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15:45 Uhr - 14.10.2014

SIX-CEO: «Parlament muss nachbessern»

Börsenbetreiberin SIX verlangt, dass das für sie relevante Finanzmarktinfrastrukturgesetz (Finfrag) in der anstehenden parlamentarischen Beratung angepasst wird.

Das Wichtigste zum Finfrag- Das Finanzmarktinfrastrukturgesetz (Finfrag) regelt die Organisation und den Betrieb der Finanzmarktinfrastruktur in der Gesamtheit.
- Es trägt neuen Marktverhältnissen und internationalen Standards Rechnung.
- Das Prinzip der Selbstregulierung wird beibehalten.
Herr Rüegsegger, was halten Sie von der bundesrätlichen Finfrag-Botschaft ans Parlament? In der Regulierung organisierter Handelssysteme wurden gegenüber der Vernehmlassungsvorlage Änderungen vorgenommen. Wie beurteilen Sie diese?

Grundsätzlich sind wir mit dieser Vorlage sehr einverstanden. Wir haben nun insbesondere im Post-Trading ein Regulierungskleid erhalten, was wir begrüssen. Bislang galten für uns diverse Bestimmungen in diversen Erlassen wie dem Bankengesetz oder der Nationalbankenverordnung, was eine suboptimale Lösung war. Auch begrüssen wir, dass die Selbstregulierung weiterhin ihren Platz hat. Wir bedauern allerdings sehr, dass im Bereich ausserbörslicher Handel gegenüber der Vernehmlassungsvorlage wesentliche Änderungen vorgenommen wurden. Die sogenannten OTF-Handelsplattformen werden anders behandelt.  Der Bereich ist zwar nicht völlig regulierungsfrei, aber er wird nicht gleich reguliert wie in der EU. Das behindert die angestrebte Äquivalenz der schweizerischen Regulierung und erschwert damit letztlich den Marktzugang in Europa. Zudem ist für uns unverständlich, dass wir bezüglich Transparenz und Investorenschutz nicht gleichwertig sein sollten wie die EU. In diesem Punkt muss das Parlament nachbessern.

Sind Sie in Sachen Dark Pools auf der gleichen Linie wie Ihre Besitzer, die Banken? Geht das Finfrag in dieser Hinsicht weit genug?
Wir bieten  einen vergleichbaren Service an,  der nach  unserer Auffassung nach Inkraftsetzung des Finfrag als organisiertes Handelssystem reguliert werden könnte. Wir vertreten jedoch die Meinung, dass Dark Pools für grosse Aufträge genutzt werden sollen, zum Beispiel  für institutionelle Kunden. Retail-Transaktionen sollten jedoch nach wie vor auf regulierten Plattformen abgewickelt werden, wozu sie letztlich ja vorgesehen sind. In diesem Punkt bestehen durchaus unterschiedliche Meinungen zwischen Betreiber und Banken.

Ist es richtig, dass strukturierte Produkte im Regelungsbereich der Derivathandelspflichten nicht als Derivate gelten?
Ja, auch das ist so in der Botschaft des Bundesrats vorgesehen. Im Unterschied zu ausserbörslich gehandelten Derivaten bestehen bei strukturierten Produkten, die  über die Börse gehandelt werden, die allgemeinen Transparenzvorschriften. In der EU wird zurzeit die Frage diskutiert, ob sämtlicher Derivatehandel auf einer regulierten Handelsplattform stattfinden sollte. Wir sind in dieser Frage eher neutral, da wir derzeit nicht im Derivategeschäft aktiv sind.

Es wird davon ausgegangen, dass als Folge des Finfrag die Derviathandelsprozesse komplexer werden und die Infrastruktur- und Transaktionskosten steigen. Ist das für die SIX eine Chance oder ein Risiko?
Die Meldepflicht an ein Transaktionsregister besteht für OTC-Derivate in der EU seit Anfang dieses Jahres. Da der grösste Teil der OTC-Derivate in der Schweiz mit einer Gegenpartei in London abgeschlossen wurde, besteht die Meldepflicht de facto heute schon. Gemäss der Botschaft des Bundesrates zum Finfrag sollen strukturierte Produkte von der Meldepflicht ausgenommen werden. Wie bereits kommuniziert, wird SIX ein Transaktionsregister in der Schweiz aufbauen. Hier gilt grundsätzlich: Je mehr gemeldet werden muss, umso besser für unser Geschäft. Die Einführung der Clearingpflicht für OTC-Derivate über zentrale Gegenparteien wird selbstverständlich Auswirkungen auf die Kosten haben, weil diese Transaktionen neu mit Sicherheiten hinterlegt werden müssen. Die Bestimmungen führen auf der anderen Seite zu einer deutlichen Erhöhung der Transparenz und Systemstabilität.

Sollte High-Frequency-Trading im Finfrag geregelt werden? Ist das in der Schweiz ein Problem?
Die Marktarchitektur in der Schweiz unterscheidet sich substanziell von jener in den USA. Damit sind die in der Presse beschriebenen Szenarien in der Schweiz nicht möglich. Unser Handelsreglement gilt auch für die High-Frequency-Trader, wir stellen allen die gleichen technischen Möglichkeiten zur Verfügung, und alle Marktteilnehmer haben den gleichen Zugang zu den Marktinformationen. Wir sind deshalb überzeugt, dass die Preisintegrität im Schweizer Markt durch diese Marktteilnehmer nicht gefährdet ist. Was die Marktstabilität betrifft, so haben wir schon immer eine aktive Marktsteuerung praktiziert und verfügen über die Möglichkeiten, einzugreifen – beispielsweise, wenn ein Kurs sich zu schnell und zu massiv verändert. Bezüglich der Gefahr von sogenannten Flash Crashes haben wir wesentlich bessere Voraussetzungen als die USA. Ein kontroverser Punkt ist allerdings die Frage, ob die High-Frequency-Trader die Liquidität erhöhen oder reduzieren, vor allem in Stresssituationen. Das ist aber eher eine ökonomische, denn eine regulatorische Frage.

Aus Kostengründen und mit Blick auf die mangelnde Liquidität ziehen ausländische Gesellschaften ihre Zweitkotierung in der Schweiz zurück. Was tut die Börse, um diesen Trend zu stoppen?
Der Abgang jedes liquiden, kotierten Titels ist ein Verlust. Wir sind laufend daran, den Betrieb der Kotierung attraktiv zu erhalten, und wir bekommen ein sehr gutes Feedback insbesondere für die professionelle und kundennahe Betreuung. Unser Regulierungsrahmen ist sehr stabil. Zweitkotierungen sind aber immer mit einem substanziellen Mehraufwand verbunden, wobei weniger der finanzielle Aufwand das Problem ist, als die Abstimmung zwischen verschiedenen Regulierungsbestimmungen. Das lässt sich kaum vermeiden.

Wie sieht es mit Neukotierungen aus?
Wir sind im laufenden Jahr mit fünf Neukotierungen sehr zufrieden. Mit einem oder zwei Kandidaten werden Diskussionen geführt. Namen können wir keine nennen, das müssen die Gesellschaften kommunizieren. Traditionell finden Börsengänge eher im ersten Halbjahr statt.

Eine neue  Studie der Managementberatung Oliver Wyman und des Finanzdienstleistungsunternehmen SWIFT kommt zum Schluss, dass sich Börsenhandel und Zahlungsverkehr grundlegend verändern werden – mit dem Resultat, dass Börsen ihre Geschäftsmodelle anpassen müssen. Was bedeutet das konkret für SIX?
In der Studie wird die Wertschöpfungskette aufgeschlüsselt, und man sieht, auf welcher Stufe welche Umsätze erzielt werden. Deutlich wird, dass sich die Grenzen zwischen den verschiedenen Stufen verschieben. Wir haben unsere Strategie im Post-Trading auf diese neue Welt bereits vor einem Jahr ausgerichtet. Wir wollen unseren Kunden einen umfassenderen Service bieten – mit dem Ziel, ein One-stop-Shop zu sein. Gleichzeitig steigt die Notwendigkeit nach Innovationen, und das ist auch der Grund, weshalb wir eine Innovationsinitiative lanciert haben.

Was ist zu erwarten?
Wir stehen im zunehmend schärferen Wettbewerb, auch verändern sich Kundenbedürfnisse zum Teil massiv. Entsprechend müssen wir zur Sicherung der Margen mit neuen, innovativen Produkten und Dienstleistungen auf den Markt kommen. Dies ist der Grund, weshalb wir einen viel grösseren Fokus auf Innovation legen als dies früher der Fall war. Auch an der Wertschriftenmesse Sibos in Boston, die in der vergangenen Woche stattfand, wurde beispielsweise klar, dass die Banken Ansätze suchen, um die Erfüllung von Aufgaben vermehrt zu bündeln und an die Infrastruktur zu übertragen. Hier ist vieles denkbar, auch Joint Ventures mit Banken oder anderen Anbietern. Innovative Lösungen eröffnen uns Chancen.

CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner ist überzeugt, dass der Finanzplatz Schweiz eine grosse Zukunft hat – sofern die Digitalisierung gelingt. Wie kann die Börse den Finanzplatz in diesem Bestreben unterstützen?
Wir sehen die Digitalisierung auch als sehr bedeutende Entwicklung. Der verstärkte Anlegerschutz macht es für Banken aus Haftungsgründen und mit Blick auf die Dokumentationspflicht schwieriger, mittlere und kleinere Kunden individuell zu bedienen. Das wird dazu führen, dass die Dienstleistungen in den digitalen Raum verlagert werden. Die SIX ist mit dem Bereich Finanzinformation genau in diesem Gebiet tätig. Wir können die Banken in der Realisierung der Digitalbank unterstützen und werden deshalb profitieren.

Wie sehen Sie die Entwicklung im ETF-Bereich? Ist das nach wie vor ein Wachstumsgebiet?
Hier setzt lediglich die Kreativität die Grenzen. Angesichts der Beliebtheit passiver Anlagestrategien und der Notwendigkeit, die Kosten der Vermögensverwaltung tief zu halten, rechnen wir weiterhin mit einem Vormarsch der ETF-Produkte. Wir sehen im Weiteren Chancen für unser Joint Venture Stoxx. Der Bedarf nach neuen, innovativen Indizes nimmt weiter zu.

Wie läuft es der SIX bislang in der zweiten Jahreshälfte? Wie entwickeln sich die einzelnen Geschäftsbereiche?
Wir sind sehr zufrieden. Es zeigt sich, dass wir an den richtigen Orten angesetzt haben, und wir sind zuversichtlich, dass wir in 2014 ein sehr gutes Resultat zeigen werden. Im Geschäftsbereich Swiss Exchange sehen wir nach wie vor extrem hohe Rentabilität, trotz der Zugeständnisse, die wir beim Listing von strukturierten Produkten gemacht haben. Im Bereich Securities Services verzeichnen wir dank einer erfolgreichen Neupositionierung und Neuausrichtung das grösste Wachstum. Financial Information hat den operativen Turnaround geschafft, und wir werden eine substanzielle Verbesserung sehen, was die Rentabilität betrifft. Payment Services profitiert von der im vergangenen Jahr erworbenen österreichischen PayLife Bank.

Die CKW zieht sich von der Börse zurück, was gewisse institutionelle Investoren zu einer Zwangsliquidation zwingt. Wie kann der Publikumsaktionär bei Dekotierungen besser geschützt werden?
Vorab bedauern wir natürlich jede Dekotierung. Bezüglich Investorenschutz sehe ich aber keine Probleme, da dieser ganze Bereich sehr engmaschig reglementiert ist. Die Publikumsaktionäre sind schon heute sehr gut geschützt, entsprechend gibt es zahlreiche Bestimmungen, die eine Dekotierung regeln.

Der neue SIX-Verwaltungsrat hat sich dagegen ausgesprochen, ein Angebot für den Konkurrenten Euronext einzureichen. Sind damit alle internationalen Ambitionen der SIX beerdigt? Wo sehen Sie Möglichkeiten?
Wir haben nach wie vor den Anspruch, auch im Ausland zu wachsen, und zwar organisch und anorganisch. Im organischen Bereich wollen wir vermehrt ausländische Kunden gewinnen. Zudem wollen wir die Schweizer Banken in ihrer Auslandstrategie besser unterstützen. Und wir sind nach wie vor gewillt, Geld in Akquisitionen zu investieren, wenn ein Geschäft gut zu unserem Portfolio und zu unserem Mandat, den Finanzplatz Schweiz zu stärken, passt.

Hat SIX etwas Konkretes in der Pipeline?
Es werden uns immer Dossiers zugetragen. Aber konkret und kurzfristig haben wir nichts in der Pipeline. Auch hier gilt: Bei der Übernahme und Bündelung von Aufgaben der Banken erwarten wir die vielversprechendsten Impulse.

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