Mit dem Kauf von Ungerer & Company gelingt ein vielversprechender Zug, allerdings auf Kosten einer nochmals höheren Verschuldung.
Als Stockwerk- oder als Zimmernummer fehlt sie zuweilen, die nach westlichem Aberglauben als Unglückszahl verschriene Dreizehn. Auch Givaudan (GIVN 2854 -0.35%) will es nicht bei ihr belassen. Dreizehn Übernahmen hat der Aroma- und Riechstoffhersteller vollzogen, seit er die Akquisitionstätigkeit vor fünf Jahren wieder aufgenommen hat. Nun folgt die vierzehnte: Ungerer & Company.
Das 1893 vom ausgewanderten Schweizer William (Wilhelm) Ungerer gegründete Unternehmen aus Lincoln Park im US-Bundesstaat New Jersey sieht sich als einen führenden unabhängigen Anbieter von Aromen, Riechstoffen und Spezialitäteningredienzien, insbesondere für ätherische Öle. Eine Übernahmevereinbarung ist unterzeichnet, der Vollzug wird für das erste Quartal 2020 erwartet.
Mit dem Schwerpunkt auf natürlichen Ingredienzien und einer starken Präsenz bei lokalen und regionalen Kunden in Nordamerika passt Ungerer perfekt ins Beuteschema von Givaudan. Andreas von Arx, Analyst von Baader-Helvea, beurteilt die Akquisition alles in allem als positiv.
Kein Leichtgewicht
Ungerer ist kein Leichtgewicht. Die private Gesellschaft ist in mehr als sechzig Ländern vertreten, betreibt acht Produktionswerke und sechs Forschungs- und Entwicklungszentren. Mit einem Umsatz von rund 250 Mio. $ im vergangenen Jahr –4,5% des letztjährigen Werts von Givaudan – wird Ungerer die zweitgrösste unter den vierzehn Akquisitionen; nur Naturex war nach Umsatz grösser.
Weitere finanzielle Details werden keine genannt. Immerhin lässt sich Givaudan entlocken, dass die Profitabilität auf branchenüblichem Niveau liege. Demnach dürfte die Marge auf Stufe Ebitda (Betriebsgewinn vor Abschreibungen und Amortisation) etwas geringer sein als die derzeit rund 22% von Givaudan.
Ein Leichtgewicht wird Ungerer auch in preislicher Hinsicht nicht sein. Auch wenn Givaudan nicht im Ruf steht zu überzahlen, der zweieinhalb- bis dreifache Umsatz dürfte hinzublättern sein. Jean-Philippe Bertschy, Analyst der Bank Vontobel (VONN 59.65 0.34%), geht von einem Faktor von rund 2,8 aus.
Verschuldung steigt weiter
Die Transaktion soll über die Ausgabe eines Schuldtitels finanziert werden. Das ist der wunde Punkt, der die Freude über den Zukauf trübt. So schön der Kauf von Ungerer langfristig sein mag, auf kürzere Sicht wirkt er in mehrfacher Hinsicht erschwerend – potenziell auch mit Blick auf die Aktien.
Givaudan hat in jüngerer Zeit weit mehr ausgegeben als eingenommen. Von Mitte 2016 bis Mitte 2019 ist die Nettoverschuldung deshalb von knapp 1 auf 3,7 Mrd. Fr. gestiegen. Das entspricht dem 2,8-fachen des für das Gesamtjahr geschätzten Ebitda. Selbst berücksichtigend, dass die Nettoverschuldung zum Halbjahr traditionell höher ist – Steuern und Dividenden schmälern den Mittelbestand –, ist das nicht wenig.
Mit den ebenfalls fremdfinanzierten Übernahmen von Drom Fragrances und Fragrance Oil und danach mit dem Schuldtitel für Ungerer kommt noch einiges dazu. Ein ansehnlicher freier Cashflow – gemäss Strategieplan 2020 soll der Jahresdurchschnitt zwischen 12 und 17% betragen, im vergangenen Jahr waren es knapp 13% – wird den Anstieg allerdings dämpfen.
Investment-Grade-Rating soll bleiben
Trotzdem, die Ratingagenturen werden an der weiteren Verschlechterung der Bilanzqualität keine Freude haben. Kritisch beäugen dürften sie zudem den Umstand, dass vom Ebitda wegen des deutlich erhöhten Amortisationsaufwands für die Übernahmen verhältnismässig weniger in den Gewinn hinuntersickern wird.
Standard & Poor’s bewertet Givaudan zwar mit einem Rating von A– und Moody’s mit einem von Baa1. Das liegt komfortable vier bzw. drei Stufen über der Schwelle, die den Verlust der Anlagequalität bedeutet. Beide Ratings beziehen sich aber auf Ende August 2018 – und dürften kaum auf diesem Niveau zu halten sein. Givaudan selbst stellt auf Anfrage aber klar: «Unser Ziel ist es, weiterhin ein Investment-Grade-Rating zu haben.»
Eine Frage des Vertrauens
Wohl kann Givaudan dank der finanziellen Potenz und mit der nötigen Disziplin gut Schulden abbauen. Zudem ist das Geschäft defensiv, sodass konjunkturelle Schwankungen keinerlei Probleme bereiten. Dennoch können die Folgen der regen Übernahmetätigkeit einen Schatten auf die an sich leuchtenden Aktien werfen. Ihre hohe Bewertung ist nicht naturgegeben.
Ein Verhältnis von Kurs zu Gewinn von 30 auf Basis einer nur leicht erhöhten Gewinnschätzung für 2020 spiegelt ausser dem labilen Wirtschaftsumfeld und dem allgemeinen Zinsniveau vor allem auch Vertrauen: in das Leistungsvermögen, die Qualität und die grosszügige Dividendenpolitik. Erhält dieses Vertrauen Risse, wird das die von Investoren zugestandene Bewertung belasten und Druck auf den Kurs ausüben.
Damit es nicht so weit kommt und die Aktien ihre vielversprechende Entwicklung fortsetzen können, sollte es Givaudan nicht auch noch mit chinesischem und japanischem Aberglauben halten. Dort gilt die Vierzehn als Unglückszahl, wie alle Zahlen mit einer Vier. Über einen weiteren mittelgrossen Zukauf gleich auch ihrem Einflusskreis zu entgehen, würden kaum alle Anleger goutieren. So, wie sich die Situation heute präsentiert, bleiben die Titel ein Kauf.
Die komplette Historie zu Givaudan finden Sie hier. »
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