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07:09 Uhr - 22.09.2016

Gegen hyperaktive Notenbanken

Der Schweizer Vater des Monetarismus plädierte für eine regelbasierte Geldpolitik. Nun widmet ihm die Nationalbank eine Veranstaltungsreihe.

Die Kritik von Karl Brunner trifft auch an seinem hundertsten Geburtstag ins Schwarze. Der 1916 in Zürich geborene Ökonom äusserte sich skeptisch gegenüber Aktivismus von Zentralbanken. Zu seinen Ehren startet die Schweizerische Nationalbank diese Woche eine Vortragsreihe, die jährlich stattfinden wird.

«Karl Brunner war wohl der bedeutendste Schweizer Ökonom des 20. Jahrhunderts», erklärt die SNB (SNBN 1560 0.78%). Er arbeitete in Chicago mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman zusammen und sein halbes Leben lang mit dem US-Ökonomen Allan Meltzer. Für Meltzer, der am Donnerstag bei der SNB in Zürich referiert, war Brunner ein «Freund, Lehrer und langjähriger Arbeitskamerad». Karl Brunner starb 1989 im Alter von 73 Jahren in Rochester am Ontario-See im US-Bundesstaat New York.

1973 gründete Brunner zusammen mit Meltzer das Schatten-Komitee für die US-Geldpolitik, das heute noch tagt. Das Shadow Open Market Committee (SOMC) kritisierte die Massnahmen der Notenbank Fed, über die das Federal Open Market Committee (FOMC) entscheidet. Die Währungshüter führten damals die seit Jahren zunehmende Inflation auf die Macht der Gewerkschaften und auf Ölpreisschocks zurück. Das SOMC hingegen kritisierte, die Geldpolitik sei zu expansiv und die Geldmenge wachse zu schnell. 1980 zog der neue Fed-Präsident Paul Volcker die Notbremse und straffte die Geldpolitik drastisch, um die Inflation zu zähmen.

In Europa rief Brunner das Konstanzer Seminar über Geldtheorie und Geldpolitik ins Leben, das dieses Jahr im Mai zum 47. Mal stattfand, unter anderem mit Teilnehmern der US-Notenbank. Das SOMC bemängelt heute die ökonomische Argumentation und die Kommunikationspolitik des Fed, und fordert eine regelbasierte Geldpolitik.

Das hatte schon Brunner verlangt. Besser als ein diskretionäres Vorgehen sei es, ein Geldmengenziel anzukündigen und alles daran zu setzen, es zu erreichen, schrieb er. Das sei notwendig, um wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten, argumentierte auch Milton Friedman, der oft als Vater des Monetarismus bezeichnet wird. Idealerweise nehme die Geldmenge im Einklang mit dem Wirtschaftswachstum zu, die Steuerung der Geldpolitik würde also per Autopilot funktionieren.

Das Konzept setzte sich zumindest teilweise durch. Nach dem Börsencrash 1987 beispielsweise erhöhte die SNB die Liquidität und gab für 1988 ein grosszügiges Geldmengenziel bekannt.

Den Aufsatz «Monetarism» schrieb Brunner 1968, publiziert wurde er von der US-Distriktnotenbank St. Louis. Die neue Denkrichtung bezeichnete er als «monetaristische Revolution». Eine solche Umwälzung hatte er auch selbst durchlaufen. Meltzer erzählt: «Als ich Karl Brunner 1952 zum ersten Mal traf, war er ein Keynesianer.» Eine auf den Ideen von John Maynard Keynes basierende, aktivistische und allein auf die Konjunkturstabilisierung ausgerichtete Geldpolitik lehnte er später ab.

Seine Ausbildung als Ökonom begann Brunner an der Universität Zürich und an der London School of Economics. Er dozierte an der Universität St. Gallen und wechselte 1949 an die Universität Chicago. Sodann war er Professor an verschiedenen Universitäten in den USA sowie zwischendurch in Konstanz und Bern und zuletzt in Rochester. Brunner gründete zwei der heute noch führenden Fachzeitschriften für monetäre Ökonomie und schrieb zahlreiche Fachartikel und vier Bücher. Neben Geldpolitik und Makroökonomie widmete er sich der Moralphilosophie.

Was Karl Brunner von der heutigen ultraexpansiven Geldpolitik hielte, wissen wir nicht. Sein Compagnon Meltzer sagte vor drei Jahren im Interview mit «Finanz und Wirtschaft», das Fed begehe mit dem Stimulusprogramm einen groben Fehler. «Realwirtschaftliche Probleme mit der Geldpresse zu lösen, hat noch nie funktioniert und wird auch jetzt nicht klappen». Höchstwahrscheinlich würde Karl Brunner beipflichten.

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