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13:48 Uhr - 25.07.2017

«Ein Crash steht nicht zur Debatte»

Jacques E. Stauffer, CEO und Partner von Parsumo, stützt sich auf Risikoindikatoren. Die Wahrscheinlichkeit robuster Märkte sei auch in den nächsten Monaten gross.

Herr Stauffer, die Märkte entwickeln sich robust, die Anleger scheinen kaum Sorgen zu haben. Gilt das auch für Sie?
Sorglos zu sein, ist immer gefährlich, gerade bei gut laufenden Märkten. Wir bleiben aufmerksam und prüfen die Risiken täglich. Aber man muss auch die Tatsachen sehen, und diese vermitteln ein positives Bild: Die Investoren sind nicht nur auf eines oder auf wenige Themen fokussiert, sondern sie konzentrieren sich auf eine Vielzahl von Einflussfaktoren. Das macht den Markt robust. Negative Nachrichten werden gut absorbiert.

Hält die Zuversicht an?
Ein wichtiger Grund ist weiterhin die expansive Geldpolitik. Die hohe Renditedifferenz zu Obligationen spricht weiterhin für Sachwerte wie Aktien, Immobilien und Rohstoffe. Die Konjunktur verbessert sich, die Unternehmensgewinne steigen. Die Konsumentenstimmung ist ausgezeichnet, und weil die Löhne kaum steigen, ist auch die Inflationsgefahr gering. Das hält die Zuversicht hoch. Vor allem aber liefert unser prospektives Risikomodell, nach dem wir investieren, ein positives Bild. Es bestätigt die geschilderte fundamentale Sicht.

In welcher Hinsicht, was sagt das Modell?
Wir messen die Turbulenzen und die systemischen Risiken am Markt. Turbulenz bedeutet Nervosität, sie geht Anlegern unter die Haut. Turbulenzen machen sich in der Regel drei oder vier Wochen im Voraus bemerkbar. Beim Systemic Risk Index geht es um die Frage, aus welchen Motiven die Anleger handeln. Bei wenigen Beweggründen – Stichwort Frankenschock, da war im Vorfeld fast alles auf die Zinsen und die Währungen fokussiert – ist die Gefahr eines Rückschlags gross. Beide Indikatoren bewegen sich aktuell weiterhin im positiven Bereich.

Seit wann, was hat den Umschwung gebracht?
Das Modell deutete vor der Finanzkrise Probleme an, zeigte zwischen 2012 und 2014 robuste Märkte an, gefolgt von einer flauen Phase, bevor Mitte 2016 das Pendel erneut umschlug. Seither ist das Risikoumfeld vorteilhaft, Anleger stützen sich auf viele Faktoren ab: Konjunktur, Gewinnentwicklung, Risikoprämien, moderate Inflation und Zinsen, Sektorrotation etc. In einem weniger widerstandskräftigen Markt wäre die Reaktion auf Brexit und Trump-Wahl anders ausgefallen.

Die wirtschaftliche Entwicklung verleiht Anlegern respektive Märkten Rückenwind.  Ökonomen sprechen vom «New Normal»: niedrige Inflation, tiefe Zinsen, mässiges, dafür länger dauerndes Wachstum. Glauben Sie an ein neues Zeitalter?
Mit «New Normal» zu rechnen, wäre genauso ein Fehler, wie das Faktum der niedrigen Inflation, der historisch tiefen Zinsen und des anhaltenden, ja sich nach unseren Anzeichen noch beschleunigenden Wachstums zu negieren. Darüber sollten wir uns freuen. In robusten Markverhältnissen wie jetzt, wenn der Markt Risiken adäquat entschädigt, sind Aktien überzugewichten. Wenn sich die Grundstruktur verschlechtert, ist die Sachwertquote deutlich zu senken. Unser Ziel ist, das Risiko um die Benchmark herum zu skalieren. Eine Aktienquote von rund 30%, wie bei vielen Pensionskassen, ist zwar im Durchschnitt angemessen, aber in gewissen Phasen zu wenig und in anderen klar zu viel.

Wo bewegt sich die Quote von Parsumo?
In institutionellen Mandaten sind es derzeit rund 46% verglichen mit 32% im Credit-Suisse-Pensionskassenindex.

In Ihrem Fonds PARtact Dynamic Strategy sind es sogar über 60%, und Cash halten Sie mit weniger als 2% fast keines. Eine riskante, ja übermütige Strategie?
Die gegenwärtige Aktienquote von 63% und die Liquidität von 1,5% spiegeln die konstruktive Situation, in der Risiken honoriert werden. Auch untergewichten ist ein Risiko. Letztes Jahr noch bewegte sich der Cash-Anteil phasenweise zwischen 20 und 25%. Ab Mitte 2016 haben dann die Indikatoren wie erwähnt ein vorteilhaftes und ab diesem März das beste Marktregime angezeigt. Die Schatten der Finanzkrise wurden kleiner, und die Weltkonjunktur hat Mitte des vergangenen Jahres ihren Tiefpunkt durchschritten. Dieser Regimewechsel hat viele Investoren überrascht. Die Dynamik hält besonders in den Schwellenländern weiterhin an, konjunkturell und an den Börsen. Die Emerging Markets reagieren in solche Phasen noch deutlicher als die etablierten Märkte.

Was kommt als Nächstes, wie geht es an den Börsen weiter?
Obwohl die Märkte gut gelaufen sind, darf man sich nicht zu früh von ihnen verabschieden. Auch Haussen können länger dauern, als man denkt. Zuverlässig können wir als Risikomanager anhand unserer Indikatoren sagen, dass ein erneuter Regimewechsel in den nächsten drei Monaten sehr unwahrscheinlich ist.

Und darüber hinaus? Nicht taktisch, über drei Monate, sondern strategisch, längerfristig?
Wir finden, dass das Skalieren mit prospektiven Risikoindikatoren sinnvoller ist als eine Renditeprognose beispielsweise für den SMI (SMI 8980.65 0.93%) auf zwölf Monate. Fundamentale Analyse ist in Ordnung, aber sie zu übersetzen in eine mittelfristige Voraussage, geht mal besser, mal schlechter und stösst insgesamt rasch an Grenzen.

Machen Sie’s trotzdem.
Falls sich das Risikoumfeld bis Ende Jahr nicht signifikant verändert, sollten in einem gemischten Portfolio noch ein bis drei Prozentpunkte hinzukommen.

Was könnte die Stimmung kippen?
Wenn sich der Anlegerfokus auf zwei bis drei Faktoren reduziert. Das könnten die Zinsen sein. Wo die Schmerzgrenze bei einem Zinsanstieg liegt – und höhere Zinsen werden kommen –, ist schwer zu sagen. Wenn sich die Investoren einseitig auf einen Zinsanstieg konzentrieren, werden wir die Signale erhalten und das Risiko zurücknehmen. Das Gute ist, dass die Notenbanken ausgezeichnete Arbeit leisten und die Märkte auf ihre Politik vorbereiten. Ein sachter Zinsanstieg kann auch positiv für Aktien sein, weil er die konjunkturelle Besserung bestätigt und sie nicht abwürgt.

Welche Aktien sind zu favorisieren?
Unser vorlaufendes Konjunkturmodell zeigt vier Phasen an: Erholung, Boom, Abkühlung und Rezession. Aktuell befinden wir uns im Boom, bei dem Faktorgruppen wie Momentum und Revision von Gewinnschätzungen dominieren.  Ausgesprochene Qualitätsaktien und defensive Titel sind in solchen Zeiten eher zu vernachlässigen.

Ist das nachteilig für die Schweiz mit ihren defensiven Schwergewichten?
Wir favorisieren auch SMI-Titel – LafargeHolcim (LHN 57.8 1.14%) und Adecco (ADEN 71.9 1.48%) etwa. Mehr zyklische Werte gibt es unter den Small und Mid Caps. Sie sollten, wie Aktien überhaupt, weiter übergewichtet werden.

Bank- oder Rohstoffaktien, beide liegen zurück?
Banken und Rohstoffe sind zyklische Sektoren und gehören beide ins Depot.

Sie haben die Emerging Marktes erwähnt, was gefällt daran?
Die Anzeichen einer sich beschleunigenden Weltkonjunktur verdichten sich. Das begünstigt die meisten Schwellenländer. Die niedrige Inflation gibt ihnen zudem die Möglichkeit, die Zinsen niedrig zu halten. Auch wenn die Wachstumsraten nicht an frühere Werte heranreichen, ist das kein schlechtes Zeichen, im Gegenteil. Gerade im Falle von China ist es ein Indiz für die Reifung und die Entwicklung der Volkswirtschaft. Die Unternehmensführung ist professioneller geworden, die Bewertung attraktiv und die Risikoprämie hoch. Emerging Markets sind sehr attraktiv.

Welche Aktien bieten Wachstum und halten auch Turbulenzen stand?
Einzeltitel zu nennen, wäre irreführend. Es gilt, das Risiko zu steuern, zu diversifizieren und in ineffizienten Aktienmärkten die im Vergleich zu Indexprodukten wenig versprechenden Titel wegzulassen.

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