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23:56 Uhr - 18.05.2016

Fed heizt Zinsspekulationen neu an

Noch vor Kurzem galt ein Zinsschritt im Juni als praktisch ausgeschlossen. Doch nun signalisiert die US-Notenbank, dass sie sich für die nächste Sitzung alle Optionen offen lässt.

Das Federal Reserve nimmt einen neuen Anlauf. Bislang dominierte an den Finanzmärkten die Ansicht, dass es in den Vereinigten Staaten frühestens im Herbst zu einer weiteren Zinserhöhung kommt. Gemäss den jüngsten Signalen aus der  amerikanischen Notenbank ist das allerdings gar nicht mehr so sicher.

«Wenn die Daten darauf hindeuten, dass das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal anzieht, die Bedingungen am Arbeitsmarkt sich weiter verbessern und die Inflation mit Blick auf das Ziel von 2% Fortschritte macht, dann wird es wahrscheinlich angebracht sein, die Federal Funds Rate im Juni zu erhöhen», hält das Protokoll zum letzten Treffen der US-Währungshüter fest.

Die Sitzungsunterlagen, die auch FOMC Minutes genannt werden, veröffentlicht das Federal Reserve jeweils drei Wochen nach einem geldpolitischen Entscheid. Ende April deutete es damals noch Sorgen um die US-Wirtschaft an, die im ersten Quartal praktisch zum Stillstand gekommen war. Es beschloss deshalb die Zielrate für den Leitzins unverändert zu belassen, nachdem es sie im Dezember erstmals leicht auf 0,25 bis 0,5% erhöht hatte.

Fed-Präsidenten schlagen schärfere Töne an

Nun hört man aus dem Fed-Vorsitz jedoch wieder vermehrt schärfere Töne. John Williams, Präsident des Fed-Distrikts San Francisco, wie auch Dennis Lockhart (Atlanta) sagten am Dienstag, dass eine Straffung der Geldpolitik an der Zinssitzung vom 14. und 15. Juni durchaus möglich sei. «Ich würde das nicht vom Tisch nehmen», sagte Lockhart gegenüber dem Online-Magazin «Politico». Ähnlich äusserte sich Robert Kaplan, Chef des Distrikts Dallas.

Wie aus dem Fed-Protokoll hervorgeht, sind die US-Währungshüter auch wieder zuversichtlicher, was die weltweite Grosswetterlage betrifft. «Die Teilnehmer waren sich grundsätzlich darin einig, dass die Risiken für den Konjunkturausblick abgenommen haben, die von der globalen Entwicklung der Wirtschaft sowie der Finanzmärkte ausgehen», heisst es in den Sitzungsunterlagen.

Das heizt Spekulationen um einen baldigen Zinsschritt neu an. Gemäss den Zinskontrakten an der Chicagoer Terminbörse CME Group rechneten Investoren am Mittwochabend mit einer Wahrscheinlichkeit von 34%, dass die US-Notenbank im Juni Ernst machen wird. Ende April bezifferten sie die Chancen lediglich auf 10%.

Konjunkturdaten überraschen positiv

Bewegung kam in den Terminhandel bereits vergangenen Freitag. Grund dafür waren die April-Zahlen zum Einzelhandel, die besser als erwartet ausgefallen waren. Zudem überraschten am Mittwoch Daten zur Inflation und zur Industrieproduktion positiv. Das Konjunkturbarometer der Fed-Distriktnotenbank Atlanta zeigt derzeit ein Wirtschaftswachstum von 2,5% für das zweite Quartal an.

Hektik brach besonders im Devisenhandel aus. Gemessen an den wichtigsten Währungen rückte der Dollar 0,7% vor und schloss zum Franken auf fast 0.99 $/Fr. Am Bondmarkt zog die Rendite auf zehnjährige Staatsanleihen 12 Basispunkte auf 1,88% an. Der Aktienindex S&P 500 (SP500 2047.63 0.02%) sackte nach der Publikation der FOMC Minutes zunächst ab. Er schloss dann aber unverändert auf 2047,63, wobei Bankaktien wie JP Morgan Chase (JPM 64.04 3.86%), Bank of America (BAC 14.69 4.85%) und Citigroup (C 45.87 4.97%) stark gefragt waren.

Umso genauer wird man Wallstreet hinhören, was andere Fed-Mitglieder in den nächsten Tagen zur Konjunkturlage sagen. Mit Vizepräsident Stanley Fischer und Bill Dudley, dem Chef des Distrikts New York, melden sich am Donnerstag gleich zwei Schwergewichte der US-Geldpolitik zu Wort. Entscheidend wird aber letztlich, was Fed-Präsidentin Janet Yellen in ihrer Rede vom 6. Juni  vor dem World Affairs Council in Philadelphia sagt.

Riskantes Timing wegen «Brexit»

Kein Geheimnis ist, dass das Fed-Protokoll jeweils sorgfältig redigiert wird. Daher ist gut denkbar, dass die US-Notenbank es als Versuchsballon mit Blick auf eine weitere Zinserhöhung nutzt. Seit dem heftigen Kursbeben von Anfang Jahr hat sich die Lage an den Finanzmärkten zwar entspannt. Investoren auf einen weiteren Zinsschritt einzustimmen wird jedoch nicht einfach.

Das in erster Linie deshalb, weil die Wirtschaftslage in den USA nach wie vor unsicher ist. Das haben etwa die enttäuschenden Jobdaten zum April gezeigt. Hinzu kommt, dass Grossbritannien nur eine Woche nach dem Fed-Entscheid über den Austritt aus der EU abstimmen wird. Was das für die Märkte bedeuten könnte, werden die US-Währungshüter genau in Erwägung ziehen, wenn sie sich Mitte Juni Treffen.

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