Statt mit weitsichtiger Planung waren die CS-Chefs mit Machtspielchen und ihrer eigenen Inkompetenz beschäftigt. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Jeffrey Vögeli.
Es ist der dritte Quartalsverlust in Folge, vor dem Credit Suisse (CSGN 6.37 -5.01%) am Mittwoch ihre Aktionäre warnen musste. Zudem hat sie die eigenen Kapitaluntergrenzen aufgeweicht und damit auch das Vertrauen von Regulatoren, Kunden und Aktionären. Wobei, ob da noch viel Raum nach unten ist, ist fraglich. Der Aktienpreis jedenfalls nähert sich gerade zum zweiten Mal dieses Jahr dem Allzeittief. Im ersten Quartal reichten ein paar – im Bankenkontext fast schon harmlose – Abschreiber, um die Bank in die Verlustzone zu drücken. In der jüngsten Gewinnwarnung ist nicht einmal mehr davon die Rede. Schon das Austrocknen der IPO-Pipeline und das Schwinden der Risikobereitschaft reicher Asiaten reichen für einen Verlust.
Auf diese Misere hat die Bank lange hingearbeitet. Der Verwaltungsrat hat zugeschaut, wie Tidjane Thiam – der Vorgänger des aktuellen CEO Thomas Gottstein – während seiner Zeit an der Spitze von 2015 bis 2020 Loyalität höher gewichtete als Kompetenz. Dabei liess er keinen Stein auf dem anderen. Er zerteilte die Bank in regionale Einheiten, machte aus einer Investmentbank zwei und liess zu, dass die Zuordnung mancher Geschäftsbereiche zumindest für Aussenstehende unklar blieb. Zugleich schwang er den Sparhammer und dampfte jeweils die Geschäftsbereiche ein, die gerade nicht liefen.
Thomas Gottstein, der nach Thiams Rauswurf nachrückte, hatte an dieser «Strategie» tatkräftig mitgearbeitet. Seit seiner Kür zum Chef 2020 ist er nun daran, Thiams Umbau Stück für Stück rückgängig zu machen. Doch der Schaden ist angerichtet. Statt auf eine Bank in einer Position der Stärke trifft das Krisenjahr 2022 auf eine CS, die zur Dauerbaustelle verkommen ist. Credit Suisse – die ohnehin spät auf den Wandel reagiert hat, der etwa UBS (UBSG 17.72 -2.61%) dazu bewogen hatte, sich überwiegend als Vermögensverwalter zu positionieren – hat die entscheidenden Jahre vertrödelt. Wichtige Jahre, in der sie ihre Position als eine von wenigen weltweit relevanten Banken hätte zementieren müssen.
Angesichts dieser Ausgangslage steht CS praktisch ohne eigene Handlungsmacht da. Kommt es im zweiten Halbjahr tatsächlich zu einer Rezession der Weltwirtschaft, wird das Kapitalpolster mit weiteren Verlusten erneut schrumpfen. Auch wenn die Bank vom regulatorischen Minimum noch ein Stück entfernt ist, würde das über kurz oder lang die Regulatoren auf den Plan rufen, die dann eine erneute Kapitalerhöhung erzwingen könnten. Das wäre dann wohl das Ende von Thomas Gottstein als CEO.
Dieses implizite Szenario will die Bank mit «beschleunigten» Kostenmassnahmen abwenden, die 2023 die Chance auf Gewinn verbessern sollen. Das könnte in einem freundlichen Marktumfeld funktionieren. Angesichts der aktuellen Lage werden die anfallenden Restrukturierungskosten den Verlust vergrössern und wie schon in der Ära Thiam dafür sorgen, dass für gute Mitarbeiter ein Job bei der Konkurrenz immer attraktiver wird. Womit die Bank in der nächsten Krise dann noch kleiner und noch weniger profitabel sein wird. Bis sie auf dieser selbstverschuldeten Abwärtsspirale so weit abgestiegen ist, dass eine Übernahme durch die Konkurrenz niemanden mehr stören würde.
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