Zurück zur Übersicht
17:15 Uhr - 15.01.2016

Neue Ära für Schindler

Firmenpatron Alfred N. Schindler gibt das VR-Präsidium ab. Der CEO rückt nach. Der Generationenwechsel ist von langer Hand geplant.

Gerade ein begeisterter Berggänger wie Nestlé-Präsident Peter Brabeck ist Alfred N. Schindler (SCHN 151.2 -1.75%) nicht. Aber er weiss ebenfalls: «Auch der Abstieg braucht Kraft.» Wobei es in seinem Fall ein Ausstieg ist – nach 22 Jahren als Verwaltungsratspräsident hat der Patron des Fahrtreppen- und Aufzugsherstellers entschieden, das Amt abzugeben.

Nachfolger im obersten Führungsgremium soll im Frühjahr 2017 CEO Silvio Napoli werden. Mit Thomas Oetterli rückt ebenfalls eine interne Kraft als operativer Chef nach.

Als Notfallübung kommt der Generationenwechsel nicht daher: «Der Verwaltungsrat hat die Stabsübergabe in den vergangenen drei Jahren intensiv begleitet», betonte Alfred N. Schindler am Freitag vor den Medien.

Der schwierige Ausstieg

«Aussteigen ist fast so schwierig wie einsteigen», kommentierte er im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft». Fähige Nachfolger zu gewinnen und zu halten, bedeute jahrelange, harte Arbeit. Doch niemand sei unersetzlich, nun sei es höchste Zeit, eine jüngere Gilde ans Ruder zu lassen.

Der italienstämmige Napoli hat sich das Vertrauen Schindlers während über 20 Jahren im Unternehmen erworben (vgl. Porträt Seite 15). Es ist erst das zweite Mal in der Unternehmensgeschichte, dass ein Nichtfamilienmitglied das Präsidium übernimmt. Als Wermutstropfen empfinden kann man den Umstand, dass Napoli seinen Posten bereits nach unüblich kurzen zweieinviertel Jahren räumt. Doch er wird als Mitglied des dreiköpfigen VR-­Ausschusses weiterhin exekutive, vollamtliche Funktionen ausüben.

Auf Asien-Erfahrung setzen

Nachfolger als CEO wird per Anfang April der Schweizer Thomas Oetterli. Wie Napoli ist er seit über zwei Jahrzehnten für Schindler aktiv, zuletzt als Chef von China, des mit Abstand wichtigsten Einzelmarkts für Neuinstallationen. Zuvor war der dieses Jahr 47 Jahre alt werdende Manager in der Konzernleitung für die Region Nordeuropa verantwortlich. Auch von Zahlen versteht er etwas, war er doch in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre für die Einführung der IFRS-Rechnungslegungs­regeln im Konzern verantwortlich.

Ausser Napoli wird Rechtsprofessor Karl Hofstetter, auch er seit den Neunzigerjahren bei Schindler, im VR-Ausschuss Einsitz nehmen. Eine dritte Person für die Zeit ab GV 2017 wird noch bestimmt. Den Verwaltungsrat verlassen wird Jürgen Tinggren, Napolis Vorgänger als CEO. Er begründete den Rücktritt auf Anfrage damit, er wolle sich entlasten.

Mit Sika (SIK 3501 -2.75%), wo er als Vertreter der verkaufswilligen Familie im Verwaltungsrat sitzt, habe der Entscheid nichts zu tun. Dennoch kann man davon ausgehen, dass der Schwede und Alfred N. Schindler das Heu nicht mehr auf der gleichen Bühne haben, auch wenn Tinggren weiterhin strategische Projekte für den Liftkonzern betreut. Der Unternehmenspatron unterstrich am Freitag erneut, der Fall Sika sei für kotierte Familienunternehmen «ein Desaster».

Fünfte Generation in den Startlöchern

Ganz lässt Schindler nicht los, «ich gehe nicht über Nacht». Der Urgrossenkel des Firmengründers bleibt wie Cousin Luc Bonnard voraussichtlich bis 2022 im Verwaltungsrat und vertritt dort die Interessen der Besitzerfamilien. Dann ist die statutarische Altersgrenze von 73 Jahren erreicht.

Mit Carole Vischer ist eine Nichte von Luc Bonnard im Verwaltungsrat des Konzerns, weitere sollen folgen. Die fünfte Generation ist laut Alfred Schindler willens, dem Unternehmen auf der Ebene des Verwaltungsrats oder im operativen Tagesgeschäft zu «dienen».

Trotzdem tritt der Konzern in eine neue Ära. Der charismatische und eigenwillige Patron prägt den Konzern seit vierzig Jahren. Damals trat er während des Studiums in den Verwaltungsrat ein, nachdem sein Vater unerwartet gestorben war.

In der Zwischenzeit hat das Unternehmen laut Schindler 139 Transaktionen vorgenommen, die Hälfte davon Übernahmen. Der Börsenwert ist von 220 Mio. Fr. auf fast 17 Mrd. gestiegen, etwa das 75-Fache. Dazu kommen regelmässige Dividendenzahlungen. Vor allem von der Globalisierung der Jahrhundertwende hat der Konzern enorm profitiert.

Günstiger Zeitpunkt

Aus operativer Sicht hat es eine gewisse Logik, dass die Wechsel jetzt eingeleitet werden. Schindler hat unter Napolis Führung grosse Anstrengungen unternommen, die Präsenz in Asien zu stärken, besonders im Hauptmarkt China, in dem der Konzern gegenüber einigen Konkurrenten ins Hintertreffen geraten war.

Mittlerweile spiegle der geografische Fussabdruck den globalen Markt für Fahrtreppen und Aufzüge nahezu perfekt, betonte Alfred Schindler. Auch das Produktangebot ist in den vergangenen Jahren komplettiert worden, zum Beispiel für das untere Preissegment in China. Der Auftragsbestand ist auf Rekordniveau, wobei sich das Wachstum des Bestellungseingangs im Jahresverlauf wegen der Unsicherheit über die Konjunktur doch etwas abschwächen dürfte.

Qualitätstitel

Weil die Sonderaufwendungen für die Expansion in Asien im Abnehmen begriffen sind, weist die operative Rendite seit einigen Monaten steigende Tendenz auf. An der Bilanzpressekonferenz im Februar wird sich zeigen, ob dieser Trend weiter geht und das Management das frühere Margenziel von 14% (Ebit in Prozent des Umsatzes) reinstalliert.

Nach einer klaren Überperformance 2015 sind Schindler noch schlechter als der Gesamtmarkt ins Jahr gestartet. Gewiefte und kühl agierende Anleger führen die Titel aber auf ihrer Beobachtungsliste: Börsenkurse unter 140 Fr. resp. ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von weniger als 20 sind definitiv eine Einstiegsgelegenheit. Die nun getroffene Nachfolgeregelung wird das Schindler-Erfolgsmodell nicht ins Wanken bringen.

Die komplette Historie zu Schindler finden Sie hier. »

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.