Zurück zur Übersicht
14:15 Uhr - 11.03.2021

Stadler gewinnt Anlegervertrauen zurück

Nach einer Reihe verfehlter Prognosen kann der Bahnbauer die Erwartungen für 2020 übertreffen.

Endlich. Nachdem Stadler Rail (SRAIL 46.94 -1.14%) Semester für Semester Erwartungen enttäuscht hat, trifft nun das Gegenteil ein: Stadler kann mit den Zahlen für 2020 die Schätzungen des Marktes auf allen Ergebnisstufen leicht übertreffen. Das ist das Positivste am Abschluss des Bahnbauers. Das Unternehmen macht damit einen Schritt zur Rückgewinnung angeschlagenen Anlegervertrauens.

Peter Spuhler, Verwaltungsratspräsident und CEO im Doppelmandat, scheint sich bewusst zu sein, dass das eine Priorität sein muss. Angesprochen auf die auffallend niedrige Margenprognose für das laufende Jahr («über 6%», bereits im zweiten Halbjahr 2020 lag die Ebit-Marge wieder bei 7%), sagte er: «Wir möchten die Analysten und die Presse ja auch einmal positiv überraschen.» Seit dem Börsengang vor bald zwei Jahren war das kaum je der Fall. Stadler senkte Prognosen, nur um sie dann trotzdem zu verfehlen. Mit ein Grund, weshalb CEO Thomas Ahlburg im Mai vergangenen Jahres gehen musste.

Der am Donnerstag vorgelegte Jahresabschluss hat daher etwas von einer Erlösung – auch wenn er, pandemiebedingt, durchzogen ausfällt. Stadler ist zwar kein eigentlicher Coronaverlierer. Züge waren und sind weiterhin gefragt. Die Urbanisierung, die zunehmende Mobilität und der Trend zu Nachhaltigkeit sorgen dafür, dass die Bestellungen nicht abreissen. «Es wurde keine grosse Ausschreibung abgesagt, und unsere Kunden haben keine Aufträge gekündigt», sagte Spuhler.

Mehr Serviceaufträge

Der Auftragsbestand wuchs kräftig und beträgt mittlerweile eindrückliche 16 Mrd. Fr. Das entspricht, gemäss heutigen Zahlen, dem Umsatz von vier bis fünf Jahren. Besonders erfreulich ist, dass Stadler mehr Serviceaufträge gewann. Dieses Geschäft, die Wartung von Zügen, hat nicht nur einen stabilisierenden Effekt auf die Ergebnisse, es verspricht auch höhere Margen.

Die Nachfrage war also nicht das Problem. Covid-19 stellte Stadler vor andere Herausforderungen: Eine der grössten waren die Reisebeschränkungen. Kunden und Zulassungsbehörden konnten für Abnahmen nicht zu den Zügen reisen. Bei Stadler standen immer mehr fertig gebaute Züge herum, die nicht ausgeliefert werden konnten. Und da das Unternehmen – anders als Konkurrenten – einen Zug erst zum Umsatz zählt, wenn er ausgeliefert und die Endrechnung gestellt wurde, wirkte sich dieser Lieferstau direkt auf die Ergebnisse aus.

Im zweiten Halbjahr konnte Stadler aufholen: Trotz zweiter Coronawelle steigerte sie die Auslieferungen kräftig. Insgesamt hat das Unternehmen im vergangenen Jahr 465 Fahrzeuge ausgeliefert – 21 mehr als im Vorjahr. «Von der Kapazitätsplanung her wären deutlich über 500 möglich gewesen», sagte Spuhler. «Aber Covid hat uns ausgebremst.» Noch immer warten im vergangenen Jahr gebaute Züge auf ihre Abnahme und Auslieferung. Dieser Rückstand werde im laufenden Jahr aber komplett abgearbeitet, sagte Spuhler. Dadurch sollte sich das Nettovermögen wieder erholen, das 2020 in den tiefroten Bereich absackte. Der Grund seien die verzögerten Kundenabnahmen, sagte Finanzchef Raphael Widmer. «Ohne Fakturierungen kein Cash.» Zudem seien die Investitionen ins Wachstum hoch ausgefallen.

Von «Kaufen» auf «Halten»

FuW hat die Gewinnschätzung für 2021 von 1.85 auf 2 Fr. pro Aktie erhöht. Dies unter der Annahme eines Umsatzes von 3,65 Mrd. Fr. und einer Ebit-Marge von 6,5%. Wir halten uns damit ziemlich genau an die Prognosen des Unternehmens. Sollten sich diese als zu defensiv erweisen, ist ein höherer Gewinn möglich. Gemessen an der aktuellen Gewinnschätzung beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) 2021 zurzeit rund 24 – ein vernünftiger Wert.

An der Börse scheint sich allgemein eine realistische Einschätzung Stadlers einzustellen. Nach der anfänglichen Euphorie, die jeden Fehltritt verzieh, folgte im vergangenen Frühjahr eine Phase der grundsätzlichen Zweifel, die eine Kursschwäche auslöste. Seit Anfang Jahr konnten die Titel wieder rund 17% zulegen und sind nicht länger günstig. FuW senkt ihre Empfehlung von «Kaufen» auf «Halten».

Wer ein Jahr oder mehr investiert bleiben will, kann aber auch jetzt noch einsteigen. Das KGV 2022 beträgt gemäss unseren Schätzungen nur 19. Die Wachstumsaussichten sind nämlich nach wie vor sehr gut. Das zeigt das rekordhohe Auftragspolster. Hinzu kommen die strukturellen Megatreiber sowie Stimulusprogramme von Regierungen, von denen die Branche profitieren wird. Am Margenziel von 8 bis 9% bis 2023 hält Stadler zudem fest. Unter dem Strich dürfte sich das Ergebnis in den kommenden Jahren somit stetig verbessern.

Die komplette Historie zu Stadler Rail finden Sie hier.»

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.