Laut Bloomberg wolle die SIX eine EU-Börse erwerben. Das Problem der fehlenden EU-Anerkennung würde sie damit aber nicht lösen.
Die Schweizer Börsenbetreiberin SIX erwägt laut der Nachrichtenagentur Bloomberg den Kauf einer europäischen Börse, sollte sich der Verlust der EU-Börsenanerkennung länger hinziehen oder sollte sich die Situation verschärfen. Bloomberg schreibt am Donnerstag unter Berufung auf «gut informierte Kreise», die spanische Bolsas y Mercados Espanoles SA und die österreichische Wiener Börse seien mögliche Ziele.
Die SIX selbst sagt gegenüber «Finanz und Wirtschaft», sie sondiere keine möglichen Kaufobjekte. Nur wenn die Situation sich extrem verschärfen würde, die EU beispielsweise weitere Sanktionen gegen die Schweizer Börse beschliesse, könne sich die SIX nach einer Akquisition umschauen. Die Börse gehe aber davon aus, dass bald ein Rahmenvertrag zwischen Brüssel und Bern unterzeichnet würde und sich die Situation dann entspanne.
Im jetzigen Umfeld macht der Kauf einer EU-Börse vor dem Hintergrund der fehlenden EU-Anerkennung keinen Sinn. Mit solch einem Kauf bekommt die SIX nicht die Anerkennung der EU zurück. Ein Beispiel ist die kleinere Schweizer Börse BX Swiss (ehemals Berner Börse). Sie ist eine 100%-Tochter der Börse Stuttgart, besitzt als Börse in der Schweiz aber dennoch keine EU-Anerkennung.
Keine Schweizer Börse ausserhalb der Schweiz
Die Verlagerungen des SIX-Sitzes in die EU oder ins EWR-Land Liechtenstein schloss SIX-Chef Jos Dijsselhof in einem Interview mit «Finanz und Wirtschaft» vor einem Jahr noch kategorisch aus: «Dann wären wir die Schweizer Börse ausserhalb der Schweiz. Das wäre allenfalls noch schlimmer, als zu akzeptieren, dass man keine Äquivalenz hat.»
Die SIX könnte zudem jederzeit eine Gesellschaft in der EU gründen. Bereits heute besitzt sie beispielsweise mit ihrem Finanzdatendienst Financial Information eine Geschäftsstelle in Luxemburg. Momentan scheinen solche Schritte aber nicht notwendig.
Obwohl die Schweizer Börse die Anerkennung der EU Ende Juni verloren hat, sorgen die Gegenmassnahmen des Bundes dafür, dass im Juli so viele Schweizer Aktien an der SIX gehandelt wurden wie seit zehn Jahren nicht mehr. Laut Informationen von «Finanz und Wirtschaft» hat sich diese Entwicklung im August fortgesetzt.
Gescheiterte Fusionen
Grundsätzlich hätte die SIX für Zukäufe rund 1 Mrd. Fr. freie Mittel zur Verfügung, die durch den Verkauf ihres Kartenzahlgeschäfts an die französische Worldline gelöst wurden. Auch könne die Beteiligung an Worldline langfristig zurückgefahren werden, sollte die SIX eine Kaufgelegenheit identifizieren, die zu ihrem Geschäft passe, sagte Dijsselhof zuletzt im Interview mit der «NZZ (NZZ 4800 -2.04%) am Sonntag».
In der europäischen Börsenlandschaft gehen Beobachter schon länger davon aus, dass es in Zukunft zu mehr Zusammenschlüssen kommen sollte. Eine Fusion der deutschen Börse und der London Stock Exchange scheiterte allerdings 2017. Die letzte europäische Grossfusion fand 2000 statt, als die Börsen in Amsterdam, Brüssel und Paris sich zur Euronext zusammenschlossen. Sie gingen 2006 mit der New York Stock Exchange zusammen, was nach sieben Jahren allerdings wieder rückgängig gemacht wurde.
Die SIX, die sich im Besitz der Schweizer Banken befindet, sieht sich offiziell nicht als Konsolidiererin in der europäischen Börsenlandschaft. Sie will aber ausdrücklich eigenständig bleiben und sich nicht von einer anderen Gesellschaft übernehmen lassen.
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.