Zurück zur Übersicht
10:57 Uhr - 05.02.2016

Ren Jianxin: Das Gesicht des Staatskapitalismus

Schon vor dem Kaufangebot für Syngenta galt er als Meister der Übernahmen. Doch Ren Jianxin, Präsident von ChemChina, verdankt viel der Nähe zur Politik.

Als der chinesische Immobilientycoon Wang Jianlin Anfang Januar an einem Wirtschaftsforum in Hongkong auftrat, wurde er von der begeisterten Menge wie ein Superstar gefeiert. Dagegen bewegt sich Ren Jianxin, der Verwaltungsratspräsident des chinesischen Konglomerats ChemChina, weitgehend unbemerkt in der Öffentlichkeit. Und das, obwohl er weit einflussreicher ist als Wang, der wohl reichste Mann Chinas mit einem geschätzten Vermögen von über 12 Mrd. $.

Der Kontrast zwischen Wang und Ren spiegelt die zwei Gesichter der von der Regierung vorangetriebenen «neuen Normalität» Chinas. Zwar spielen die Marktkräfte eine weit wichtigere Rolle als zuvor. Doch der Staatskapitalismus hat weiterhin Vorrang. In dieser Normalität haben sowohl Wang wie auch Ren in den Jahren nach der Öffnung der chinesischen Wirtschaft dank grossen unternehmerischen Freiheiten, aber auch privilegiertem Zugang zu Krediten der staatlichen Banken zwei Grossunternehmen aus dem Nichts aufgebaut.

Der Unterschied ist, dass der 58-jährige Chef von ChemChina anders als Wang bei all dem ein treuer Diener des Staates geblieben ist. Ren ist damit ein Gesicht des chinesischen Staatskapitalismus, der gegenwärtig im Ausland etwa mit der Akquisition von Syngenta (SYNN 397.5 0.63%) oder zuvor des italienischen Reifenherstellers Pirelli (Pirelli 0 0%) auf Einkaufstour ist. Schon nach einem Volkswirtschaftsstudium in seiner Heimatprovinz Gansu wurde er staatlicher Angestellter bei einem Forschungsinstitut für Chemiemaschinen.

Der junge Studienabgänger war auf seinem ersten Posten allerdings nicht als Wissenschaftler tätig, sondern als Sekretär der Kommunistischen Jugendliga. Später wechselte er ins mittlerweile aufgelöste Chemieministerium. Er verstand allerdings nach der 1979 eingeleiteten allmählichen Abkehr von der Planwirtschaft die Zeichen der Zeit und sprang, wie die chinesische Redewendung sagt, 1984 rechtzeitig ins Meer. Mit einem staatlichen Kredit gründete er die industrielle Reinigungsfirma Bluestar.

Das Start-up sollte zwanzig Jahre später nach der Übernahme von über hundert meist maroden staatlichen Unternehmen in ChemChina aufgehen – heute mit 140 000 Angestellten und einem Umsatz von 40 Mrd. $ einem der grössten Staatskonzerne des Landes.

Dabei blieb der «Meister der Übernahme» – wie Ren auch genannt wird – trotz seines mittlerweile grossen Wohlstands der Kommunistischen Partei treu. Ren ist nicht nur Verwaltungsratspräsident, sondern auch Parteisekretär von ChemChina. Allerdings ist er auch rein äusserlich kein Apparatschik, wie sie meist auf den Chefetagen anderer Staatskonzerne anzutreffen sind. Mit seiner randlosen Brille, dem modischen Haarschnitt und seinen weichen Gesichtszügen zeigt der verheiratete Vater einer Tochter gerade im Ausland die harmlose Seite des chinesischen Machtapparats, der im Innern mit seinen Kritikern sehr hart umgeht.

Wenig ist von Rens früher Jugend bekannt, doch sie muss von der Kulturrevolution geprägt worden sein. Er hat den von Mao Zedong angefachten Terror in seiner armen Heimatprovinz am Rande der Wüste Gobi vielleicht nicht hautnah erlebt, aber wohl gesehen. Aufschlussreich ist die Verbindung Rens zur Politikerin Gu Xiulian, die er in einem Firmenvideo als enge Verbündete bezeichnet.

Gu stand zwischen 1989 und 1998 dem Chemieministerium vor und war zwei Jahrzehnte lang Mitglied des mächtigen Zentralkomitees der Kommunistischen Partei. Die Nähe zeigte sich wieder, als die mittlerweile 79-Jährige an einem von ChemChina ausgerichteten Neujahrsempfang 2012 neben Ren sass. Ren verdankt der Nähe zur Politik seinen Erfolg. Das sorgte für ein förderndes regulatorisches Umfeld und günstiges Kapital. Es muss sich weisen, ob dem Träger eines hohen französischen Ordens auf dem härteren internationalen Parkett ebenso viel Glück beschieden sein wird.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.