwächte sich in den vergangenen Monaten stark gegen den Dollar ab, dank der Differenz in der Geldpolitik. Es wurde immer deutlicher, dass die US-Notenbank die Zinsen dieses Jahr erhöhen will. Dagegen schien die EZB auf einen Kurs der immer lockereren Geldpolitik zu setzen.

Doch der Devisenmarkt hatte zu hohe Erwartungen an EZB-Präsident Mario Draghi. Als die EZB am Donnerstag um 13.45 Uhr bekannt gab, sie senke den Einlagenzins nur um 0,1 Prozentpunkt auf –0,3%, kletterte der Eurokurs von 1.055 $/€ auf 1.07 $. Als dann in der Pressekonferenz von Draghi ab 14.30 Uhr deutlich wurde, dass das Volumen des Quantitative Easing nicht ausgeweitet wird, wertete sich die Gemeinschaftswährung noch weiter auf.

Am Donnerstagnachmittag wurde zeitweise ein Kurs von über 1.095 $/€ erreicht – ein Vierwochenhoch für die Gemeinschaftswährung. Zeitweise kletterte der Euro im Intraday-Handel um fast 4%.

Euro-Dollar

2. Der Franken-Euro-Kurs

Die Bewegung im Franken war weniger ausgeprägt. Draghi bewegte mit seinen Aussagen den Kurs zeitweise über 1.09 Fr./€ – ein Plus von etwa 1%. Am Freitag notiert der Franken zum Dollar nun um die Parität. Hätte die EZB die Erwartungen der Märkte bezüglich der lockeren Geldpolitik übererfüllt, wäre die Schweizerische Nationalbank (SNB) gefordert gewesen, eine Aufwertung des Frankens zu verhindern. Doch solche Interventionen waren gestern nicht notwendig.

Euro-Franken

3. Die Aktienmärkte

Die europäischen Aktienmärkte überraschten am Donnerstag mit einem empfindlichen Einbruch. Im Intraday-Handel stürzte der Dax zeitweise um mehr als 5% ab. Der Tagesverlust beläuft sich 3,6%. Auch der Stoxx Europe 600 musste Federn lassen. Die schlechte Stimmung in Europa setzte sich in Asien fort. Der Nikkei-Index notierte am Freitag 2,2% im Minus.

EuroAktien

4. Italienische und spanische Staatsanleihen

Auch die Anleger in italienischen und spanischen Staatsanleihen sind anscheinend davon ausgegangen, dass die EZB mehr Anleihen kaufen wird. Die Ankündigung von Mario Draghi, das Volumen des Kaufprogramms unverändert zu belassen, sorgte daher für einen Rückgang der Anleihenkurse und damit für einen Anstieg der Renditen. Spanische Anleihen rentierten am Donnerstag 1,8%. Italienische Renditen erreichten ein Dreiwochenhoch von 1,68%.

SpaItalien2

Auch deutsche und französische Anleihen rentieren etwas mehr. Mit 1,6 Prozentpunkten ist die Differenz zwischen der zehnjährigen Rendite in Deutschland und in den USA so gering wie seit Anfang November nicht mehr. Das stützt den Euro und belastet den Dollar.

5. Die erwartete Inflation

Die Märkte folgen anscheinend nicht dem Argument Mario Draghis, dass die «bisherigen Massnahmen wirken». Am Terminmarkt wird eine geringere Inflation eingepreist als zuvor. Die Inflationserwartungen für Deutschland sind gemäss dem Inflations-Swap für die nächsten fünf Jahre deutlich gesunken. Damit hat EZB-Präsident Draghi einen Rückschlag einzustecken. Er zeigte am Donnerstag noch Zuversicht, dass die Inflation bald anzieht. Der Markt sieht das anders.

Inflation_Deutschland

6. Marktzinsen in der Schweiz

Da die EZB ihr Anleihenkaufprogramm volumenmässig nicht ausweitet, ist auch die SNB nicht unter Druck, durch Negativzinsen eine Frankenaufwertung zu verhindern. Das sorgte am Anleihenmarkt für höhere Renditen. Die zehnjährigen Renditen von schweizerischen Staatspapieren sind zwar immer noch deutlich im negativen Bereich. Aber der Marktzins notierte dank der EZB gestern so hoch wie seit Oktober nicht mehr.

RenditeSchweiz

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