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13:00 Uhr - 15.04.2015

«EZB-Massnahmen schlagen durch»

Erstmals betont EZB-Präsident Draghi nicht mehr die Abwärtsrisiken der Eurozone. Deren Erholung sei Folge von Geldpolitik und Reformen. In der Frage, ob die EZB weiter genügend Anleihen für ihre Käufe findet, sät er aber einen Zweifel mehr.

Von Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), erwartete die Finanzwelt diesen Mitwoch vor allen eines: Die Bilanz der im Januar angekündigten Anleihenkäufe, die seit gut einem Monat laufen und monatlich rund 60 Mrd. €  in die Märkte pumpen.

An den Märkten ist die Wirkung unübersehbar: Die Mailänder Börse ist auf dem höchsten Stand seit 2009, mit einem Plus von 27% seit Ankündigung am 22. Januar. Der EuroStoxx 50 avnacierte knapp 21%, ähnlich viel Dax und CAC 40 (PX1 5254.35 0.7%).

Der EZB-Präsident bezeichnete an der Pressekonferenz im Anschluss an die Ratssitzung  – und nach der furiosen Attacke einer Demonstrantin – die Risiken für die Erholung als ausgeglichen. Diese Änderung sollte aufhorchen lassen. Seit Jahren und durch alle Silberstreifen am Horizont hindurch hatte Draghi die Abwärtsrisiken betont – sei es aus geopolitischen, konjunkturellen oder strukturellen Gründen.

Wende bei Krediten und Teuerung

Die Änderung dieser Einschätzung klingt nach Wende, fast nach Durchbruch. Sie fast all das zusammen, was Umfragen unter Konsumenten, Unternehmen, Börsenkurse und Industrieproduktionszahlen in jüngster Zeit andeuten: Der Wind in der Eurozone könnte gedreht haben.

Die jüngste Kreditumfrage bei den Banken untermauert diese Sicht, denn auch sie zeigt ein Novum: Nicht nur leihen Banken wieder mehr an Haushalte und Unternehmen. Auch die bisher stets vermisste Nachfrage ist erstmals angesprungen.

Gute Neuigkeiten kommen auch von der Preisentwicklung: Die an Swapsätzen gemessene Inflationserwartung ist gemäss Draghi in fast allen Laufzeiten deutlich gestiegen. Dies senke die realen Zinsen, was zentral sei für die Lockerung der geldpolitischen Bedingungen. Eine negative Inflation habe die Bemühungen der expansiven Geldpolitik lange torpediert. Hier habe eine Trendumkehr stattgefunden, das sei sehr wichtig.

Kombinierte Wirkung

Draghi machte – trotz Attacke – einen ungewöhnlich optimistischen Eindruck. Auch die Aufrufe an weitere Strukturreformen hatten nicht mehr die Dringlichkeit früherer Beschwörungen, sie hatten eher den Charakter einer Erinnerung daran, dass die Arbeit nicht getan ist, eines gut gemeinten  Rats.

Und der bleibt trotz allem teuer. Nicht vergessen gehen darf, auf welche tiefem Niveau sich die Eurozone erholt – Draghi erwähnte es selbst: die strukturelle Arbeitslosigkeit betrage im Durchschnitt 11%. Es werde viel debattiert, ob tiefe Zinsen eher ein Anreiz für die Politiker seien, um nichts zu tun, oder um das freundliche geldpolitische Umfeld für Reformen zu nutzen. Doch Anreiz für Reformen auf dem Arbeitsmarkt sollte die Arbeitslosigkeit selbst sein, mahnte Draghi.

Expansiven Geldpolitik und Reformen bezeichnete der Notenbankpräsident als natürliche Komplemente. Die EZB-Konferenz vom Donnerstag vermittelte sicher erstmals den Eindruck, dass ihre kombinierte Wirkung aus Sicht der Währungshüter endlich durchschlägt. Auf Seite der EZB erwähnte Draghi neben dem neusten Kaufprogramm und der Zinspolitik das auf dem Höhepunkt der Krise 2012 erlassene Programm zum Kauf der Anleihen kriselnder Staaten unter Reformbedingungen, die günstigen Langfinanzierung von 2011, 2012 und 2014 sowie das Programm zum Kauf von Pfandbriefen und Kreditverbriefungen.

Die EZB erwartet eine Kräftigung der Erholung – unter zwei Bedingungen: Dass die Geldpolitik umgesetzt werde und die Strukturreformen weitergehen. Dann könne die gegenwärtige zyklische Erholung 2016 in eine strukturelle hineinwachse.

Gibt es genügend Anleihen?

Wie schon in den vergangenen Wochen – und in jedem bisher von der EZB erlassenen oder erwogenen Programm – ging es an der Pressekonferenz auch um die Frage, ob der Markt für Staatsanleihen in der Eurozone genug gross sei, um weiterhin 60 Mrd. € pro Monat darin investieren zu können. Draghi zeigte sich überrascht von der Dringlichkeit dieser Frage nur einen Monat nach Beginn der Käufe und bezeichnete die Sorge als «etwas übertreiben». Die Frage sei ebenso verfrüht wie jene, was die EZB zu tun gedenke, falls die Inflation aus dem Ruder laufen sollte. Es gebe für beide Probleme derzeit nicht einmal Anzeichen.

Das Programm sei zudem genügend flexibel, um angepasst zu werden. Eine Überraschung hatte die Konferenz dann – neben der Attacke –  in dieser Frage doch noch: Bonds mit Rendite von -0,2% werde die EZB nicht kaufen. Das dürfte die Diskussion neu anschüren, denn viele hatten dies als eine der Möglichkeiten der EZB gesehen, sich den Markt Bonds bei Bedarf zu vergrössern.

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